Rezension über:

Jörg Schwarz: Das europäische Mittelalter I. Grundstrukturen, Völkerwanderung, Frankenreich, Stuttgart: W. Kohlhammer 2006, 136 S., ISBN 978-3-17-018972-0, EUR 16,00
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Jörg Schwarz: Das europäische Mittelalter II. Herrschaftsbildungen und Reiche 900-1500, Stuttgart: W. Kohlhammer 2006, 236 S., ISBN 978-3-17-019719-0, EUR 20,00
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Rezension von:
Iris Kwiatkowski
Fakultät für Geschichtswissenschaft, Ruhr-Universität Bochum
Redaktionelle Betreuung:
Christine Reinle
Empfohlene Zitierweise:
Iris Kwiatkowski: Das europäische Mittelalter (Rezension), in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 11 [15.11.2008], URL: https://www.sehepunkte.de
/2008/11/11168.html


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Das europäische Mittelalter

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Man mag die Einführung der gestuften Studiengänge und die damit verbundenen Konsequenzen als Fluch oder Segen begreifen, eines aber kann als sicher gelten: Die wachsenden Probleme, mit denen sich die akademische Lehre in jüngster Zeit konfrontiert sieht, gehen auf Ursachen zurück, die letztlich im außeruniversitären Bereich liegen. Wer in den vergangenen Jahren Geschichtsstudenten der ersten Fachsemester unterrichtet hat, wird aus eigener Erfahrung bestätigen können, mit welch gravierenden Defiziten bei einem Großteil der Studienanfänger zu rechnen ist. Dabei beschränken sich diese Defizite bei Weitem nicht nur auf grundlegende Fachkenntnisse - zumal in den älteren Epochen -; sie betreffen vielmehr die elementaren Techniken der Wissensaneignung und -verarbeitung. Neben dem verbreiteten Mangel an Sprachkompetenz, der bereits mit der fehlenden Beherrschung einfacher grammatischer Strukturen beginnt, hat bei den Studienanfängern auch die Lektürefähigkeit erheblich abgenommen, so dass selbst die Rezeption wissenschaftlicher Handbuchliteratur nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann.

Dieser allgemeinen Entwicklung tragen die vorliegenden Einführungsbände zum europäischen Mittelalter Rechnung, die sich mit dem erklärten Ziel an Studienanfänger richten, ihr propädeutisches Wissen über die mittelalterliche Geschichte zu erweitern und sie zugleich in die Lage zu versetzen, anspruchsvollere wissenschaftliche Literatur lesen und verstehen zu können.

Ausgehend von Begriffsdefinitionen zu "Mittelalter" und "Europa", erläutert Jörg Schwarz im ersten Band zunächst anhand zeittypischer Lebensformen die Grundstrukturen des Mittelalters. Er schildert die Arbeits- und Daseinsbedingungen der ländlichen Bevölkerung ebenso wie den klösterlichen Alltag der Ordensleute, erörtert Rittertum und Lehnswesen, die mittelalterliche Stadt, Schulen und Universitäten, aber auch gesellschaftliche Randgruppen und religiöse Minderheiten. Daran anschließend und darauf aufbauend bietet er einen chronologischen Überblick der frühmittelalterlichen Geschichte, der mit der Völkerwanderung beginnt und mit dem Tod des letzten ostfränkischen Karolingers (911) endet.

An dieser Epochengrenze setzt der zweite Band ein, der unter dem Leitthema "Herrschaftsbildungen und Reiche" den weiteren Verlauf der europäischen Geschichte im Mittelalter behandelt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem römisch-deutschen Reich (bis zum Tode Kaiser Friedrichs III.), doch die "Entwicklung der Anderen" findet ebenso angemessene Berücksichtigung. Der geografische Rahmen erfasst auch die europäischen Randzonen; er erstreckt sich von der Iberischen Halbinsel bis nach Russland und Byzanz, bezieht sogar - unter dem Stichwort "Europa im Orient" - die Kreuzfahrerstaaten des 12. und 13. Jahrhunderts ein.

In klarer und unprätentiöser Sprache erörtert Jörg Schwarz sowohl die strukturellen Gegebenheiten als auch einschneidende Ereignisse und Vorgänge des europäischen Mittelalters. Unvermeidbare Fachbegriffe werden allgemeinverständlich erklärt, herausragende Persönlichkeiten in aller Kürze biografisch gewürdigt. Mehr als nur Begleitmaterial sind die sorgfältig ausgewählten, jeweils in deutscher Übersetzung dargebotenen Quellenauszüge.

Die beiden Bände präsentieren dem Leser ein notwendigerweise stark komprimiertes Überblickswissen, das aber aufgrund des durchdachten didaktischen Konzepts in eingängiger und ansprechender Form vermittelt wird. Die Zielgruppe der Studienanfänger wird mit Gewinn von diesem neuen Lehrbuch Gebrauch machen, und auch die Lehrenden werden in der Gestaltung von Proseminaren und Einführungskursen dankbar darauf zurückgreifen.

Iris Kwiatkowski