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Sabine Panzram: Die römische familia - zwischen 'Recht' und 'Realität. Einführung, in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 1 [15.01.2005], URL: https://www.sehepunkte.de
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Die römische familia - zwischen 'Recht' und 'Realität

Einführung

Von Sabine Panzram

Historisch-anthropologische Untersuchungen betrachten politische Organisationen hinsichtlich der Herausbildung von Handlungskapazitäten menschlicher Gruppen - das heißt hinsichtlich der Sozialstrukturen, die sie ermöglichen und somit hinsichtlich der unterschiedlichen Vorstellungen vom Menschen und dessen Handeln, die in ihnen zum Ausdruck kommen. Sie leben vom Kulturvergleich. Die römische familia wäre also ein ideales Forschungsgebiet; der Vergleich mit der griechischen Organisationsform würde es erlauben, Phänomene wie Kindheit und väterliche Gewalt, Eheschließung und Erbrecht in ihrer Eigenart schärfer zu fassen.

Nun sind in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten unzählige Studien, die sich vielfältigen methodischen Ansätzen verpflichtet sehen, zu allen nur denkbaren Aspekten familiären Daseins erschienen; zur Zeit zeichnet sich in der deutsch- und englischsprachigen Forschung jedoch die Tendenz ab, den Diskurs des Rechts als die adäquate Form für die Erfassung sozialer und verwandtschaftlicher Beziehungsverhältnisse in Rom anzusehen. Dies gilt für die Rolle der Frau ebenso wie für die Funktionen der familia in Gänze - sei es mit dem Anspruch, eine "juristische Geschichte der Frauen" (Höbenreich / Rizzelli 2003) respektive ein Überblickswerk auf aktuellem Forschungsstand bieten (Gestrich / Krause / Mitterauer 2003) oder aber Lehrenden und Studierenden ein "Casebook" (Frier / McGinn 2004) an die Hand geben zu wollen. Die Besprechungen weisen deutlich auf das Manko dieses Ansatzes hin: nicht in den Blick gerät die soziale Realität, die dem Recht zugrunde liegt. Daneben stehen nach wie vor Untersuchungen, die sich im weitesten Sinne einem sozialgeschichtlichen Ansatz verpflichtet sehen. Der Versuch, in eine Lebensalterstufe (Rawson 2003) beziehungsweise in Form einer Synthese in alle einzuführen (Harlow / Lawrence 2002), lässt jedoch den Faktor Historizität vermissen und will die Chance zum Vergleich nicht wahrhaben.

Historisch-anthropologische Untersuchungen sind - gerade aufgrund ihres Anspruchs - mühsam und zeitaufwändig; aber für die Möglichkeit, sich der sozialen Realität der römischen familia jenseits eines Diskurses nähern zu können, sollte es sich lohnen, zu den Anfängen zurückzukehren. [1]

Anmerkung:

[1] Jochen Martin: Probleme historisch-sozialanthropologischer Forschung, in: H. Süssmuth (Ed.): Historische Anthropologie, Göttingen 1984, 43-48; Jochen Martin / August Nitschke (Eds.): Zur Sozialgeschichte der Kindheit, Freiburg/München 1986 (= Veröffentlichungen des Instituts für Historische Anthropologie; 4. / Kindheit, Jugend, Familie; 2); Jochen Martin / Renate Zoepffel (Eds.): Aufgaben, Rollen und Räume von Frau und Mann. 2 Bde. Freiburg/München 1989 (= Veröffentlichungen des Instituts für Historische Anthropologie; 5. / Kindheit, Jugend, Familie; 3).

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