Rezension über:

Ernst Baltrusch: Außenpolitik, Bünde und Reichsbildung in der Antike (= Enzyklopädie der griechisch-römischen Antike; Bd. 7), München: Oldenbourg 2008, XII + 219 S., ISBN 978-3-486-58401-1, EUR 19,80
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Rezension von:
Silke Knippschild
Department of Classics and Ancient History, University of Bristol
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Silke Knippschild: Rezension von: Ernst Baltrusch: Außenpolitik, Bünde und Reichsbildung in der Antike, München: Oldenbourg 2008, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 2 [15.02.2009], URL: https://www.sehepunkte.de
/2009/02/14314.html


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Ernst Baltrusch: Außenpolitik, Bünde und Reichsbildung in der Antike

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Oldenbourgs Enzyklopädie der griechisch-römischen Antike stellt an sich den hohen Anspruch, Studierenden, Lehrenden, Forschern und interessierten Laien Einblick in Materie und Forschungsthemen der Altertumswissenschaften zu gewähren. Zu diesem Zweck haben die Herausgeber eine Einteilung in Grundlagenwissen, Forschungsprobleme und -tendenzen sowie Literatur gewählt.

Baltruschs Beitrag zu dieser Reihe besteht in der Behandlung der äußeren Beziehungen in der Antike und setzt mit einer willkommenen Begriffsklärung ein, in welcher der Autor moderne Konzepte von antiken abgrenzt und seine Terminologie definiert. Zu Beginn der thematischen Abschnitte greift Baltrusch seine Begriffsklärung in Kürze wieder auf, was dem Leser Klarheit auch beim direkten Zugang zu den jeweiligen Kapiteln gestattet. Die bewährten Stichworte am Seitenrand erleichtern ebenfalls den Zugriff und Überblick. Lateinische und griechische termini technici begleiten seine Darstellung, wobei die griechischen in der Regel im Original und in Umschrift erscheinen. Antike literarische Quellen erscheinen im Original sowie in Übersetzung. Zitate moderner Forscher präsentiert der Autor in der Originalsprache. Während dieses viele Studenten, eine der Zielgruppen des Bandes, vermutlich überfordert, bleibt der Kontext, in welchem das Zitat erscheint, durchaus verständlich. Ferner scheint es dieser Rezensentin zunehmend dringender, die Bedeutung von Sprachkenntnissen in der historischen Forschung zu betonen, wozu dieser Ansatz vielleicht beiträgt.

Der Autor betrachtet in seiner Analyse der Außenpolitik, interpolitischen Beziehungen und des Völkerrechts schwerpunktmäßig die Homerische Zeit (definiert als 800-600 v. Chr.) und die Römische Frühzeit (8.-4. Jahrhundert v. Chr.). Die Sektion, welche sich den Bünden widmet, analysiert verschiedene Formen von Bund und legt im Folgenden Nachdruck auf den Peloponnesischen Bund, den Hellenenbund zur Abwehr der Perser, die athenischen Seebünde, die griechischen Bundesstaaten des 4. und 3. Jahrhunderts v. Chr. sowie das römische Bundesgenossensystem. Unter dem Gesichtspunkt der Reichsbildung thematisiert Baltrusch das Alexanderreich sowie seine Nachfolger, die Entstehung des römischen Reiches seit 264 v. Chr. und das kaiserzeitliche Imperium.

Baltruschs enzyklopädischer Überblick, der erste der drei Teile des Bandes, erklärt die historischen Grundlagen wirklich von Grund auf, ohne Basiswissen von Seiten des Lesers vorauszusetzen. So erklärt er etwa für die Homerische Zeit den Krieg um Troja kurz und bündig, angefangen beim Raub der Helena, bevor er sich der Außenpolitik widmet. Während der Autor dabei seine Darstellung natürlich kurz, knapp und recht oberflächig halten muss, gelingt es ihm nichtsdestoweniger, Ungewissheiten und umstrittene Fragen aufzuweisen. Dass Baltrusch eben gerade kein rundes Bild entwirft, in dem alle historischen Fragen geklärt zu sein scheinen, ist ein besonderer Verdienst dieses Bandes, welcher ihn von anderen Einführungen in die einzelnen Themengebiete abhebt.

Die Sektion Grundprobleme und Tendenzen der Forschung zeichnet sich durch Differenziertheit und einen willkommene Überblick über die internationale Forschung aus. Dabei scheut Baltrusch keineswegs davor zurück, zu ihrer Zeit wichtige, aber überholte Forschungstendenzen als solche zu kennzeichnen und für die Beendigung totgelaufener Debatten zu plädieren (z.B. 88). Hier liegt m. E. eine weitere Leistung des Bandes, die besonders Studenten zu gute kommen könnte. Gelegentlich eingestreute griffige Schlagworte der Forschung, eigene sowie solche anderer Altertumswissenschaftler (mit Herkunftsangabe), beleben die Darstellung.

Der dritte Abschnitt des Bandes beinhaltet einen reichhaltigen Überblick über die internationale Sekundärliteratur zu den einzelnen Themengebieten. Während deutsche Werke in der Mehrheit zu sein scheinen, finden sich einschlägige Arbeiten in allen wichtigen Fachsprachen der Altertumswissenschaften.

Das Buch schließt mit Registern neuzeitlicher Autoren, antiker Personen und Orte sowie einem Sachregister.

Ernst Baltrusch gelingt m.E. die Gradwanderung, welche die avisierten Zielgruppen der Reihe notwendig macht. Ein besonderer Verdienst des Bandes besteht in meinen Augen auch in der Schlachtung einiger Heiliger Kühe, deren Zeit schon lange gekommen ist. Besonders Studenten sollte das Buch ans Herz gelegt werden, bedeutet es doch eine massive Vereinfachung ihres Studiums der behandelten Gebiete, schützt vor beliebten Stolperfallen und erinnert diskret an die so wichtige Rolle einer internationalen Betrachtung der Themen. Ebenfalls von besonderem Nutzen (da zeitsparend) ist die Diskussion der Forschungslandschaft wohl für Gelehrte der Nachbardisziplinen. Meines Erachtens gehört Baltruschs "Außenpolitik, Bünde und Reichsbildung in der Antike" auch in Zeiten massiv beschränkter Mittel in jede gute Universitäts- und Institutsbibliothek.

Silke Knippschild