Rezension über:

Irmgard Fees / Francesco Roberg (Hgg.): Frühe Papsturkunden (891 - 1054) (= Digitale Urkundenbilder aus dem Marburger Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden - DIGUB; Bd. 2/I), Leipzig: Eudora-Verlag 2006, VIII + 35 S., ISBN 978-3-938533-09-3, EUR 44,90
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Irmgard Fees / Francesco Roberg (Hgg.): Papsturkunden der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts (1057-1098) (= Digitale Urkundenbilder aus dem Marburger Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden - DIGUB; 2/II), Leipzig: Eudora-Verlag 2007, 9 S., 32 Tafeln, ISBN 978-3-938533-14-7, EUR 44,90
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Rezension von:
Tobias Herrmann
Bundesarchiv Koblenz / Archivschule Marburg
Redaktionelle Betreuung:
Harald Winkel
Empfohlene Zitierweise:
Tobias Herrmann: Papsturkunden aus dem 9. - 11. Jahrhundert (Rezension), in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 3 [15.03.2008], URL: https://www.sehepunkte.de
/2008/03/13743.html


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Papsturkunden aus dem 9. - 11. Jahrhundert

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Bei den zu besprechenden Bänden handelt es sich um die Fortsetzung einer 2006 begonnenen Reihe, die sich bewusst und dankenswerterweise dem Trend der letzten Jahre entgegenstemmt, hochwertige Abbildungen mittelalterlicher Urkunden - wenn überhaupt - nur noch in digitalisierter Form im Internet darzubieten. Nachdem im ersten Band mit den ältesten Urkunden aus dem Stadtarchiv Worms (1074-1255) die von verschiedenen Ausstellern stammenden Diplome eines einzigen Empfängerarchivs zu sehen waren, setzen sich die ersten beiden der insgesamt vier geplanten Teilpublikationen des zweiten Bandes aus den Stücken einer klar umrissenen Ausstellergruppe zusammen. Erfasst sind für die Zeit von 891 bis 1054 alle 16 in deutschen Archiven überlieferten Originale päpstlicher Urkunden, ergänzt durch drei in Lüttich und Paris aufbewahrte, für deutsche Empfänger gegebene Stücke Papst Leos IX. Im zweiten Teil finden sich Bilder von 24 der insgesamt 29 in Deutschland und der Schweiz verwahrten Papsturkunden des Zeitraums 1057 bis 1098. Es fehlen allein die Stücke, von denen im Marburger Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden, das die Materialbasis für alle Bände der Reihe liefert, keine Aufnahmen existieren.

Voran geht den in DIN-A3-Ganzleinenmappen eingelegten Tafeln jeweils ein Abkürzungs- und Literaturverzeichnis, eine Übersicht über die vorliegenden Abbildungen mit Angabe von Datum, Aussteller und Empfänger sowie ein vierseitiges Vorwort, das neben einer Erläuterung der Anliegen und Prinzipien der Gesamtreihe eine fachkundige Einführung in den diplomatischen Kontext bietet. Die Herausgeber wenden sich an "Wissenschaftler, Archivare, Studenten und andere Berufsgruppen sowie interessierte Laien" und möchten, abgesehen vom Zweck der Schonung der Originale, dazu beitragen, "den Historischen Hilfswissenschaften in Forschung und Lehre wieder mehr Aufmerksamkeit zu widmen" (Bd. 2/I, I).

Die Einführungen beginnen mit literaturgestützten Ausführungen zur Entwicklung, zum Ausstoß und zur Strahlkraft, mithin zur überragenden Bedeutung der päpstlichen Kanzlei als größtem Urkundenaussteller des europäischen Mittelalters sowie zur kniffligen Editions- und Abbildungssituation. Es folgen Erörterungen der oben dargelegten Auswahl der in die Sammlung aufgenommenen Urkunden und Hinweise zu den Zeitpunkten der Aufnahmen der Vorlagen im Marburger Lichtbildarchiv. Diese sind nämlich anders als im ersten Band über das gesamte 20. Jahrhundert verteilt; die ältesten Fotografien stammen gar aus dem Jahr 1903, als das Lichtbildarchiv noch gar nicht bestand. Die modernen Abbildungen von den ältesten Vorlagen fallen freilich keineswegs unangenehm aus dem Rahmen. Auch ermöglichte der Rückgriff auf ältere Fotos die Berücksichtigung zweier 1943 bei dem verheerenden Brand des Preußischen Staatsarchivs Hannover vernichteter Papstdiplome. An die Einordnung der Vorlagen knüpfen sich Angaben zu den verwendeten Maßstäben und den Zitationsprinzipien an. Die Vorreden schließen mit einigen Überlegungen zum Wandel der äußeren Gestalt der päpstlichen Urkunden im dargestellten Zeitraum, mit der Einzelauflistung besonders hervorhebenswerter Stücke, einer knappen Echtheitsdiskussion zu zwei umstrittenen Fällen in Bd. 2/I und Dankesworten.

Die 19 Urkunden der ersten Mappe verteilen sich auf 35 Tafeln, die 24 der zweiten auf 32 Tafeln. Einige wenige Stücke konnten in Originalgröße abgelichtet werden, bei anderen war eine Verkleinerung bis über die Hälfte hinaus notwendig. Manche Privilegien erstrecken sich auf drei Tafeln, bei einem Hanfschnurbrief Papst Alexanders II. (Bd. 2/II, Tafel 9) andererseits war es sogar möglich, auf die DIN-A3-Tafel auch noch die vergrößerten Ausschnitte zweier beschädigter Stellen zu bringen. Die Lesbarkeit bleibt, soweit die Vorlage es zuließ, dabei stets gewahrt. Überhaupt ist die Leistung des Fotografen und Bildbearbeiters Uwe Kamstieß kaum hoch genug zu würdigen: Die Qualität der Abbildungen ist exzellent; wo vorhanden, sind auch die Siegelvorder- und -rückseiten gestochen scharf abgebildet. Selbst einfache Xerokopien, die vielleicht für den Übungsgebrauch angefertigt werden, dürften angesichts der Klarheit der Vorlage noch gut zu bearbeiten sein. Wie in der Einführung hervorgehoben, lässt sich gerade die Entwicklung der Besonderheiten des Eschatokolls der feierlichen Privilegien, Rota, Monogramm und Komma, anhand der Tafeln sehr anschaulich nachvollziehen.

An den unteren Rand der Tafeln haben die Herausgeber zur ersten Einordnung das jeweilige Ausstellungsdatum und eine sehr knappe Inhaltsangabe gesetzt, ergänzt durch Hinweise auf die Archivsignatur des Originals, Regesten, eine eventuelle Edition und die Nummer des Fotos im Lichtbildarchiv. Bedauern mag man das Fehlen von Transkriptionen, doch ist wohl nur unter Verzicht darauf ein weiterhin rascher Fortgang der Reihe zu gewährleisten; auch dürfte, sofern dem Nutzer eine gut ausgestattete Bibliothek zur Verfügung steht, der Hinweis auf schon vorliegende Drucke der Urkundentexte Abhilfe schaffen. Einige in sorgfältiger diplomatischer Minuskel geschriebene Texte werden ohnehin auch dem Anfänger rasch zugänglich sein. Freilich finden sich noch bis weit in das 11. Jahrhundert hinein auch Beispiele der römischen Kuriale, die selbst für manche Experten des paläographischen Fachs eine echte Herausforderung bieten. Dass schon mancher Leser des hohen Mittelalters mit dieser Schrift seine Schwierigkeiten hatte, zeigt das schöne Exempel von Tafel 8 in Bd. 2/II, wo man auf eine interlineare Transkription in Minuskelschrift stößt.

Als deutliche Spitzenreiter bei den Ausstellern sind die Päpste Urban II. (1088-1099) zehnmal, Leo IX. (1049-1054) und Alexander II. (1061-1073) jeweils neunmal vertreten. Dieses Verhältnis spiegelt die Verteilung der nach gegenwärtigem Forschungsstand insgesamt original überlieferten Papsturkunden auf die einzelnen Amtsinhaber recht gut wider. Unter den weit gestreuten Empfängern ragen Abt und Konvent des Klosters Fulda heraus, die zusammen achtmal als Begünstigte begegnen. Das Kloster Allerheiligen in Schaffhausen ist in Bd. 2/II viermal vertreten, das Bistum Bamberg in Bd. 2/I dreimal. Einziger weltlicher Empfänger ist Kaiser Heinrich II. - immerhin ein Heiliger! -, dem Papst Benedikt VIII. im Februar 1014 einen Besitztausch bestätigte. Mit diesem Diplom kommt das Staatsarchiv Bamberg wie das Hauptstaatsarchiv München und das Staatsarchiv Schaffhausen unter den "Empfängerarchiven" auf vier Urkunden. Übertroffen werden sie mit einigem Abstand allein vom Hessischen Staatsarchiv Marburg, in dem zehn der abgebildeten Stücke aufbewahrt werden, was den - nicht zuletzt dank Fulda - außergewöhnlichen Reichtum dieses Hauses an älteren Urkunden "prominenter" Aussteller eindrucksvoll unterstreicht.

Die "DIGUB" sind ein Muss für jede Institution, an der die Historischen Hilfswissenschaften noch nicht vollständig abserviert wurden. Gerade die wechselhafte Auswahl der Gegenstände - Empfängerarchiv, verschiedene Ausstellergruppen, erwogen werden auch Bände zu bestimmten Themen wie zum Beispiel Fälschungen - macht die Reihe reizvoll und lässt auf einen weiterhin zügigen Fortgang hoffen. Innerhalb der reichhaltigen Gruppe der Papsturkunden im weiteren, Frenzschen Sinn wäre neben den angekündigten feierlichen und einfachen Privilegien und Litterae des 12. Jahrhunderts vielleicht noch eine Auswahl von weiteren Urkundentypen der folgenden Zeit (Bullen, Breven oder auch Legatenurkunden) vorstellbar.

Tobias Herrmann