Rezension über:

Eckhart Leisering (Bearb.): Die Wettiner und ihre Herrschaftsgebiete 1349 - 1382. Landesherrschaft zwischen Vormundschaft, gemeinschaftlicher Herrschaft und Teilung (= Veröffentlichungen des Sächsischen Staatsarchivs. Reihe A: Archivverzeichnisse, Editionen und Fachbeiträge; Bd. 8), Halle/Saale: mdv Mitteldeutscher Verlag 2006, 650 S., ISBN 978-3-89812-404-1, EUR 65,00
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Rezension von:
Jörg Rogge
Historisches Seminar, Johannes Gutenberg-Universität, Mainz
Redaktionelle Betreuung:
Christine Reinle
Empfohlene Zitierweise:
Jörg Rogge: Rezension von: Eckhart Leisering (Bearb.): Die Wettiner und ihre Herrschaftsgebiete 1349 - 1382. Landesherrschaft zwischen Vormundschaft, gemeinschaftlicher Herrschaft und Teilung, Halle/Saale: mdv Mitteldeutscher Verlag 2006, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 2 [15.02.2008], URL: https://www.sehepunkte.de
/2008/02/12869.html


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Eckhart Leisering (Bearb.): Die Wettiner und ihre Herrschaftsgebiete 1349 - 1382

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Das hier anzuzeigende Werk ist 2005 als eine von Reiner Groß - seit 1975 Direktor des Hauptstaatsarchivs in Dresden und von 1994 bis 2002 Professor für die Regionalgeschichte Sachsens - betreute Dissertation an der TU Chemnitz angenommen worden. Der Autor (nicht, wie es im Verlagstitel irritierender Weise heißt, der Bearbeiter) dieser Dissertation, Eckhart Leisering, ist Archivar am Sächsischen Hauptstaatsarchiv.

Leisering behandelt die meißnisch-thüringische Landesherrschaft der Wettiner für den Zeitraum von etwa 30 Jahren (1349-1382). Während dieser Zeit regierten die drei Brüder Friedrich III., Balthasar und Wilhelm I. in den wettinischen Herrschaftsgebieten. In einem ersten Hauptteil beschreibt Leisering die politische und territoriale Entwicklung der wettinischen Länder in dem Untersuchungszeitraum. Damit will der Verfasser die "Faktengrundlage" (12) erarbeiten, die zum "Ausgangspunkt einer analytischen Aufarbeitung" des Entwicklungsstandes der Landesherrschaft der Wettiner in einem zweiten Teil dient. Unter Landesherrschaft versteht Leisering "die Summe aller unterschiedlichen Herrschaftsrechte eines Reichstandes, die auf seinen Herrschaftsbereich und die darin lebenden Personen bezogen sind" (26). Die spezielle Ausprägung der wettinischen Landesherrschaft soll anhand der Verwaltungsstruktur, des Itinerars, der Außenbeziehungen und der Position der Wettiner "gegenüber den verschiedenen in ihren Ländern ansässigen gesellschaftlichen Gruppen" untersucht werden (13).

Leisering hat eine klare Vorstellung davon, wie (Dynastie-)Geschichte geschrieben werden soll. So bewertet er die bisherige Forschung zu seinem Themenbereich vor allem an ihrer "Faktengenauigkeit" (15) bzw. daran, ob sie als "Faktengrundlage auch heute noch wertvoll ist" (16). Auch der Überblick über die Genealogie und Heiratspolitik der Wettiner im 14. Jahrhundert soll "vor allem die für das Verständnis der nachfolgenden Ausführungen notwendigen Fakten liefern" (35). Auf der Grundlage der (im Wesentlichen urkundlichen) Überlieferung liefert Leisering im ersten Hauptteil der Arbeit (56-332) eine detailgenaue Beschreibung der Konflikte mit Konkurrenten um Herrschaftsansprüche und -gebiete wie im "Vogtländischen Krieg" 1354-1359 oder den bewaffneten Auseinandersetzungen mit der Reichsabtei Fulda 1360/62 und den Herzögen von Braunschweig 1365/67. Weiter werden die Erwerbungen (eine chronologische Auflistung, 444) behandelt und die (z. T. nur zeitweisen) Verluste von Herrschaftsbereichen, Bündnisse und Landfriedensverträge und das Engagement der Wettiner für das Reich. Balthasar, der mittlere der drei Brüder, diente 1356/57 und 1359/60 für den englischen König Eduard III. gegen Frankreich (130-134). Freilich suchte er nicht nur neue Bewährungsfelder, weil er mit seiner Position in der Dynastie unzufrieden war, wie Leisering annimmt, sondern auch und vor allem, weil Eduard III. und dessen Hof eine große Anziehungskraft auf alle Personen hatten, die dem Ritterideal anhingen.

Bevor Leisering im zweiten Hauptteil Aspekte der Ausprägung der wettinischen Landesherrschaft (333-439) beschreibt, gibt er einen Überblick über die zum wettinischen Herrschaftsbereich gehörenden "Länder" (wie z. B. Markgrafschaft Meißen, Landgrafschaft Thüringen, Grafschaft Orlamünde, Herrschaft Pleißenland, Markgrafschaften Osterland und Landberg, Burggrafschaft Altenburg, Herrschaft Leisnig) und kleinere Besitzungen (wie z. B. Grimma, Radeberg, Schellenberg). Auch die Wettiner verpfändeten oder verkauften auf Wiederkauf Besitzungen, so dass sich eine "sehr dynamische Territorialentwicklung" (336) erkennen lässt.

Die Wettiner regierten ihren Herrschaftsbereich mit einer im Entstehen begriffenen Verwaltung, bei der zumindest "in Ansätzen schon eine Dreistufigkeit von der Zentrale über das Land bis hinunter zum Amt erkennbar" (346) ist. Für den wettinischen Rat, der entscheidenden Institution auf der zentralen Verwaltungsebene, ermittelt Leisering aus den Zeugenlisten die Mitglieder; es waren in der Mehrzahl niedere Adelige. Im Rat hatten die Inhaber der drei Hofämter (Marschall, Hofmeister/Hofrichter, Protonotar/Kanzler) eine herausgehobene Stellung inne. Auf der mittleren Verwaltungsebene, den "Ländern" Meißen, Thüringen und Niederlausitz, agierten Landvögte/Landeshauptleute, die für Steuer- und Lehnsangelegenheiten, Zölle und Gerichtstätigkeit zuständig waren (363/64). Stärker als die mittlere Ebene war die unterste Verwaltungsebene - Ämter bzw. Vogteien - ausgebaut.

Die fürstliche Herrschaft war vor allem noch Reiseherrschaft, und deshalb hat Leisering die Itinerare der in seinem Untersuchungszeitraum regierenden Wettiner erarbeitet, damit der "konkrete geschichtliche Handlungsablauf besser rekonstruiert werden" kann und um festzustellen, wieweit die "Entwicklung fester Residenzen" fortgeschritten war (374).

Es stellte sich heraus, dass in der Mark Meißen Dresden und in Thüringen Gotha (ab 1373 Weimar) sowie im Osterland Leipzig und Weißenfels bevorzugte Aufenthaltsorte der Wettiner waren. Dass aber schon die Aufenthaltshäufigkeit eines Fürsten in einer Stadt diese Stadt zu einer Residenz macht, wie Leisering meint, leuchtet nicht ein.

Die Außenbeziehungen der Wettiner, d. h. zum König/Kaiser und zu anderen weltlichen und geistlichen Reichsfürsten, behandelt Leisering als Teil der wettinischen Landesherrschaft, weil sie (z. B. die Landgrafen von Hessen, die Herzöge von Sachsen-Wittenberg, das Fürstentum Anhalt, die Markgrafschaft Brandenburg) sowohl Konkurrenten als (zeitweise) auch Verbündete beim Ausbau der Landesherrschaft waren. Dieser Abschnitt ist allerdings im Wesentlichen eine Wiederholung der im ersten Hauptteil geschilderten Ereignisse. Unter der Überschrift die "Wettiner in der Gesellschaft ihrer Länder" folgt ein teilweise sehr kursorischer Überblick (in dieser Reihenfolge) über die Auswirkungen der Pest, Geldwirtschaft und beginnende ständische Mitbestimmung, die Dynasten und den niederen Adel, Städte und deren Bürger, Juden und bäuerliche Bevölkerung.

Leisering veranschaulicht seine aus den Quellen gewonnenen Informationen im Anhang seines Buches. Dort findet man Angaben zu den Personen am wettinischen Hof und in der Verwaltung, Quellenübersichten, die Itinerare der Brüder und ihrer Gattinnen, genealogische Tafeln und vier Karten (die wettinischen Ämter sowie die Aufenthaltsorte von Markgraf Friedrich III., Markgraf Balthasar von Meißen und Markgraf Wilhelm von Meißen). Insgesamt liegt ein Handbuch zur Geschichte des wettinischen Herrschaftsbereiches in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts vor, zu dem man gerne greifen wird, um Daten und Zahlen, ereignisgeschichtliche Details oder Urkundendatierungen nachzuschlagen.

Leiserings Darstellung ist einer konventionellen Geschichtsschreibung verpflichtet, die meint, dass man den "konkreten Geschichtsverlauf" (458) darstellen kann. In dieser Perspektive ist es eine Leistung, diesen Geschichtsverlauf durch das Hinzufügen von "Korrekturen und Präzisierungen" im Detail auf eine möglichst noch genauere Faktengrundlage gestellt zu haben.

Jörg Rogge