Rezension über:

Bernardo J. García García / María Luisa Lobato: Dramaturgia festiva y cultura nobiliaria en el Siglo de oro, Frankfurt/M: Vervuert 2007, 416 S., ISBN 978-84-8489-294-6, EUR 48,00
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Rezension von:
Roland Béhar
Casa Velazquez, Madrid
Redaktionelle Betreuung:
Susanne Lachenicht
Empfohlene Zitierweise:
Roland Béhar: Rezension von: Bernardo J. García García / María Luisa Lobato: Dramaturgia festiva y cultura nobiliaria en el Siglo de oro, Frankfurt/M: Vervuert 2007, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 1 [15.01.2009], URL: https://www.sehepunkte.de
/2009/01/13748.html


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Bernardo J. García García / María Luisa Lobato: Dramaturgia festiva y cultura nobiliaria en el Siglo de oro

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In den letzten zwanzig Jahren hat sich eine tief greifende Veränderung im Bereich des Studiengebiets "Siglo de Oro" vollzogen, sowohl von Seiten der Literaturwissenschaftler wie auch von jener der Historiker. Einerseits öffnet sich die spanische Forschung nun unter anderem den neuen Tendenzen der "Cultural Studies" und betrachtet damit das höfische Leben als ein Ganzes, d.h. die Vielfalt der Ausdrucksformen eines historisch definierbaren Ethos der Gesellschaft, besonders seiner Kultur bestimmenden Schichten.

Man zieht nun auch die "Entrées" und die "Fêtes" in Betracht, wobei die Theater-, Ballet- und Opernspektakel eine besondere Rolle spielen: Sie ermöglichen die Inszenierung der Macht und der höfischen Gesellschaft und sind somit bevorzugte Orte der symbolischen Regulierung von deren Beziehungen. [1]

Andererseits haben die "Siglo de Oro"-Studien seit längerem die Bedeutung der Repräsentation in der "barocken" Kultur Spaniens erkannt, mindestens seit Maravall - parallel zu den Thesen von Norbert Elias.[2] Für diesen Neuansatz steht in Spanien stellvertretend Fernando Bouza. Nicht nur die Absichten (Magnifizienz, Strategien sozialer und höfischer Positionierung, Gunstersuchung), sondern auch die praktische Organisationsarbeit, die Kostenverteilung, die Beteiligung der Schriftsteller an der Konzeption der Feier als Ganzes und Vieles mehr stehen nun im Interesse der Forschung.

Dieser historische Ansatz ist für den vorliegenden Band, dem eine erste Studiensammlung vorausging, bezeichnend. [3] Beide Bände stellen die "fiesta cortesana" in den Mittelpunkt, im zweiten Band steht die des Adels. Untersucht werden beispielsweise die Feiern des Herzogs von Lerma, "privado" Felipes III., von 1617 (203-245).

Der erste Abschnitt des Buches ist dem Bildungsmodus adliger Identität unter Felipe III. (1598-1621) und Felipe IV. (1621-1665) gewidmet: vom Gefühl der "Stammesangehörigkeit" über die Pädagogie und den "cursus honorum" bis zur Herausbildung eines spezifischen Ethos, das sich besonders in der Festkultur zu erkennen gibt (Adolfo Carrasco Martínez, 21-44, und Santiago Martínez Hernández, 45-87).

Einen besonderen Fall adliger Festdramaturgie bilden die Feiern, an denen Mitglieder des Adels oder des Königshauses als Darsteller beteiligt waren, so zum Beispiel 1614, als Lope de Vegas "El premio de la hermosura" wahrscheinlich von der Infantin Ana - damals bereits Ludwig XIII. von Frankreich versprochen -, vom Prinzen Felipe - später Felipe IV. -, den Infanten Fernando, Diego und María gespielt wurde. Diese Verflechtung von Adel, Königsfamilie und Dramaturgie sollte ganz klar in der Tradition der "Folla" stehen, einem Genus, das ab den 1620er Jahren auf italienische Art viel auf die freie Verbindung von Musik und dramaturgischen Extrakten setzte (María Luisa Lobato, 89-114).

Margaret Rich Greer (115-130) zeigt die Wichtigkeit der Jagdkunst als Teil des adligen Ethos, nicht nur als Mittel der Ergötzung, sondern auch als symbolische Organisierungsform der Machtbeziehungen an der Spitze des Staates.

Im Laufe des 16. Jahrhunderts zeichnet sich bereits eine Entwicklung ab, die im 17. ihren Höhepunkt erreicht; die zunehmende Theatralisierung des Adels mittels ritterlicher Figuren auf der Bühne, die den adligen Ethos repräsentieren sollen. Maria Grazia Profeti (133-150) analysiert die dramaturgischen Texte um die Figur des Validos, Teresa Ferrer Valls (151-167) unterstreicht den Wert des höfischen "Spektakels", das dem Höfling erlaubte, seinen Status zu verbessern.

Das "Spektakel" spiegelt und bildet aber vor allem einen eigenen Ethos heraus. Es wird zum Mittel der Selbstbehauptung - dem König und dem Adel gegenüber, besonders im Fall der Sandoval, dem der Herzog von Lerma (Privado Felipes IV.) angehörte, wie es anschaulich Patrick Williams (169-202) und, wie schon erwähnt, Bernardo J. García (203-245) zeigen. Doch auch der Herzog von Sessa (s. Elizabeth Wright, 249-267) versuchte politische Ziele durch spektakuläre und symbolträchtige Feste und Werke zu erreichen: Der Fall ist besonders interessant, weil der reiche Briefwechsel von Lope de Vega mit seinem herzoglichen Mäzen einen Blick hinter die Kulissen jener Machtspiele wirft.

Besonders bedeutend für die Fest- und Theaterkultur des "Siglo de Oro" sind Werke wie Lope de Vegas "Fábula de Perseo" (1612-1613) oder "El Premio de la Hermosura" (1614), Luis Vélez de Guevaras "El Caballero del Sol" (1617) oder die "Gloria de Niquea" von Juan de Tarsis, Conde de Villamediana (1622), wobei letzteres Ähnlichkeiten mit den englischen "masques" und dem französischen "ballet de cour" aufweist (María Teresa Chaves Montoya, 325-345). Amadís und andere ritterliche Figuren erscheinen immer öfter auf der Bühne, manchmal auch in ariostischer oder mythologischer Abwandlung (Esther Borrego Gutiérrez, 347-383). Parodien auf Don Quijote (s. Judith Farré Vidal, 385-416), nach der Veröffentlichung des ersten Teils von Cervantes' Roman (1605), zeigen das Spiegelbild einer Gesellschaftsschicht, die sich selbst über ihre Repräsentation definiert und daher auch parodieren lässt, sowohl auf der iberischen Halbinsel als auch in Europa (so in Heidelberg, 1615) und in Amerika (so im peruanischen Causa bei den Willkommensfeiern für den neu ernannten Vizekönig Montesclaros, 1607).

Der vorliegende Band empfiehlt sich als hervorragendes Beispiel einer erfolgreichen interdisziplinären Zusammenarbeit von Historikern, Kulturhistorikern und Literaturhistorikern beim Interpretieren derselben Quellen - hier meistens aus adligen Archiven, aber auch literarischer Texte. Diese Kooperation steckt allerdings, zumindest im Bereich der "Siglo de Oro"-Forschung, noch in ihren Anfängen.


Anmerkungen:

[1] Als gutes Beispiel für diese europaweite Erneuerung der Studien zur Festkultur: Pierre Béhar / Helen Watanabe-O'Kelly (eds.): Spectaculum Europæum: Theatre and Spectacle in Europe 1580-1750, Wiesbaden 1999, sowie James Ronald Mulryne / Helen Watanabe-O'Kelly / Margaret Shewring (eds.): "Europa Triumphans": Court and Civic Festivals in Early Modern Europe, Aldershot 2004. Für den Spanischen Bereich: Sagrario López Poza / Nieves Pena Sueiro (eds.): La fiesta: actas del II Seminario de Relaciones de Sucesos (A Coruña, 1998), Ferrol 1999.

[2] Siehe José Antonio Maravall: La cultura del Barroco. Análisis de una estructura histórica, Barcelona 1975.

[3] Bernardo J. García / María Luisa Lobato (eds.): La fiesta cortesana en la época de los Austrias, Valladolid 2003. Rezension von Lucas A. Marchante-Aragon, in: Hispanic Review 73-3 (2005), 373-376.

Roland Béhar