sehepunkte 7 (2007), Nr. 11

Rezension: The Nine Years War in Irland (1594-1603)

Der Neunjährige Krieg in Irland (1594-1603) war einer der letzten erfolgversprechenden Versuche der gälisch-irischen Seite, sich der teilweise mit offener Ausbeutung und überzogener Brutalität verbundenen herrschaftlichen Durchdringung Irlands durch England zu widersetzen. Getragen wurde der auch "Tyrone's Rebellion" genannte Aufstand von einem Bündnis irischer Adeliger, von denen der bedeutendste Hugh O'Neill, Earl of Tyrone, war. Die Iren wurden von Spanien unterstützt, das auf diese Weise seinen Gegner England in Atem hielt. Am Ende von neun blutigen Jahren standen jedoch die Niederlage des einheimischen Adels und die Durchsetzung der englischen Suprematie.

Die beiden zu besprechenden Bücher nähern sich den Ereignissen aus einem biographischen Blickwinkel und stellen jeweils einen Akteur der Kriegsereignisse in den Mittelpunkt, der in der bisherigen Forschung - wie beide Autoren meinen: zu unrecht - als weniger bedeutend und nur in der zweiten Reihe stehend wahrgenommen wurde. Es handelt sich in der Studie von John McGurk um Sir Henry Docwra (1564-1631), einen englischen Kleinadeligen, der im militärischen Dienst der englischen Krone aufstieg, während des Neunjährigen Krieges ein vergleichsweise selbständiges und wichtiges Kommando über ein eigenes Korps erhielt und später das Amt eines "Treasurer-at-War" in Irland wahrnahm, also eine relativ hohe Stellung in der Finanz-Administration innehatte.

Einer seiner Gegenspieler während des Neunjährigen Krieges war Red Hugh O'Donnell (1572-1602), Clanoberhaupt oder auch "Lord" von Tyrconnell. Red Hugh war neben Hugh O'Neill der bedeutendste Führer des Aufstands. Die Herrschaften von Tyrconell und Tyrone lagen nebeneinander im Norden Irlands und bildeten so mit ihren Verbündeten und Abhängigen einen großen Block, der für die im Süden der Insel etablierte englische Verwaltung nur schwer zu durchdringen war. Nicht zuletzt aufgrund geographischer Gegebenheiten wie schwer zugänglicher Gebirge, Flüsse, Wälder und Sümpfe konnten die Aufständischen in den ersten Kriegsjahren eine sehr stabile Verteidigungslinie an ihren südlichen Grenzen aufbauen und den Engländern einige blutige Niederlagen beibringen. Sie konnten sich dabei auf ihre Ortskenntnisse stützen, auf die Vorteile der Verteidigung in unübersichtlichem Gelände und einer Taktik des Überraschungsangriffs auch aus dem Hinterhalt. Wenn die Iren ihrerseits auf englisches Gebiet vordrangen, ging es weniger um eine direkte militärische Konfrontation als um Raub (v.a. von Vieh) und Zerstörung, so dass eine klassische Guerilla-Taktik angewandt wurde: Sie bestand aus dem Halten eines eigenen festen Rückzugsgebiets sowie Angriffen und Überfällen auf gegnerisches Gebiet, wenn sich eine günstige Gelegenheit ergab. Einen Sieg konnten die Iren dabei nur durch Abnutzung und Ermüdung der Engländer sowie durch spanische Hilfe erreichen, die aus Waffen- und Geldlieferungen, zuletzt aber auch in der Entsendung regulärer Truppen nach Irland bestand.

Das aber verleitete die Iren dazu, sich den Engländern in einer regulären Schlacht zu stellen. Das daraus resultierende Debakel bei Kinsale Ende 1601 läutete schließlich die Niederlage der Spanier und der Aufständischen insgesamt ein. Red Hugh O'Donnell, der nach Spanien geflohen war, starb dort 1602. Sir Henry Docwra erlebte das Kriegsende zwar auf der Seite der Sieger, konnte seine militärischen Leistungen jedoch nicht in eine nahtlose Fortsetzung seiner Karriere umsetzen und so den erhofften Gewinn aus seinen Diensten ziehen. Er hatte mächtige Gegner, die ihn mit zum Teil weit hergeholten Vorwürfen überzogen. Docwra reagierte darauf mit der Abfassung einer ausführlichen Rechtfertigung, die nun trotz ihrer naturgemäßen Subjektivität eine wichtige Quelle für den Biographen McGurk darstellt und ohne die sein Buch nicht zu schreiben gewesen wäre.

Im Ergebnis kommen beide Autoren dazu, die Rolle ihres jeweiligen Protagonisten neu einzuschätzen und zu gewichten. Allerdings ist die Gewichtung der Leistung einer historischen Persönlichkeit immer auch mit der individuellen Perspektive und den eigenen Vorlieben verbunden, weil es kaum objektive Kriterien zum Vergleich mit anderen Akteuren gibt. McGettigan kann jedoch zumindest belegen, dass Red Hugh selbst sich nicht als zweiter Mann des Aufstands, sondern als gleichberechtigter Partner des Earl of Tyrone sah, und dass er vielfach aktiver, kompromissloser und aggressiver als dieser war und damit einige Ereignisse ins Rollen gebracht hat, die ohne ihn sicher nicht in gleicher Weise stattgefunden hätten. So war es hauptsächlich sein Drängen, das die Iren zu der verhängnisvollen Annahme der Schlacht bei Kinsale verleitete, und auch zu Beginn des Aufstands war er deutlich aktiver als der noch zögernde Hugh O'Neill. Die biographische Perspektive lässt aber die Fremdwahrnehmung seiner Rolle außer acht. Wie sahen also die anderen irischen Adeligen die Kräfteverteilung bei der Führung der Aufständischen? Und wie sahen ihn die Engländer? Diese Fragen bleiben weitgehend ausgeblendet, so dass eine abschließende Bewertung seines Anteils am Aufstand noch aussteht. Jedoch hat McGettigan eine verdienstvolle Arbeit geschrieben, die die weitere Diskussion befruchten kann.

Auch im Fall Docwras ist es schwierig, ihn wirklich angemessen in ein Koordinatensystem der Bedeutung englischer Befehlshaber einzutragen. McGurk versucht dies sinnvollerweise auch gar nicht, sondern zeigt auf, dass seine Rolle beim Erreichen des englischen Sieges vielfach nicht ausreichend gewürdigt wurde, ohne ihn jedoch zum Motor des Sieges schlechthin zu erheben. Docwras Leistung bestand darin, ein gewagtes Landungsmanöver in den Rücken der Aufständischen zum Erfolg geführt zu haben. Es gelang ihm, in Derry, dem heutigen Londonderry, einen Brückenkopf zu etablieren und schrittweise auszubauen. Von dort aus konnten die Verbindungen zwischen den Zentren des Aufstands in Tyrone und Tyrconnell gestört werden. Durch Überfälle und eine erschreckend modern anmutende Politik der verbrannten Erde konnten diese beiden Gebiete so stark geschädigt werden, dass ihnen schließlich die Ressourcen ausgingen, sich weiter zu behaupten. Docwra stützte sich dabei nicht ungeschickt auf irische Verbündete, die die eigene Herrschaft auf Kosten Red Hughs und Hugh O'Neill ausbauen wollten. Insofern hatte der Aufstand auch eine Dimension des inneririschen Machtkampfs und kann nicht allein als ethnischer oder konfessioneller Antagonismus beschrieben werden.

Bei der Lektüre beider Bücher drängt sich die Frage auf, welchen Stellenwert die gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen der seit etwa 50 Jahren geführten Debatte um die "Military Revolution" der Frühen Neuzeit haben, die von Michael Roberts ausging und seitdem in immer neuen Facetten und Datierungen geführt wird. Verwiesen wurde dabei zur Erklärung der sich spätestens seit dem 16. Jahrhundert entwickelnden militärischen Überlegenheit Europas über den Rest der Welt immer wieder auf technische und taktische Innovationen dieser Zeit, die sehr deutlich auch während des Neunjährigen Krieges in Irland eine entscheidende Rolle gespielt haben. In beiden Büchern und in ihren Literaturverzeichnissen findet sich jedoch kein Bezug zu der Debatte. Beide stellen gleichwohl wichtige Beiträge zu ihr da, wenn man sie im Hinblick auf die Fragestellung liest, wie die Engländer zu ihrem Sieg gekommen sind. Da beide Autoren die Ereignisse und Vorgehensweisen in Anbetracht ihres biographischen Interesses sehr genau schildern, kann hier der Krieg aus großer Nähe betrachtet werden.

Wichtige Faktoren für den englischen Sieg waren neben der großen Rücksichtslosigkeit in der Kriegführung Befestigungen, die die Iren aus Mangel an Artillerie nicht einnehmen konnten. Von ihnen aus konnten die Engländer aber immer weitere Strecken Landes kontrollieren, während ihre eigene Artillerie die Einnahme irischer Befestigungen erlaubte. Dabei spielten auch modern ausgebildete Truppen sowie Schiffe, die die Gewässer kontrollierten, eine ausschlaggebende Rolle. Auch die Ressourcen eines im Vergleich zu den irischen Herrschaften großen Reichs ermöglichten in dem langen Krieg den Sieg, denn trotz anhaltender Verluste konnte über See ständig Nachschub an Soldaten und Material herbeigeschafft werden.

Die Engländer waren also technisch durch Geschütze und Schiffe, taktisch durch die modernsten Entwicklungen des Infanteriegefechts sowie wirtschaftlich so weit überlegen, dass die Iren dem auf Dauer nichts entgegenzusetzen hatten. Das Muster der Unterwerfung Irlands - ergänzt durch die Ausnutzung innerer Konflikte - nimmt sich so als ein Vorläufer späterer kolonialer Kriegführung aus, so dass tatsächlich mit dem Neunjährigen Krieg ein wesentlicher Wendepunkt im Verlauf der "Military Revolution" anzusetzen sein könnte. McGurk und McGettigan haben Studien verfasst, die in dieser Debatte mit großem Gewinn heranzuziehen sind, auch wenn ihre primären Ziele darin bestehen, Beiträge zur englisch-irischen Geschichte zu liefern.

Rezension über:

Darren McGettigan: Red Hugh O'Donnell and the Nine Years War, Dublin: Four Courts Press 2005, 190 S., ISBN 978-1-85182-887-6, EUR 55,00

John McGurk: Sir Henry Docwra 1564-1631. Derry's Second Founder (= Ulster and Scotland; Vol. 3), Dublin: Four Courts Press 2005, 298 S., 19 ill., ISBN 978-1-85182-948-4, GBP 45,00

Rezension von:
Max Plassmann
Universitätsarchiv, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf
Empfohlene Zitierweise:
Max Plassmann: The Nine Years War in Irland (1594-1603) (Rezension), in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 11 [15.11.2007], URL: https://www.sehepunkte.de/2007/11/8001.html


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