Rezension über:

Beat Brenk: Die Christianisierung der spätrömischen Welt. Stadt, Land, Haus, Kirche und Kloster in frühchristlicher Zeit (= Spätantike - Frühes Christentum - Byzanz. Kunst im ersten Jahrtausend. Reihe B: Studien und Perspektiven; Bd. 10), Wiesbaden: Reichert Verlag 2003, 225 S., 283 fig., ISBN 978-3-89500-308-0, EUR 49,90
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Rezension von:
Thomas Krönung
Friedrich-Schiller-Universität, Jena
Redaktionelle Betreuung:
Christian Witschel
Empfohlene Zitierweise:
Thomas Krönung: Rezension von: Beat Brenk: Die Christianisierung der spätrömischen Welt. Stadt, Land, Haus, Kirche und Kloster in frühchristlicher Zeit, Wiesbaden: Reichert Verlag 2003, in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 11 [15.11.2005], URL: https://www.sehepunkte.de
/2005/11/8673.html


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Beat Brenk: Die Christianisierung der spätrömischen Welt

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Welche Bedeutung dem Christentum in den Wandlungsprozessen der Spätantike zukommt, ist gerade in jüngster Zeit verstärkt in den Focus der Forschung geraten. Insbesondere im Rahmen der vielen Publikationen zum Thema "Stadt" sind in den letzten Jahren vermehrt die Auswirkungen des Christentums auf die Entwicklung der Stadtbilder in der Spätantike erforscht worden. Beat Brenk versucht nun das Thema noch umfassender zu bearbeiten und betrachtet in seinem Buch "die Christianisierung der spätrömischen Welt". Letztere umfasst für ihn neben den Städten auch das Land und die klimatisch extremen Gebiete wie Wüsten und Gebirge.

In der modernen (archäologischen) Forschung wird der Begriff "Christianisierung" nicht einheitlich verwendet; häufig beschränkt sich der Blick dabei auf den Kirchenbau. Brenk hingegen untersucht verschiedene christliche Gebäudetypen und nimmt Abstand von der oftmals einseitigen Konzentration der christlichen Archäologie auf die großen Basiliken. Für ihn beschreibt der Terminus Christianisierung einen langen Prozess des Wandels, nämlich "Chresis, Umnutzung und Übernahme einer Bauparzelle, eines Gebäudes, eines Amtes oder / und einer Funktion durch Christen" (3). In klimatisch extremen Gebieten hingegen bedeute Christianisierung überhaupt erst die Besiedelung der Einöde und die Urbarmachung des Landes.

Um diesem Prozess auf die Spur zu kommen, bedarf es nach Brenk einer genauen Analyse des Kontextes, innerhalb dessen es zu der Umnutzung eines Gebäudes gekommen ist. Entscheidende Fragen sind, ob man Hinweise darauf findet, aus welchen Gründen eine Bauparzelle aufgegeben oder zerstört wurde bzw. wie es zu einer Besitzveränderung kam, durch die ein Haus oder Grundstück in die Hände eines Christen fiel, und welche Änderungen dieser dann dort vornehmen ließ. Dazu bedarf es nach Brenk vor allem der Methode der Stratigrafie. Das Buch besteht aus einer Aneinanderreihung von Fallstudien, da Brenk bewusst auf eine umfassende 'Theorie' der Christianisierung oder auf die Einordnung der einzelnen Exempla in übergeordnete Kategorien verzichtet hat. Dies hat seinen Grund darin, dass sich "im Laufe der Arbeit die Erkenntnis durchsetzte, dass kein Paradigma und kein Fall einem anderen wirklich ähnlich ist, und dass der anfängliche Wunsch nach einer Theoriebildung von den einzelnen Fallstudien konstant unterlaufen wird" (1). Die Arbeit gliedert sich in sechs Kapitel. Die ersten vier beschäftigen sich mit der Christianisierung im städtischen Bereich, während das fünfte Kapitel die Christianisierung der Herrscherresidenzen behandelt und das sechste die Christianisierung von Wüsten und Gebirgen durch das Klosterwesen ins Auge fasst. Das Buch schließt mit einem Aufsatz von Fulvio Coletti, der in seinem Beitrag die unter SS. Giovanni e Paolo gefundene Keramik analysiert.

Im ersten Kapitel bespricht Brenk die städtische "Umnutzung von Bauparzellen und Gebäudekomplexen" anhand von acht Fallbeispielen. Er belegt, dass in Jerusalem und Philippi für den Ort der Errichtung von Kirchen "kultgeschichtliche Überlegungen" ausschlaggebend waren, wobei im ersten Fall ein Aphroditeheiligtum ausgelöscht und im zweiten Fall "ein Heroon eines hellenistischen Stadtgründers" auf "die Memoria des Apostels Paulus umgepolt" (38) wurde. Derartige Überlegungen scheinen dagegen in anderen Städten keine Bedeutung gehabt zu haben. In Shivta und Kurnub-Mampsis wurden Kirchen über Wohnhäusern errichtet, in Apamea über einem Repräsentationsbau des vierten Jahrhunderts sowie einer Synagoge. Den komplexesten Befund liefert indes die Stadt Gerasa. Dort ist zu beobachten, wie eine Bauparzelle im Zentrum der Stadt sukzessive erworben und bebaut wurde. Dabei scheinen sowohl kultgeschichtliche Überlegungen wie auch das Vorhandensein einer Wasserleitung eine Rolle gespielt zu haben, da zunächst eine Kirche über einem Tempel errichtet wurde, der dann eine Thermenanlage und eine weitere Kirche mit Baptisterium folgten. Beim Bau der Therme fungierte der Bischof zudem als privater Euergetes. Ein zweiter wichtiger Aspekt in diesem Abschnitt sind die neuen und sehr unterschiedlichen städtebaulichen Ideen, zu denen der Kirchenbau in den einzelnen Städten geführt hat.

Im zweiten Kapitel behandelt Brenk die Entstehung von "Kirchen über Privathäusern, Villen und Gutshöfen". Den Schwerpunkt des Kapitels bilden die bereits im ersten Kapitel behandelten Negev-Städte Shivta und Kurnub-Mampsis, da sich an diesen Beispielen nicht nur die "christliche Neubesiedelung" einer Ruine, sondern die "Handänderung" (61) eines Gebäudes zeigen lässt. In beiden Städten ist zu beobachten, wie ein Privatmann einen Teil seiner Domus für den Bau einer Kirche zur Verfügung stellte, den Rest der Domus jedoch weiterhin bewohnte. Für Rom stellt Brenk an drei Beispielen fest, dass die Finanzierung von Kirchenbauten oft aus privaten Mitteln erfolgte, jedoch stets unter der "Oberaufsicht" des Papstes oder eines "hoch gestellten Vertreters des Klerus" (51) stand.

Die Frage nach dem "Anteil der privaten und der kirchlichen Initiative" (66) bei der Einrichtung eines christlichen Kultraumes bildet auch den Schwerpunkt der nächsten beiden Kapitel. Brenk unterscheidet "Hauskirchen" (Kapitel 3), "die von der Kirche qua Institution betrieben worden sind" (64), und "Domus mit privater Hauskapelle" (Kapitel 4). Das einzige Beispiel einer wirklichen Hauskirche findet sich nach Brenk in Dura Europos, da nur dort die Initiative von offiziell kirchlicher Seite aufgrund der Fresken des Baptisteriums sicher ist. Als Musterbeispiel einer "Domus mit privater Hauskapelle" präsentiert Brenk das Haus unter der heutigen Kirche SS. Giovanni e Paolo in Rom. In der umfangreichsten Fallstudie des Buches versucht Brenk aufzuzeigen, wie sich ein "kultivierter Heide der Oberschicht" (113) dem Christentum zuwandte und eine Hauskapelle in seinem Privathaus einrichtete, in der er ebenfalls privat erworbene Reliquien verwahrte, von denen "die Kirche als Institution keine Kenntnis hatte" (112). Als weitere Beispiele einer Domus mit privater Hauskapelle bespricht Brenk die "Domus der Valerii auf dem Caelius in Rom" und die "Christlichen Malereien unter dem ehemaligen Ospedale di S. Angelo in Rom".

An dieser Stelle entsteht ein gewisser Bruch in der Arbeit, da Brenk im Folgenden auf Fallstudien und die explizite Analyse von Grabungsbefunden verzichtet. Im kurzen fünften Kapitel bespricht Brenk "die Christianisierung der Herrscher-Residenz" durch die Verbindung von Kirche und Residenz in Konstantinopel, Ravenna und Kasr Ibn Wardan. Diese leitet er aus der "altrömischen Gewohnheit" ab, "neben dem Palast einen Tempel zu errichten" (134), die in die Zeit des Augustus zurückgehe und in der Spätantike von Diocletian in Split und Galerius in Romuliana-Gamzigrad übernommen worden sei.

Der Bruch innerhalb der Arbeit verstärkt sich im sechsten Kapitel weiter, da sich sowohl die Fragestellung wie die Methode Brenks ändern. Das Kapitel "Christianisierung der Wüste und der Gebirge" gliedert sich in drei Teile. Zunächst behandelt Brenk das Phänomen, dass monastische Architektur oftmals Repräsentationsbaukunst war und damit dem Ideal der Askese widersprach. Im zweiten Teil setzt sich Brenk vor allem mit derjenigen Forschungsposition auseinander, die die Benediktregel als die Grundlage einer monastischen Planarchitektur ansieht. Brenk betont, dass die Benediktregel aber nur die Funktionen einiger Räume bestimme, die zu einem Kloster gehörten, jedoch weder "Form noch Typologie" derselben (152). Abschließend bespricht Brenk die mittelalterliche Vierflügelanlage (Kreuzgang), für die ebenfalls gilt, dass sie sich aus keiner Ordensregel ableiten lässt, sondern seit frühchristlicher Zeit unter verschiedenen Namen erscheint und "die Aufgaben übernahm, verschiedene religiöse, soziale, ökonomische, karitative und administrative Tätigkeiten ordnend zu bewältigen" (169).

Das Ziel Brenks ist es, anhand "möglichst ergiebiger Paradigmen den Prozess der Christianisierung der römischen Welt zur Evidenz zu bringen" (170). Dies gelingt ihm vor allem in den ersten vier Kapiteln. Brenk schärft dort die Wahrnehmung dafür, dass die Christianisierung der römischen Welt ein langwieriger Prozess war, der sich nicht aus seinen jeweiligen Kontexten herauslösen lässt, auch wenn die Rekonstruktionen teilweise sehr hypothetisch bleiben. Leider werden die einzelnen Fallstudien nacheinander aufgereiht und nur selten durch kommentierende Texte miteinander verbunden. Den Rahmen für die einzelnen Beispiele bilden lediglich zwei Seiten Einleitung und eine Seite Epilog, die man sich ausführlicher gewünscht hätte. Inhaltlich ist in den ersten Kapiteln vor allem die strikte Trennung zwischen "privaten" und "kirchlich-institutionellen" Initiativen problematisch. Eine solche Aufteilung ist gerade für das dritte und vierte Jahrhundert sicher nicht so einfach vorzunehmen.

Die einzelnen Kapitel des Buches bestehen teilweise aus früheren Studien oder gekürzten Aufsätzen Brenks, die vor allem im letzten Teil der Arbeit etwas unverbunden nebeneinander stehen. Sie ordnen sich vor allem deshalb nicht in den größeren Zusammenhang ein, da Brenk im fünften und sechsten Kapitel die in der Einleitung vorgegebene Fragestellung nach der Christianisierung der römischen Welt weitgehend verlässt. Zu erwähnen bleibt außerdem, dass die Arbeit viele Tippfehler enthält und die Zitierweise im ganzen Buch vollkommen uneinheitlich ist. Das grundlegende Anliegen Brenks, ein "kontextuelles Sehen" anzustreben und das "Einzelne in seinem Lebenszusammenhang" (170) zu betrachten, ist jedoch ausgesprochen gewinnbringend und sollte in jedem Fall weiter verfolgt werden.

Thomas Krönung