Rezension über:

Staatsgalerie Stuttgart (Hg.): Edward Burne-Jones. Das Irdische Paradies, Ostfildern: Hatje Cantz 2009, 232 S., 274 Abb., davon 247 farbig, 23 x 28,5 cm, gebunden mit Schutzumschlag, ISBN 978-3-7757-2516-3, EUR 29,80
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Rezension von:
Michaela Braesel
Institut für Kunstgeschichte, Ludwig-Maximilians-Universität München
Redaktionelle Betreuung:
Ekaterini Kepetzis
Empfohlene Zitierweise:
Michaela Braesel: Rezension von: Staatsgalerie Stuttgart (Hg.): Edward Burne-Jones. Das Irdische Paradies, Ostfildern: Hatje Cantz 2009, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 2 [15.02.2010], URL: https://www.sehepunkte.de
/2010/02/17189.html


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Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.

Staatsgalerie Stuttgart (Hg.): Edward Burne-Jones

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Der Katalog begleitet eine Ausstellung in der Staatsgalerie Stuttgart und dem Kunstmuseum Bern, die sich, basierend auf den Beständen der Staatsgalerie, die in ihrer Sammlung die Leinwände von Burne-Jones' Perseus-Zyklus aufbewahrt, den narrativen Zyklen des Künstlers widmet. Der Titel wiederum, "Das irdische Paradies", bezieht sich auf die mehrteilige Versdichtung seines Freundes William Morris, für die Burne-Jones in den 1860er-Jahren zahlreiche Illustrationen entwarf, und verweist zugleich auf Überlegungen des Künstlers zur Rolle und zur Aufgabe der Kunst. Bereits durch die Titelwahl ist somit sowohl auf den narrativen Kontext der ausgestellten Werke hingewiesen als auch ein Interpretationshinweis für das Werk des Künstlers gegeben.

Der Katalog versteht sich eher als eine Einführung in das Werk des Künstlers, als dass er eine detaillierte und vielfältige neue Ergebnisse aufzeigende Auseinandersetzung mit seinen Arbeiten bietet. Die Beiträge erläutern das Sujet, seine Auffassung bei Burne-Jones sowie die Genese des Sujets innerhalb seines Werkes. Sie liefern in der Regel ausführliche Bildanalysen, führen kunsthistorische Vergleichsbeispiele an, bieten aber keine ausgiebige Forschungsdiskussion. Gerade Aufsätze in entlegeneren Fachzeitschriften oder Sammelbänden bleiben unberücksichtigt. Die einzelnen Exponate werden in den kurzen Aufsätzen auf sinnvolle Weise zusammen betrachtet, womit der Kontinuität bestimmter Motive und Ideen im Œuvre des Malers Rechnung getragen wird. Die technischen Daten zu den Exponaten sind am Ende des Kataloges zwischen den parallel geführten Biografien von Burne-Jones und Morris und dem Literaturverzeichnis eingefügt.

Die Beiträge zu den einzelnen Sujets oder Zyklen werden eingefasst von zwei Aufsätzen, die sich mit grundlegenden Aspekten von Burne-Jones' Werk auseinandersetzen. Christofer Conrad führt einleitend den Leser in den Zusammenhang von Schönheit und Wahrheit im Werke Burne-Jones' ein, wobei er sich hauptsächlich auf die Entwürfe zum Rosenroman konzentriert, dessen englische Übersetzung Geoffrey Chaucer zugeschrieben wurde, dem Lieblingsdichter des Malers und seines Freundes Morris. Conrad bindet eine biografische Darstellung der frühen Jahre des Künstlers ein und leitet damit die chronologische Reihe der Werkbeiträge ein. Er schildert die frühen Einflüsse in Birmingham und Oxford, um die Genese der Auffassungen Burne-Jones' und sein Insistieren auf der Bedeutung von Kunst zu skizzieren. Die Handlungsabfolge des Rosenromans fungiert für Conrad - wie übrigens auch die Heldenfiguren der anderen Zyklen - als Exempel für Burne-Jones' eigene Suche nach dem richtigen Weg zum Ziel - zur Kunst. Zugleich ist damit angedeutet, warum Burne-Jones Zeit seines Lebens immer wieder Motive aufgriff und veränderte. Conrad versteht dieses zugleich als Meditationsprozess und im Sinne der Vieldeutigkeit (24). Annabel Zettel widmet sich anschließend den Illustrationsentwürfen Burne-Jones' aus den 1860er-Jahren für Morris' "The Earthly Paradise", in dem der Autor Nacherzählungen von antiken und nordischen Sagen in einem Kontext bietet, der demjenigen von Boccaccios "Decamerone" entlehnt ist. In diesem Zusammenhang entstanden Zeichnungen zu den Geschichten von Amor und Psyche und Pygmalion, die später von Burne-Jones in Ölgemälde und Zyklen umgesetzt und weitergeführt wurden. Zettel verweist auf die frühen Ausstattungsprojekte in Morris' Red House und die Freundschaft zu dem Maler-Dichter Dante Gabriel Rossetti, wobei sie versucht die Vorliebe des Malers für die Erzählform des Zyklus über seine engen Kontakte zu den Dichtern - also über den Zusammenhang von Malerei und Literatur - zu erklären. Weiterhin beschäftigt sich Zettel mit Burne-Jones' frühen Gouachen, besonders denjenigen zu Wilhelm Meinholds "Sidonia von Bork". Hierbei verweist sie auf die Einflüsse durch die venezianische Kunst und Rossetti sowie auf die ganz eigene Auffassung des eigentlich in der deutschen Renaissance angesiedelten Stoffes durch den Künstler. Es schließen sich Darstellungen zu Burne-Jones' Georgs- und Pygmalion-, Amor- und Psyche-Zyklen an, welche die Genese der Werke und ihre kunsthistorischen Vorbilder aufführen (Michael Frehner, Simon Oberholzer, Katharina Wippermann). Dabei wird auch versucht, das jeweilige Thema biografisch oder in Hinblick auf die Auffassung zum Künstler zu erläutern, ohne jedoch neue Ergebnisse oder eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Forschung zu bieten. Einem Einschnitt in der Biografie Burne-Jones' - seiner Affäre mit der Bildhauerin Maria Cassavetti-Zambaco - ist ein Kapitel (Vera Klowitz) gewidmet, das auf das Gemälde "Merlin und Nimue", ein Sujet aus der Artus-Sage, fokussiert und eine Darstellung der kunsthistorischen Vorbilder mit dem nur bedingt erfolgreichen Versuch einer psychologischen Interpretation unter einer gewissen Vernachlässigung der Details der Sagenhandlung verbindet. Fabian Fröhlich widmet sich am Beispiel des Gemäldes "Der Spiegel der Venus" der Bedeutung der Antike und Botticellis für Burne-Jones sowie seiner Beziehung zum Aesthetic Movement, wobei an dieser Stelle vielleicht ein wenig ausführlicher die Situation der englischen Kunstszene in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hätte geschildert werden können. Bild für Bild erläutert Fröhlich, der bereits eine ausführliche Arbeit über den Perseus-Zyklus publizierte, dann diese Bildfolge und gibt eine gelungene Zusammenfassung, die alle wichtigen Informationen zu Chronologie, ursprünglicher Planung und Ideen zur Raumgestaltung, Bilddeutung, Ikonografie und den vielfältigen Einflüssen des Künstlers bietet. John Christians Aufsatz zum Dornröschen-Zyklus nimmt eine überzeugende Chronologie der einzelnen Leinwände vor und bringt damit Ordnung in die bisher etwas unklare Situation. Die autobiografisch aufgeladenen Deutungsversuche der letzten Jahre schneidet er dagegen nur kurz an. Christofer Conrad widmet sich dann dem Gralszyklus, der nach Burne-Jones' Entwürfen in Morris' Textilwerkstätten gewebt wurde. Für die Tapisserie mit dem Boot wird auf Anregungen durch japanische Holzschnitte verwiesen, ohne weiter auf die Bedeutung dieser Arbeiten für die englische Künstlergruppe einzugehen. Hier scheint etwas vorschnell von kontinentalen Bedingungen auf England geschlossen zu werden.

Den Abschluss bildet ein Kapitel von William Waters und Peter Nahum, das sich der Bedeutung des Mittelalters für Burne-Jones widmet und die Studien von Julian Treuherz von 1984 klug ergänzt. [1] Unterschiedlich überzeugend werden Miniaturen aus illuminierten Handschriften und frühe Buchillustrationen als Anregung für Bilderfindungen vorgeschlagen. Parallel dazu und in schöner Entsprechung zum Einleitungskapitel werden diese Überlegungen mit der Biografie des Künstlers verknüpft, indem auch stilistische Entwicklungen wie die Kombination von mittelalterlichen und antiken Anregungen mit seiner persönlichen Situation zwischen seiner Ehe und der Liebe zu Maria Zambacco verbunden werden.

Insgesamt bietet der Katalog eine überlegte, fundierte und gut gegliederte Einführung in einen Werkkomplex des Künstlers, wobei versucht wird, die enge Zusammenarbeit mit Morris und die Vielfalt der Einflüsse umfassend darzustellen. Biografische Aspekte werden dabei, wie so oft in der Darstellung der Kunst der Präraffaeliten, manchmal etwas zu stark in den Mittelpunkt gerückt.


Anmerkung:

[1] Julian Treuherz: The Pre-Raphaelites and Mediaeval Illuminated Manuscripts, in: Pre-Raphaelite Papers, hg. von Leslie Harris, The Tate Gallery, London 1984, 153-169.

Michaela Braesel