Rezension über:

Ida Östenberg: Staging the World. Spoils, Captives, and Representations in the Roman Triumphal Procession, Oxford: Oxford University Press 2009, XII + 327 S., ISBN 978-0-19-921597-3, GBP 70,00
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Rezension von:
Fabian Goldbeck
Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Fabian Goldbeck: Rezension von: Ida Östenberg: Staging the World. Spoils, Captives, and Representations in the Roman Triumphal Procession, Oxford: Oxford University Press 2009, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 2 [15.02.2010], URL: https://www.sehepunkte.de
/2010/02/16384.html


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Ida Östenberg: Staging the World

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Die zu besprechende Arbeit von Ida Östenberg reiht sich in die Vielzahl neuerer Studien zum Triumph ein. [1] Gerade angesichts dieser Forschungslage stellt sich die Frage, worin das Neue der - freilich schon 2003 in Lund als Dissertation eingereichten - Arbeit liegt. Die Verfasserin ist sich dieser Problematik bewusst und verweist darauf, dass die religiöse und politische Bedeutung des Triumphes gut, seine performative Dimension dagegen weit schlechter erforscht sei (5). Sie will daher klären, wie Besiegte im römischen Triumph präsentiert und wahrgenommen wurden, was eigentlich genau in der Prozession mitgeführt wurde und wie die "Zuschauer" darauf reagierten. Als Methode schlägt sie eine "Zerlegung" der Prozession in "small units" vor, die detailliert analysiert und kontextualisiert werden könnten (vgl. 11f.).

Östenbergs Erkenntnisinteressen sind also auf zwei durchaus unterschiedlichen Ebenen angesiedelt: Sie kombiniert Fragen nach "antiquarischen" Details (welche Beute wurde präsentiert, wie wurden besiegte Feinde mitgeführt und dargestellt) mit solchen nach der Wahrnehmung des Triumphs und seiner Bedeutung für Identitätsbildungsprozesse. Für beide Zusammenhänge geht sie gegen Ende ihrer "Introduction" auf die Quellenlage ein. Östenberg konzediert, dass Berichte über Triumphe vor dem 3. Jahrhundert v. Chr. nur als "literary monuments" zu lesen seien, und hält auch die Historia Augusta für wenig ergiebig. Sie beschränkt ihre Untersuchung daher auf den Zeitraum von ca. 300 v. Chr. bis in trajanische Zeit. Innerhalb dieser Grenzen plädiert sie für eine konsequente Kombination der literarischen, epigraphischen und bildlichen Quellen. Gleichzeitig geht sie von einer hohen Zuverlässigkeit der Überlieferung für die republikanische Zeit aus. Diese Einschätzung gilt v.a. für Livius, dessen Angaben zu Triumphen sie auf archivierte Aufzeichnungen ("post processional documentation", vgl. 15f.) zurückführt. Für die Wahrnehmung des Triumphes führt sie am Beispiel der römischen Dichter aus: "Their descriptions transmit the Roman experience of the procession. They also reflect the appearance of the display and the emotions caused by the encounter with the subjugated on parade" (16). Nicht problematisiert wird, wie verallgemeinerbar einzelne Aussagen römischer Autoren sein können. Was kann eine Schilderung bei Ovid aussagen über die Wahrnehmung eines Triumphs durch seine Zeitgenossen, erst recht aber durch die Römer, die den Triumphzug des Aemilius Paullus beobachteten?

In den folgenden Kapiteln zu "spoils" (19-127), "captives" (128-188) und "representations" (189-261) bietet das Buch eine ebenso detaillierte wie gut lesbare Analyse dessen, was wann und in welchen Zusammensetzungen während eines Triumphs zu sehen war. Östenberg konzentriert sich dabei ganz auf die Prozessionsteile, die vor dem Triumphator zu sehen waren, während dieser selbst und die nach ihm folgenden Soldaten etc. so gut wie außen vor bleiben. Es liegt in der Natur der Sache (bzw. der Überlieferung), dass Östenberg teils auf Vermutungen angewiesen ist, welche Elemente Teil der Prozession waren, ebenso, dass man ihr nicht bei allen Schlüssen folgen muss. [2] Drei Zusammenhänge seien exemplarisch angesprochen. Östenberg problematisiert am Beispiel des Marcellus (211 v. Chr., triumphus in monte Albano / ovatio de Syracusanis) die Frage, ob Götterstatuen als Kultbilder oder nicht viel eher als bloße "Kunstgegenstände" mitgeführt wurden, und entscheidet sich mit guten Gründen und gegen Teile der Überlieferung für die zweite Position (80-86). Dem Umstand, dass das Triumphritual sich hinsichtlich seiner Bedeutung gewandelt haben muss, trägt sie Rechnung, wenn sie die frühen triumphi navales als besondere Würdigung eines außergewöhnlichen Erfolgs zur See interpretiert. Dies habe sich in späterer Zeit, sichtbar etwa beim ("normalen") Triumph des Aemilius Paullus und dem gleichzeitigen Navaltriumph des Cn. Octavius (167 v. Chr.), ins Gegenteil verkehrt, als der Navaltriumph quasi nur (noch) den partiellen Erfolg im Seekampf gewürdigt habe. Die spannendste These dürfte Östenbergs Interpretation der "triumphal paintings" sein. Sie bestreitet, dass aufwendige "Schlachtgemälde", wie sie etwa Plinius (nat. hist. 35,22-24) beschreibt, schon im Triumphzug mitgeführt wurden. Bei den literarisch überlieferten tabulae handele es sich vielmehr um im Nachhinein gefertigte "monumenta celebrating Roman generals' martial arts" (199). Im Triumph selbst seien Kriegsszenen zwar präsentiert worden, allerdings hätten diese nicht die Taten der Triumphatoren, sondern das Schicksal prominenter römischer Gegner dargestellt. Überdies habe es sich nicht um aufwendige Malereien gehandelt. Statt dessen seien in szenischen Miniaturen die "misdeeds" der Feinde und ihr (schmähliches) Ende nachgespielt worden. Malerei habe dabei als Hintergrund der auf kleinen "Bühnen" aufgeführten Szenen gedient (192-199; 245-261).

In ihrem Schlusskapitel ("Staging the World", 262-292) versucht Östenberg die Frage zu beantworten, was die Präsentation von "spoils, captives, and representations" für die Römer bedeutete. Zentrales Merkmal des Triumphzugs war demnach, dass sich die römische (Bürger-) Gemeinschaft als siegreich von der sie umgebenden Welt abgrenzte. In der Prozession sei allen vor Augen geführt worden, dass sich Rom (erneut) erfolgreich behauptet hatte, welche Besitztümer sich Rom dabei sicherte und wie es zunächst die umliegenden Gemeinwesen, schließlich die ganze Welt dominierte. Östenbergs Darstellung dieser Wahrnehmung des Triumphs und seiner Bedeutung für Identitätskonstruktionen ist insgesamt überzeugend herausgearbeitet. Sie enthält freilich auch kaum wirklich überraschende Elemente. [3] Insgesamt fällt aber v.a. auf, wie einheitlich, stabil und harmonisch die "Roman experience" des Triumphes nach Östenberg gewesen sein soll. Dass dem so ist, hängt mit methodischen und quellenkritischen Vorentscheidungen zusammen, auf die abschließend eingegangen sei. Zum einen ergibt sich die Betonung gemeinschaftsstiftender Aspekte des Triumphs aus Östenbergs Entscheidung, potentiell konfliktträchtige Teile des Rituals systematisch nicht zu berücksichtigen: Die Person des Triumphators sowie alle nach ihm folgenden Teile der Prozession finden wenig oder kaum Beachtung. Zum anderen produziert Östenbergs "kombinatorischer" Quellenzugriff, der zu den einzelnen Fragen jeweils alle verfügbaren Quellen als Belege berücksichtigt, notwendigerweise ebenfalls Einheitlichkeit. Beide Vorgehensweisen lassen sich wohl für die Rekonstruktion antiquarischer Details vertreten. Dennoch hätte man sich eine präzisere Auseinandersetzung mit den zuletzt vertretenen Vorbehalten gegen die Aussagekraft etwa der livianischen Berichte für republikanische Triumphe gewünscht. [4] Unbefriedigend bleibt die harmonisierende Interpretation des Triumphes aber in jedem Fall, was die Frage der römischen Wahrnehmung des Rituals angeht. Hier wäre eine Analyse notwendig gewesen, die Aussagen wie die eines Ovid (s.o.) nicht nur zu einem Gesamtbild zusammenzusetzen sucht, sondern auch nach widersprüchlichen Wahrnehmungen und Deutungen eines oder auch mehrerer Triumphe fragt oder wenigstens mit ihnen rechnet.

Insgesamt läßt sich "Staging the World" vor dem Hintergrund der jüngeren Debatten um den römischen Triumph als ein Plädoyer für mehr Zutrauen zu den Quellen lesen. Den "dekonstruktivistischen" Arbeiten von Beard und Itgenshorst stellt die Verfasserin ein - übrigens exzellent ediertes - Buch entgegen, mit dem sie zu zeigen versucht, was man über den konkreten Ablauf des Rituals aussagen kann. In diesem Sinne ist es eine Bereicherung, während es die Bedeutungsdimensionen des Rituals nicht in gebührender Weise entfaltet.


Anmerkungen:

[1] Vgl. C. Auliard: Victoires et triomphes à Rome. Droits et réalités sous la république, Paris 2004; T. Itgenshorst: Tota illa pompa. Der Triumph in der römischen Republik, Göttingen 2005; M. Beard: The Roman Triumph, Cambridge (Mass.) 2007; J.-L. Bastien: Triomphe Romain et son utilisation politique à Rome aux trois derniers siècles de la république, Rom 2007; H. Krasser u.a. (Hgg.): Triplici invectus triumpho. Der römische Triumph in augusteischer Zeit, Stuttgart 2008; M. R. Pelikan Pittenger: Contested Triumphs. Politics, Pageantry and Performance in Livy's Republican Rome, Berkeley 2008.

[2] Etwa zur Frage, ob "Amazonen" (148f.) oder in welchem Ausmaß während der Republik "foreign beasts" (168-171) im Triumph präsentiert wurden.

[3] Gelegentlich kommt es allerdings zu eigenartigen Aussagen, wenn etwa das spätere Leben Jubas als Paradebeispiel einer "transformation" feindlicher Barbaren in Rom gedeutet wird (275f.). Eine solche Wahrnehmung lässt sich nicht einmal für den späteren Beobachter Plutarch (Caes. 55) feststellen, geschweige denn für die Beobachter des Triumphs selbst.

[4] Grundlegend Itgenshorst: Tota illa pompa, bes. 13-41; 148-179, vgl. Beard: Roman Triumph, pass. Die knappe Zurückweisung (16 Anm. 77), dass Itgenshorst "too sceptical" sei, genügt wohl kaum.

Fabian Goldbeck