Rezension über:

Monique Weis: Les Pays-Bas Espagnols et les Etats du Saint Empire (1559-1579). Priorites et enjeux de la diplomatie en temps de troubles, Bruxelles: Editions de l'Université de Bruxelles 2003, 388 S., ISBN 978-2-8804-1303-3, EUR 30,00
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Rezension von:
Thomas Nicklas
Institut für Geschichte, Friedrich-Alexander-Universität, Erlangen-Nürnberg
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Schnettger
Empfohlene Zitierweise:
Thomas Nicklas: Rezension von: Monique Weis: Les Pays-Bas Espagnols et les Etats du Saint Empire (1559-1579). Priorites et enjeux de la diplomatie en temps de troubles, Bruxelles: Editions de l'Université de Bruxelles 2003, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 10 [15.10.2004], URL: https://www.sehepunkte.de
/2004/10/6598.html


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Monique Weis: Les Pays-Bas Espagnols et les Etats du Saint Empire (1559-1579)

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Die Untersuchung ist dem "diplomatischen Dreieck" Madrid - Brüssel - Reich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gewidmet - wegen der Vielzahl politischer Akteure auf der Seite des Reiches ist freilich die Redeweise vom Dreieck in diesem besonderen Fall nicht recht stimmig. Als zeitliche Eckpunkte dienen zum einen der Burgundische Vertrag von 1548 sowie der sukzessive Herrschaftsübergang von Karl V. auf Philipp II., zum anderen die Bildung der Utrechter Union 1579 und das Scheitern reichspolitischer Befriedungsversuche im niederländischen Aufstandsgebiet.

Mit dem Burgundischen Vertrag wurde der Sonderstatus der habsburgischen Niederlande innerhalb des Reiches fixiert. Die siebzehn Provinzen sollten zwar Steuern für das Reich aufbringen, von seiner Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit blieben sie jedoch ausgenommen. Damit wuchsen die Territorien des Burgundischen Kreises weiter aus dem Reich heraus, ein Prozess, der sich mit der Utrechter Union noch beschleunigte. So verortet Monique Weis die siebzehn Provinzen in einer rechtlichen Schwebelage zwischen Spanien und dem Heiligen Römischen Reich. Formell breitete der Reichsadler seine Schwingen auch über den Landen zwischen Ardennen und Nordsee aus, in der politischen Praxis entzog sich Philipp II. als Herrscher der siebzehn Provinzen jedoch konsequent allen Pflichten, die sich aus seiner Zugehörigkeit zum Reich ergaben. In dieser Grauzone agierte die für Reichssachen zuständige Abteilung bei der Regierung der Niederlande in Brüssel, die "Secrétairerie d'Etat allemande", in deren Arbeit Reichspolitik und spanische Außenpolitik zusammenfielen.

Monique Weis, die aufgrund dieser Studie an der Freien Universität Brüssel promoviert wurde, hat sich für den fraglichen Zeitraum die umfangreichen Bestände der Secrétairerie im belgischen Reichsarchiv sehr genau angesehen, um zunächst auf dieser Grundlage die diplomatischen Beziehungsgeflechte zwischen den Spanischen Niederlanden und den Reichsständen zu rekonstruieren. Ihr diplomatiegeschichtlicher Ansatz weiß sich Lucien Bély verpflichtet, der für eine Erneuerung der Teildisziplin unter Überwindung der alten Dichotomie von Ereignis und Struktur eintritt.

Diese Polarität von Faktografie und Strukturanalyse wird allerdings auch in Weis' Darstellung von neuem deutlich, die gleichsam in zwei Teile zerfällt. Sie schildert zunächst die diplomatische Alltagsgeschichte einer durch eifriges Korrespondieren gepflegten "bon voisinage" im niederländisch-nordwestdeutschen Raum, um dann den Auswirkungen der dramatischen Ereignisse seit dem Beginn des Konflikts auf dieses politische System nachzugehen. Unter dem Vorzeichen der Normalität betrieb Brüssel im Reich Vorfeldsicherung für die siebzehn Provinzen, während Madrid vor allem an den deutschen Nachbarländern Burgunds als Söldnerreservoir Interesse zeigte. Im Kriegsfall sollten Reiter und Landsknechte aus dem Reich in der gewünschten Anzahl zur Verfügung stehen.

Dann begannen aber mit dem Bildersturm und mit der Militärdiktatur Albas 1566/67 die Jahre von Krise und Krieg, in denen das diplomatische Beziehungsnetz Brüssels vielfachen Belastungen ausgesetzt war. Es wurde zusehends schwieriger, die über ausstehende Geldüberweisungen beunruhigten Pensionäre der spanischen Krone zu beruhigen. Schließlich verlor Brüssel bei den deutschen Korrespondenzpartnern auch an Glaubwürdigkeit, wenn es zwar "Zeitungen" über spanische Erfolge verbreitete, kaum aber über die Niederlagen berichtete, die sich nach 1572 häufen sollten. Im Kampf gegen Oranien und die Geusen nutzte der Hof von Madrid seine Brüssler Kanzlei nicht zuletzt dazu, die eigene Version der Ereignisse bei den reichsfürstlichen Adressaten zu verbreiten.

Unter systematischen Gesichtspunkten hebt die Studie die Bedeutung des konfessionellen Faktors in der spanisch-niederländischen Diplomatie gegenüber dem Reich hervor. Der andere Hauptakzent liegt auf der Funktion der Secrétairerie in Brüssel als Diffusionsorgan für eine monarchisch-absolutistische Einschätzung des niederländischen Aufstandes ab 1566/68. Man wird getrost auch von Kriegspropaganda sprechen dürfen.

Monique Weis hat damit in eindrucksvoller Weise den an Politik interessierten Frühneuzeithistorikern einen wichtigen und wenig beachteten Archivbestand vor Augen geführt. Im Sinne einer Diplomatiegeschichte, die ihren Blick weitet, hat sie zudem auch intensiv die ökonomischen Verflechtungen im Nordwesten des Reiches betrachtet, insofern diese in den politischen Kontakten einen Niederschlag fanden.

Thomas Nicklas