Rezension über:

Mark Golden: Greek Sport and Social Status, Austin: University of Texas Press 2008, XVI + 214 S., ISBN 978-0-292-71869-2, USD 50,00
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Rezension von:
Jens Bartels
Historisches Seminar, Universität Zürich
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Jens Bartels: Rezension von: Mark Golden: Greek Sport and Social Status, Austin: University of Texas Press 2008, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 2 [15.02.2010], URL: https://www.sehepunkte.de
/2010/02/15930.html


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Mark Golden: Greek Sport and Social Status

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Auf den grundlegenden Arbeiten Harry Plekets aufbauend hat die Erforschung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Auswirkungen der griechischen Agonistik seit dem Ende der 1990er Jahre einen erheblichen Aufschwung genommen. Mark Golden selbst und Christian Mann haben wichtige Monographien zu dem Thema vorgelegt. [1] Von Golden liegt nun eine zweite Monographie vor, die aus den ersten Fordyce W. Mitchel Memorial Lectures im Jahr 2000 hervorgegangen ist (IX).

Diese Genese ist in der Struktur des Buches stärker spürbar als dies bei anderen Werken ähnlicher Herkunft üblich ist. Es zerfällt in vier Teile, die nur lose durch einen Bezug zu gesellschaftlichen Aspekten von Sport zusammengehalten werden, so dass man eher das Gefühl hat, einen Sammelband als eine Monographie in den Händen zu halten.

Golden behandelt nacheinander die Rolle von Assistenten bei hippischen und athletischen Wettkämpfen (1-39), die Beziehung von Sklaven (40-67) und Gladiatoren (68-104) zur griechischen Agonistik sowie die oft fragwürdige Rezeption der antiken Olympien in der modernen Olympischen Bewegung (105-139), ehe eine knappe Zusammenfassung (140-142), der Anmerkungsteil (143-169), eine umfangreiche Bibliographie (171-194) und ein ausführlicher Index (195-214) den Band beschließen.

Im ersten Kapitel widmet sich Golden zwei Gruppen von "Helfern": Zum einen den Jockeys und Wagenlenkern, die die Pferde und meist auch die Wagen für ihre Besitzer zum Sieg lenkten (16-23). Zum anderen den Trainern, die die Leicht- und Schwerathleten auf die Wettkämpfe vorbereiteten (23-39).

Das zweite Kapitel gilt der Beziehung von Sklaven zum Sport. In einem ersten Teil (40-48) führt Golden die trotz Ausnahmen besonders aus der hellenistischen und römischen Zeit wohl überwiegende Restriktion für die Teilnahme von Sklaven an Agonen oder für den Besuch eines öffentlichen Gymnasions aus. Eine solche Ausnahme stammt aus Fassıllar im antiken Pisidien: Dort sind nahe einer Sportanlage Regularien für einen lokalen Wettkampf erhalten, in denen unter anderem festgelegt wird, dass ein Sklave im Falle seines Sieges ein Viertel des Preisgeldes an seine unterlegenen Konkurrenten abgeben muss. Der Ort Fassıllar, an dem bisher keine größere Siedlung nachgewiesen werden konnte, ist allerdings nicht - wie von Golden angenommen - mit Mistea/Misthia (42 aus Versehen Misthra) zu identifizieren. Dieses ist vielmehr im 15 km weiter westlich gelegenen Beyşehir zu suchen. [2] Ein Vergleich mit den Südstaaten vor dem Bürgerkrieg zeigt schließlich, dass nicht in jeder Sklaverei praktizierenden Kultur Sklaven vom Sport ausgeschlossen werden (48-57).

Als Bedienstete sind Sklaven gleichwohl in verschiedenen Bereichen der Agonistik, vor allem in den Gymnasien belegt. Diese behandelt Golden im dritten Teil des Kapitels mit einem Schwerpunkt auf den palaistrophylakes, die meist, aber nicht immer, Sklaven waren (57-67).

In seinem dritten Beitrag vertritt Golden die These, dass athletische Wettkämpfe und Gladiatorenkämpfe eng miteinander verwandt und beide als Sport zu bezeichnen seien. Seine Argumentation stützt sich dabei auf die Selbstrepräsentation der Gladiatoren (74-79), die Finanzierung beider Veranstaltungsarten durch Elite-Angehörige (79-89) sowie die Diskussion verschiedener Definitionen von "Sport" (89-104). Die entsprechende Selbstdarstellung der Gladiatoren ist gut bekannt. [3] Doch besagt diese Selbstdarstellung noch nichts über deren Akzeptanz beim Rest der Bevölkerung. Weiterhin erscheint ziemlich fragwürdig, aus der gleichen Anziehungskraft auf potentielle Stifter einen Beleg für die These abzuleiten: Euergeten finanzierten auch Bauten ohne dass man die damit verbundenen Tätigkeiten als Sport bezeichnen würde.

An den Kern des Problems gelangt Golden nur im dritten Abschnitt des Kapitels: Letztlich ist es eine Frage der Definition. Hier genügt es jedoch nicht, die bisherigen Definitionsversuche, die die Gladiatur aus ihrem Sportbegriff ausgrenzen, der Inkonsequenz zu überführen. Das gelingt Golden in der Tat erfolgreich. Die wesentliche Frage scheint mir eher zu sein, ob die bei den jeweiligen (Wett-)Kämpfen vorgeführten Tätigkeiten als reines Schauspiel rezipiert wurden, oder ob es sich dabei um Tätigkeiten handelte, die die Zuschauer - im Sinne des spätlateinischen deportare - auch selbst ausübten. Dabei muss sicher zwischen römischem und griechischem Kulturraum unterschieden werden. Während athletische Wettkämpfe in Rom ebenfalls als bloße Schauspiele wahrgenommen wurden, übten viele Bewohner des griechischen Kulturraums die dort ausgetragenen Disziplinen auch selbst aus. Das wiederum galt im Osten nicht für die Gladiatorenkämpfe, die ein attraktives, aber eben nur ein Schauspiel darstellten. Insofern spricht Golden durchaus richtig stets von "gladiatorial shows". Auch wenn er zu Recht betont, dass die moderne Entrüstung über die "grausamen" Gladiatorenkämpfe etwas bigott und kein Argument für deren Abgrenzung von den teilweise ebenfalls recht blutigen Agonen mit schwerathletischen Wettbewerben ist, bleibt doch festzuhalten, dass Gladiatorenkämpfe im kulturellen Kontext des griechischen Ostens nicht als "Sport" bezeichnet werden können.

Im vierten Kapitel folgt schließlich eine nicht ganz neue, aber solide Übersicht über die Gegensätze zwischen antiken und modernen olympischen Spielen und die Vorgeschichte der modernen Spiele im 19. Jahrhundert. [4]

Positiv ist hervorzuheben, dass Golden sich bemüht, auch mit der antiken Sportgeschichte nicht vertraute Leser "abzuholen". Diese lobenswerte Praxis führt allerdings gelegentlich dazu, dass das eigentliche Thema etwas an den Rand gerät. Insgesamt hätten Autor und Verlag etwas mehr auf einen roten Faden achten sollen. Der gedankliche Zusammenhang sowohl zwischen als auch innerhalb der einzelnen Kapitel bleibt oft unklar. Inhaltlich bietet das Buch sicher keine sensationellen Neuigkeiten, aber auch der Fachmann wird gelegentlich ein ihm unbekanntes Detail entdecken.


Anmerkungen:

[1] Mark Golden: Sport and Society in Ancient Greece, Cambridge 1998; Christian Mann: Athlet und Polis im archaischen und frühklassischen Griechenland, Göttingen 2001. Vgl. zuletzt auch den Überblick bei Jens Bartels: Zwischen Adelsprivileg und Massenphänomen. Sport und griechische Gesellschaft, in: Jens Bartels / Anke Bohne / Annette Pohl / Barbara Rieger (Hgg.): Sportschau. Antike Athleten in Aktion, Bonn 2004, 7-17 mit weiterer Literatur.

[2] Alan S. Hall: The Site of Misthia, in: Anatolian Studies 9 (1959), 119-124.

[3] Louis Robert: Les gladiateurs dans l'Orient grec, Paris 1940, 19-23.

[4] Zur Bibliographie wären hier noch drei Arbeiten Wolfgang Deckers zu ergänzen, deren letzte selbstverständlich zu spät für Golden erschien: Historische Einleitung, in: Stratis Stratigis. Die Olympischen Spiele 2004 und die westliche Kultur, Köln 2000, 5-10; Praeludium Olympicum, Hildesheim 2006 sowie Die Wiederbelebung der Olympischen Spiele, Mainz 2008. Vgl. außerdem Judith Swaddling: The ancient Olympic games, 2. Auflage, London 1999, 100-106, von Stewart Binns für die dritten Auflage 2004 noch erweitert, wie deren deutscher Übersetzung zu entnehmen ist: Die Olympischen Spiele der Antike, Stuttgart 2004, 164-186.

Jens Bartels