Rezension über:

Peter Baumgart: Universitäten im konfessionellen Zeitalter. Gesammelte Beiträge (= Reformationsgeschichtliche Studien und Texte; Bd. 149), Münster: Aschendorff 2006, X + 519 S., ISBN 978-3-402-03817-8, EUR 65,00
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Rezension von:
Thomas Töpfer
Historisches Seminar, Universität Leipzig
Redaktionelle Betreuung:
Holger Zaunstöck
Empfohlene Zitierweise:
Thomas Töpfer: Rezension von: Peter Baumgart: Universitäten im konfessionellen Zeitalter. Gesammelte Beiträge, Münster: Aschendorff 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 11 [15.11.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/11/12324.html


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Peter Baumgart: Universitäten im konfessionellen Zeitalter

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Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Geschichte der Universitäten und Hohen Schulen in Deutschland in der Vormoderne hat in den vergangenen gut drei Jahrzehnten einen erstaunlichen Aufschwung erlebt. Aus einer ursprünglich jubiläumsgebundenen Spezialdisziplin ist inzwischen ein eigenständiger Forschungszweig erwachsen, an dem Bildungs-, Wissenschafts- und Kulturhistoriker ebenso wie Theologen und Rechtshistoriker erfolgreich mitwirken und der in Form von Handbüchern, Publikationsreihen und Zeitschriften bereits einen gewichtigen Niederschlag gefunden hat. Der renommierte Würzburger Frühneuzeithistoriker Peter Baumgart kann ohne Zweifel als einer der wichtigsten Vordenker auf dem Feld der Universitätsgeschichte angesehen werden [1]. Innerhalb der "Reformationsgeschichtlichen Studien und Texte" ist anläßlich des 75. Geburtstages des Autors ein umfangreicher Band vorgelegt worden, der die zwischen 1961 und 1994 an anderer Stelle erschienenen Beiträge Baumgarts zur Geschichte der Universitäten im konfessionellen Zeitalter versammelt und somit erstmals einer vergleichenden Lektüre zugänglich macht.

Baumgart stellt zentrale Leitfragen an den Anfang seines kurzen Vorwortes. Mit Blick auf die Hochschulen des konfessionellen Zeitalters sei von einem eigenständigen "Universitätstypus" auszugehen, der sich im deutschsprachigen Raum konfessionsübergreifend ausgeprägt habe. Baumgart benennt drei Faktoren, "die das Proprium jener Hochschulen, ihre spezifische Differenz zu den Vorgängern und Nachfolgern ausmachten" (VII): die prägende "Dominanz der Landesherrschaft" gegenüber den Universitäten, das konfessionsübergreifende Band einer durch den Humanismus bestimmten Bildungs- und Wissenschaftskultur, schließlich die "konfessionsgebundene Orientierung der Hochschulen".

Die insgesamt sechzehn Studien nähern sich auf unterschiedliche Weise diesen grundlegenden Charakteristika der vormodernen Universität. Den Auftakt bilden die bekannte Arbeit Baumgarts über "Die deutschen Universitäten im Zeichen des Konfessionalismus" (erstmals 1994) und die Studie "Humanistische Bildungsreform an deutschen Universitäten des 16. Jahrhunderts" (erstmals 1984). Die Strukturmerkmale der Universität des 16. und 17. Jahrhunderts werden darin zunächst allgemein dargestellt.

Die Veränderungen, denen insbesondere der Humanismus und seine Verankerung an den Hochschulen im Zusammenhang mit den vorgenannten Prozessen unterworfen waren, bilden einen weiteren Schwerpunkt der einleitenden Studien des Autors. Baumgarts These, dass sich eigenständige humanistische Wissenschaftskultur und konfessionspolitische Einflussnahme der Landesobrigkeit auf die Universitäten im 16. Jahrhundert keineswegs ausschlossen, und ganz im Gegenteil der Humanismus vielerorts erst nach 1550 in Form des durch Philipp Melanchthon, Johannes Sturm oder später durch die Jesuiten kanonisierten "Schulhumanismus" Einzug hielt und den artistischen Fächerkanon dauerhaft prägte, gilt bis heute als unbestritten.

Den Mittelpunkt der Studien bilden die Universitäten Helmstedt (gegründet 1576) und Würzburg (1582), also zwei der wichtigsten Universitätsgründungen des ausgehenden 16. Jahrhunderts, die als dezidiert landesherrliche Gründungen durch Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel und Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn die einleitend herausgestellten Strukturprobleme der Universitäten des Konfessionellen Zeitalters mustergültig in sich vereinten. Am Ende des Aufsatzbandes wird der Blick auch auf hessische Marburg, der ersten genuin reformatorischen Universitätsgründung in Deutschland, ausgedehnt.

In den beiden vergleichenden Arbeiten "Universitätsgründungen im konfessionellen Zeitalter. Würzburg und Helmstedt" (1978) und "Die kaiserlichen Privilegien von 1575 für die Universitäten Würzburg und Helmstedt" (1974) wird der landesherrliche Charakter der Hochschulen im Spiegel der Gründungs- und Privilegierungsvorgänge untersucht. Auffällig ist nicht nur die zeitliche Nähe der beiden Gründungen, sondern die komplexen strukturellen Gemeinsamkeiten. Zu nennen ist das entscheidende persönliche Engagement der beiden fürstlichen Gründer, die sowohl in Helmstedt als auch in Würzburg zuvor erfolgte Schaffung eines Gymnasium illustre, schließlich die hervorragende Bedeutung der Universitätsgründungen für die Festigung der fürstlichen Macht, für den Landesausbau und vor allem für die Stärkung des lutherischen bzw. katholischen Bekenntnisses im Zeichen der konkurrierenden Konfessionalisierung.

Die Julius-Universität in Helmstedt steht im Mittelpunkt von fünf Aufsätzen, die von der theologischen Profilierung der frühen Jahre ("David Chyträus und die Gründung der Universität Helmstedt", erstmals 1961), über das Verhältnis von "Universitätsautonomie und landesherrliche Gewalt" (1974), bis hin zur Besucherstruktur im Spiegel der Universitätsmatrikel und der wirtschaftlichen Situation der Helmstedter Professoren zentrale Aspekte der Geschichte der Hochschule im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts behandeln.

Daran schließen Baumgarts Arbeiten zur Würzburger Universitätsgeschichte an. Auch hier liegt der Schwerpunkt auf der Hochschulgründung. Die Bedeutung der Universität für die bildungs- und geistesgeschichtliche Entwicklung des Fürstbistums Würzburg im 18. Jahrhundert steht im Mittelpunkt einer Studie zu "Bildungsreformen im Hochstift Würzburg unter der Mitwirkung Dalbergs" (erstmals 1995).

Im abschließenden Teil des Bandes finden sich zwei weitere Aufsätze zur Bildungsgeschichte des 18. Jahrhunderts. Zunächst wird die Universität Breslau von ihrer Gründung 1702 bis in die preußische Zeit untersucht ("Die Breslauer Leopoldina", bislang unveröffentlicht). Sodann untersucht Baumgart die Reformbestrebungen auf dem religiös-geistigem Gebiet um 1700, indem er Leibniz und August Hermann Francke miteinander vergleicht ("Leibniz und der Pietismus", erstmals 1966). Den Abschluß bildet eine weit über die Bildungsgeschichte des konfessionellen Zeitalters hinausgehende Studie über die "Universität als europäische Bildungsinstitution" (erstmals 1993), in der Baumgart den besonderen Stellenwert der Universität als spezifisch europäisches Zentrum von Wissen, Gelehrsamkeit und Bildung eindrucksvoll herausarbeitet. Der Autor erinnert noch einmal an die seit dem Mittelalter bis heute über vielfältige Brüche hinweg erhaltenen korporativen Rechte, akademischen Institutionen und zeremoniellen Verfahren.

Baumgarts fundierte Studien zur Geschichte der Universitäten des 16. Jahrhunderts haben die Herausbildung der Universitätsgeschichte als wichtiges Teilgebiet der Frühneuzeitforschung maßgeblich mit befördert. Die Arbeiten zu Helmstedt und Würzburg legen einen besonderen Schwerpunkt auf die "institutionell-rechtliche" Dimension der Universitätsgeschichte und zeigen bis heute, wie thematisch und methodisch differenziert dabei vorgegangen werden kann. Der vorliegende Aufsatzband versammelt unverzichtbare Standardtexte und verdient einen Platz in jedem Handapparat zur deutschen und europäischen Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte.


Anmerkung:

[1] Vgl. Anton Schindling: Deutsche Universitäten in der Neuzeit - Eine Einführung in ihre Erforschung mit Würdigung der Arbeiten von Peter Baumgart, in: Peter Herde/ders. (Hrsg.): Universität Würzburg und Wissenschaft in der Neuzeit. Beiträge zur Bildungsgeschichte. Gewidmet Peter Baumgart anläßlich seines 65. Geburtstages, Würzburg 1998, 15-35.

Thomas Töpfer