Rezension über:

Alan Cromartie: The Constitutionalist Revolution. An Essay on the History of England, 1450-1642 (= Ideas in Context), Cambridge: Cambridge University Press 2006, x + 309 S., ISBN 978-0-521-78269-2, GBP 50,00
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Rezension von:
Kerstin Weiand
Fachgebiet Neuere Geschichte, Philipps-Universität, Marburg
Redaktionelle Betreuung:
Michael Kaiser
Empfohlene Zitierweise:
Kerstin Weiand: Rezension von: Alan Cromartie: The Constitutionalist Revolution. An Essay on the History of England, 1450-1642, Cambridge: Cambridge University Press 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 7/8 [15.07.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/07/12423.html


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Alan Cromartie: The Constitutionalist Revolution

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Ausgangspunkt dieser im Klappentext als innovativ angepriesenen Studie ist einmal mehr der Versuch, den Ausbruch des englischen Bürgerkrieges 1642 mittels seiner ideologischen und politischen Anamnese erklärbar zu machen. Diese teleologische Herangehensweise ist prinzipiell legitim, zumal über die Hintergründe und Wurzeln der Auseinandersetzungen trotz oder wegen jahrzehntelanger Grabenkämpfe innerhalb der angelsächsischen Historiographie noch immer keine Klarheit herrscht. Nun wirkt das Objekt der Betrachtung, die Entstehung und Transformation des englischen Konstitutionalismus vom 15. Jahrhundert bis zum besagten Jahr 1642, keineswegs besonders innovativ. Allenfalls das Erscheinen des Werks in der von Quentin Skinner herausgegebenen Reihe "Ideas in Context", die innerhalb der sogenannten New Intellectual History zu verorten ist, mag als Ausweis für Neuartigkeit gelten.

Der Anspruch, der sich mit dieser nicht mehr ganz jungen, mittlerweile breit rezipierten Forschungsrichtung und insbesondere mit dem Namen Skinner verbindet, liegt in einer Abkehr von einer Ideengeschichte, die sich weitestgehend auf die überzeitliche Betrachtung einer "Höhenkammliteratur" beschränkte. Stattdessen werden - der Name ist Programm - Ideen unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen politischen, sozialen und ideologischen Entstehungsbedingungen betrachtet; der Blick wird zudem geöffnet für Autoren und Textgattungen, die bislang im Kontext der Ideengeschichte übergangen worden sind. Im Mittelpunkt dieses neuen Werkes über die Entwicklung des englischen Konstitutionalismus, den der Autor recht offen als "the claim that ordinary law defines the monarch's power" (9) definiert, steht der Einfluss des sich ausbildenden common law, des englischen Gewohnheitsrechts, auf das zeitgenössische Verständnis von den Kompetenzen der politischen Institutionen.

Im 15. Jahrhundert, dessen Rechtsdenken und Politikverständnis anhand der Schriften Sir John Fortescues analysiert wird, bleibe, so der Autor, trotz der Tendenz zu einer stärker legalistischen Haltung der Bezug zur mittelalterlichen, aristotelisch geprägten Rechtstradition insgesamt sehr stark. Das von Fortescue geforderte "dominium politicum et regale" beziehe sich allein auf die Verpflichtung des Herrschers, Rat anzunehmen, keineswegs, wie vielfach angenommen, auf die Bindung königlicher Entscheidungen an die Zustimmung des Parlaments. Erst unter den Tudors setzte sich mit der Stärkung des königlichen Jurisdiktionsanspruchs auch in der gentry eine legalistische Haltung und damit eine Hochschätzung und Festigung des common law durch, die in ihrer Konsequenz die Entstehung und Verbreitung konstitutioneller Vorstellungen begünstigten. Eine zentrale Rolle kam der Reformation unter Heinrich VIII. zu, bewirkte doch die Bestätigung des königlichen Suprematsanspruchs über die Kirche durch das Parlament im Folgenden die Entwicklung der Theorie einer "parliamentary Supremacy" (78).

Diese revolutionäre Veränderung in der Wahrnehmung des Parlamentsstatus blieb aber nach Cromartie zunächst ohne direkte Auswirkungen auf die Politik. Unter Elisabeth I. setzte sich jedoch aufgrund des erhöhten Legitimationsbedürfnisses weiblicher Herrschaft eine legalistische Regierungsweise durch, im Rahmen derer gerade Elisabeths Befürworter die Bindung des Monarchen an die Gesetze betonten. Königsmacht sei so allmählich in die Sphäre des Rechts absorbiert worden. Das Recht, dessen Ursprung zunehmend auf einen Konsens in der Bevölkerung zurückgeführt wurde, trat in Konkurrenz zur königlichen Prärogative bezüglich der Sorge um das common weal.

Die Implikationen einer zunächst den verschiedenen politischen Auffassungen offen stehenden "consent-based legal theory" (141) für die Begrenzung der Königsmacht seien allerdings erst unter den Stuarts zum Tragen gekommen. Ihrer Betrachtung widmet Cromartie folglich den Großteil seiner Studie. Verantwortlich für die Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen, mit denen sich die Stuarts konfrontiert sahen, war laut Cromartie weniger die Propagierung neuer, "absolutistischer" Tendenzen - im Gegenteil sei Jakob I. in starkem Maße einer traditionellen Herrschaftsauffassung verpflichtet gewesen - als vielmehr ein neues Verständnis des common law als der einzigen Quelle von Autorität. Dieses habe den Anspruch des Parlaments, gleichsam als Hüter des Rechts die oberste Gesetzgebungs- und Jurisdiktionsgewalt auszuüben, verstärkt.

Der gesteigerte Klerikalismus unter Karl I., der sich mit dem Namen William Laud verbindet, trug - verstanden als Angriff auf das Rechtssystem - erheblich zur Verschärfung der Auseinandersetzungen zwischen Royalisten und Parlamentariern bei. Letztlich bewirkte die unterschiedliche Perzeption des gleichwohl von allen Seiten hochgeschätzten common law eine Unvereinbarkeit der Standpunkte, die im offenen Konflikt aufeinander prallten. Während die Royalisten im common law einen Fundus an festgelegten Gesetzen sahen, so dass es darüber hinaus durchaus Raum für königliche Prärogativrechte gebe, sprachen die Parlamentarier jeglicher Gewalt außerhalb des common law ihre Legitimität ab.

Als Kernaussage des Autors lässt sich somit festhalten, dass die wachsende Achtung vor dem Recht, insbesondere dem common law, von entscheidender Bedeutung für den "constitutionalizing process" (58) in England gewesen sei, d.h. also für einen Wandel in der Perzeption des Königtums als einer über der Rechtssphäre stehenden und diese gleichsam korrigierenden Instanz zu einem Amt, das seine Gewalt nur innerhalb eines omnipotenten und -kompetenten Rechts ausüben konnte. Den Ursprung der Auseinandersetzungen, die sich im Bürgerkrieg entluden, sieht Cromartie demnach in unterschiedlichen Auffassungen vom Wesen des common law.

Die vorliegende Studie besticht vor allem durch die profunde Quellenkenntnis des Autors. Bei der Auswahl der zeitgenössischen Werke orientiert er sich zwar durchaus an den "Klassikern" (etwa Fortescue, St. German, Coke), jedoch wird das Quellenspektrum häufig durch wenig bekannte Gegenstimmen erweitert. So ergibt sich ein vielstimmiges Porträt des zeitgenössischen Rechtsdenkens, das den überkommenen schematischen Antagonismus von "Absolutismus" und "Konstitutionalismus" als Ursache für die Konflikte unter den frühen Stuarts hinter sich lässt und stattdessen ein differenzierendes Bild von den rechtlichen und politischen Vorstellungswelten zeichnet, die sich in ihrem jeweiligen Verhältnis zum common law artikulieren. Lesenswert wird die Studie auch durch das Bemühen Cromarties, die Autoren selbst durch das Einfügen langer Quellenabschnitte zum Sprechen zu bringen.

Wenig benutzerfreundlich erweist sich allerdings das Fehlen einer stringenten Gliederung mit aussagekräftigen Kapitelüberschriften sowie einer Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse; der kursorische Ausblick auf das konstitutionelle Denken John Lockes, mit dem das Werk abschließt, wirkt dagegen überflüssig. Die Einordnung der eigenen Studie in die einschlägige Forschung übergeht Cromartie fast völlig, in den spärlichen Anmerkungen finden sich allein Verweise auf im Text namentlich erwähnte Autoren. Einem umfangreichen Quellenverzeichnis steht entsprechend nur ein eher kümmerliches Literaturverzeichnis gegenüber. Bedauerlicherweise bleibt die - in der Einleitung verheißene - besondere Beachtung der Verflechtung von religiöser und rechtlicher Sphäre fast ausschließlich auf die Kirchenpolitik unter Karl I. beschränkt, theologische Fragestellungen geraten kaum in den Blick.

Insgesamt ist die Arbeit zwar ein gelungener Versuch, die im Zuge der revisionistischen Forschung lange vernachlässigte Wirkmächtigkeit von Ideen durch ihre Kontextualisierung herauszustellen. Was ihre einzelnen Ergebnisse betrifft, vermag sie jedoch nicht deutlich zu machen, inwieweit sie über eine Bestätigung aktueller Forschungsstände hinausgeht.

Kerstin Weiand