Rezension über:

James M. McPherson: This Mighty Scourge. Perspectives on the Civil War, Oxford: Oxford University Press 2007, xii + 260 S., ISBN 978-0-19-531366-6, USD 28,00
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Rezension von:
John Andreas Fuchs
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Redaktionelle Betreuung:
Andreas Fahrmeir
Empfohlene Zitierweise:
John Andreas Fuchs: Rezension von: James M. McPherson: This Mighty Scourge. Perspectives on the Civil War, Oxford: Oxford University Press 2007, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 2 [15.02.2009], URL: https://www.sehepunkte.de
/2009/02/14487.html


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James M. McPherson: This Mighty Scourge

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Mit "This Mighty Scourge" legt James M. McPherson, der seit seinem mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Werk "Battle Cry of Freedom" zu recht als Doyen der amerikanischen Bürgerkriegsgeschichte gilt, eine Aufsatzsammlung zu eben diesem Thema vor. Drei der sechzehn in "This Mighty Scourge" vorliegenden Aufsätze erscheinen hier zum ersten Mal. Ausgewählt wurden die sechzehn Aufsätze, um Antworten auf die noch immer diskutierten Fragen zu geben: Wie kam es zum Krieg und war er unvermeidlich? Wie und warum hat der Norden gewonnen oder der Süden verloren (die Formulierung macht hier einen bedeutenden Unterschied)? Rechtfertigt der Ausgang die zahlreichen Opfer? Welchen Eindruck hat der Krieg hinterlassen und wie wird er erinnert? Dass dies nicht immer möglich ist, darüber ist sich McPherson im Klaren. Vielmehr versteht er die Aufsatzsammlung als Anregung zur Diskussion und lädt zum Widerspruch ein, denn nur so funktioniere Wissenschaft (IX).

McPherson gliedert sein Werk entsprechend seinen Fragestellungen in fünf Themengebiete: "Slavery and the Coming of War", "Lost Cause Revisited", "Architects of Victory", "Home Front and Battle Front" und "Lincoln". Letzterer nimmt eine große Rolle in den Betrachtungen ein und Lincolns Interpretation der Gründe für den Krieg dient McPherson auch als Einstieg und Grundlage für seine Fragen: "Both parties deprecated war; but one of them would make war rather than to let the nation survive, and the other would accept war rather than let it perish. And the war came." (3) Sämtliche Aufsätze wurden zur Veröffentlichung in diesem Band überarbeitet und aktualisiert. Interessant sind die sieben bereits in der "New York Review of Books" erschienenen Rezensionen, die uns McPherson, die Instanz wenn es um den amerikanischen Bürgerkrieg geht, als Kritiker der Arbeit anderer Historiker zeigen und der Aufsatzsammlung in weiten Teilen den Charakter einer kommentierten Bibliografie zu den wichtigsten Fragen des Civil War geben. Die sechs weiteren bereits publizierten Aufsätze waren in verschiedenen Fachzeitschriften oder Aufsatzsammlungen erschienen.

Für Kenner von McPhersons Œuvre bietet der Band daher nicht viele neue Erkenntnisse, interessant sind allerdings die kleinen Änderungen und Aktualisierungen sowie der damit eingeflochtene "rote Faden", der sich durch den gesamten Band zieht: die Demontage von Mythen auf der einen Seite und die Hervorhebung des Mythos Lincoln auf der anderen. McPherson bleibt sich treu, wenn er die Bedeutung der Sklaverei für den Ausbruch des Krieges hervorhebt und den Mythos der Revisionisten, dass die Frage der Rechte der Einzelstaaten den Grund für den Ausbruch des Krieges geliefert habe, demontiert. Er tut dies jedoch in der ihm üblichen differenzierten Art und Weise: "It was not the existence of slavery that polarized the nation to the breaking point, however, but rather the issue of the expansion of slave territory." (13) Die unter anderem in den 1930er Jahren von den "Twelve Southerners" (5) vertretene und immer noch populäre revisionistische Theorie, dass es nur um "state's rights and self-government" gegangen sei, stellt McPherson vom Kopf wieder auf die Beine: Jefferson Davis, der nach dem Krieg als einer der ersten vom Kampf um die Rechte der Einzelstaaten sprach, hatte vor dem Krieg keine Skrupel für das "Fugitive Slave Law" zu stimmen, das in die Rechte der (nördlichen) Einzelstaaten eingriff. McPherson kommt zum Schluss, dass man in den 1850er Jahren, auch vor dem Hintergrund der "Slave Power Conspiracy", eher vom Norden eine Rebellion zur Verteidigung der Rechte der Einzelstaaten hätte erwarten können (9). Das Wirken der Mythenbildung und der Lost Cause greift er in "Long-legged Yankee Lies" (93-106), einer Darstellung der Bildungsrevision im Süden, die zeigt, dass Geschichte nicht immer nur vom Sieger geschrieben wird, wieder auf.

Weitere Mythen, die in "Mighty Scourge" hinterfragt und dekonstruiert werden, sind: Harriet Tubman, die als "Moses of her People" bekannt wurde, aber deren Biografie einige Fragen offen lässt, unter anderem die, wie sie so viele Sklaven retten konnte (23ff.). John Brown als Märtyrer, den McPherson vor dem Hintergrund des 11. September in ein eher zwielichtiges Terror-Image rückt (29ff.) und Jesse James, der kein Robin Hood, sondern eher ein kaltblütiger Mörder war, der mehr mit dem Ku-Klux-Klan als dem Helden aus Sherwood Forest gemein hatte (87-92). Außerdem betrachtet er die beiden Unionsgeneräle Ulysses S. Grant, der weniger trank als oft behauptet, und William T. Sherman, der weniger brandschatzte (109-121) und dem Bild des "ferocious ogre of vengance" (116) nicht gerecht wurde, ebenso wie den Oberkommandierenden der Konföderierten, Robert E. Lee, den McPherson eher als Sherman einen "butcher" nennen würde (113). Neben den handelnden Personen werden auch Strategien, die Politik und einzelne Schlachten, die zur Mythenbildung taugen, analysiert. Erwähnt sei hier "The Saratoga That Wasn't: The Impact of Antietam Abroad" (65-75), wo die Konföderation die zu diesem Zeitpunkt schon zum Greifen nahe Anerkennung durch die europäischen Staaten in einer Schlacht verlor.

Doch hinter und über allem steht Lincoln, der mit seiner zweiten Inaugural Address nicht nur das erwähnte Eingangszitat liefert und dem der letzte Teil der Aufsatzsammlung gewidmet ist, sondern der auch in zwei der drei hier erstmals publizierten Aufsätze, "Unvexed to the Sea: Lincoln, Grant and the Vicksburg Campaign" (131-142) und "As Commander-in-Chief I Have a Right to Take Any Measure Which May Best Subdue the Enemy" (209-221), eine prominente Rolle einnimmt. Besonders dieser letzte Beitrag macht das Buch auch für Kenner McPhersons wieder interessanter. Lincolns Verstöße gegen die Verfassung und seine Idee der "war power" des Präsidenten, die in der Verfassung nirgends erwähnt wird, schufen klare Präzedenzfälle für seine Nachfolger, legten den Grundstein für die imperial presidency und brachten Lincoln die Bezeichnung "Despot", "Tyrann" und "Diktator" ein (213). Die Außerkraftsetzung des Rechtes "habeas corpus" und die Verhaftung von 13.000 Zivilisten, ohne Verhandlung, lassen Erinnerungen an die Regierung George W. Bushs aufkeimen. Lincoln sah es als seine höchste verfassungsgemäße Pflicht an, die Nation zu retten, indem er den Krieg gewann; auch wenn er dabei im Einzelnen gegen die Verfassung verstieß (214). Ohne die Verstöße gäbe es keinen Sieg und somit auch keine Verfassung mehr. Der dritte der neuen Aufsätze, "To Conquer a Peace? Lee's Goals in the Gettysburg Campaign" (77-86), bringt leider keine neuen Erkenntnisse.

Auch wenn es sich bei "This Mighty Scourge, Perspectives on the Civil War" großteils um recycelte Aufsätze handelt, ist der Sammelband zu empfehlen. Besonders Neueinsteiger in das Thema Civil War finden hier die wichtigsten Kontroversen in einem Band vereint. Zugleich bekommen sie, in Form der sieben Reviews, von McPherson sachlich aufgearbeitete und kommentierte Hinweise zur weiteren Lektüre.

John Andreas Fuchs