Rezension über:

Ralf Roth (Hg.): Städte im europäischen Raum. Verkehr, Kommunikation und Urbanität im 19. und 20. Jahrhundert (= Beiträge zur Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung; Bd. 9), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2009, 270 S., ISBN 978-3-515-09337-8, EUR 49,00
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Rezension von:
Wendelin Strubelt
Bonn
Redaktionelle Betreuung:
Andreas Fahrmeir
Empfohlene Zitierweise:
Wendelin Strubelt: Rezension von: Ralf Roth (Hg.): Städte im europäischen Raum. Verkehr, Kommunikation und Urbanität im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2009, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 3 [15.03.2010], URL: https://www.sehepunkte.de
/2010/03/16770.html


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Ralf Roth (Hg.): Städte im europäischen Raum

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1. Die sehr unterschiedlichen Aufsätze dieses Buches gehen auf eine Sektion des Historikertages 2004 zurück, die "die Abhängigkeit der Städte in Europa von ihrer gegenseitigen Vernetzung" thematisierte. Dieses Thema steht im Kontext einer virulenten Diskussion - zumindest bei Planern, Urbanisten und Sozialwissenschaftlern, aber auch Politikern - um die "Europäische Stadt". Deren Idee - heute eher Leitbild - liegt die europäische Tradition der Aufklärung, sowie der gesellschaftlichen Emanzipation und der Moderne zu Grunde. Sie finde als klar gegliederte Stadtform - im öffentlichen wie privaten Raum - ihren baulichen Ausdruck und gesellschaftliche Gestalt; zwischen bürgerlicher und massendemokratischer Prägung, zwischen lebenswerter Urbanität und von Maschinen dominierter "urban fabric" schwankend. Sie wurde lange Zeit als europäisches "Erbe" nur der amerikanischen Stadt gegenüber gestellt. Heute gilt die Abgrenzung insbesondere auch gegenüber den nicht nur quantitativ boomenden Städten Asiens, insbesondere Chinas. Ein anderer Kontrast, nämlich der zu den Riesenstädten Afrikas und Südamerikas wird weniger wahrgenommen. Beider Realität aber wird die Zukunft der Städte weltweit bestimmen.

War Paris, wie Walter Benjamin (207) sagte, die Hauptstadt des 19. Jahrhunderts, so war dies an dessen Ende und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in mancher Hinsicht London - beides europäische Städte. Heute können wir nicht mehr von deren weltweiter Dominanz sprechen. Es dominiert ein "Netz" globaler Metropolen, zu dem sicherlich noch London und Paris gehören, vor allem aber New York und Tokio, schon weniger oder noch nicht Moskau und Peking, aber sicherlich noch nicht Sao Paulo, Mexiko-Stadt, Kairo oder Lagos, obwohl letztere rein quantitativ dazugehören müssten. Es gibt derzeit kein weltweit dominierendes Leitbild der Stadt, auf jeden Fall ist es nicht mehr das der europäischen Stadt, aber es gibt viele Städte in Europa. Wenn nach Hegel die Eule der Minerva ihren Flug erst mit der einbrechenden Dämmerung beginnt, dann liegt die Analogie nahe, dass die Beschäftigung mit den "Städten im europäischen Raum", gewissermaßen zum Ende, in der Dämmerung ihrer weltweiten Dominanz erfolgt. Und es stellt sich die Frage, ob sie Auslaufmodelle sind, welche Zukunft sie haben. Gerade deshalb ist es auch wichtig zu wissen, wie sie ihre einst weltweite Bedeutung erlangten.

2. Es ist das Verdienst dieses Bandes, aus historischer Sicht einen Beitrag zur Genese und zur früheren wie heutigen Realität der europäischen Städte unter dem Gesichtspunkt ihrer gegenseitigen Vernetzung, ihrer Kommunikation untereinander im weitesten Sinne zu leisten. Ausgehend von dem einprägsamen Satz Karl Schlögels, "Im Raume lesen wir die Zeit" (5), wird nach der Kommunikation der Städte in Europa über Räume hinweg gefragt. Jenseits eines von den Nationalstaaten geprägten Bildes Europas im 19. und 20. Jahrhundert seien es die Städte, ihre raumübergreifenden Verbindungen untereinander gewesen, die als ein Städtesystem die tragende Struktur Europas gebildet haben.

In dem Band selbst stehen systematische und reflexive Aufsätze neben solchen, die konkrete Beziehungen zwischen Städten oder einzelne Städte in der Art von Fallstudien darstellen.

Ralf Roth verweist in seinem Beitrag auf die Bedeutung des im 19. Jahrhundert entstehenden Eisenbahnnetzes, nicht nur für den Transport von Gütern, sondern insbesondere für den von Personen aller gesellschaftlichen Klassen, was durch die damalige Einteilung in vier Klassen der Bahnen reflektiert wurde. Heute reichen zwei aus! Das von Friedrich List gedanklich fixierte und dann vom Reich umgesetzte Eisenbahnnetz kam dabei nicht nur der Einigung Deutschlands zu Gute, sondern verband alsbald auch über nationale Grenzen hinweg Städte miteinander. Diese Verbindungen schufen erst eigentlich eine europäische Städtelandschaft. Wenn Roth hier eine Analogie zur Gegenwart zieht, indem er darauf verweist, welch hohen Stellenwert für die EU auch heute die Leistungsfähigkeit der Verkehrswege habe, dann sollte nicht vergessen werden, dass deren politische Agenda anfänglich gerade nicht von einer gemeinsamen europäischen Verkehrspolitik geprägt gewesen ist, denn der Ausbau der Verkehrswege ist lange Zeit - eigentlich bis heute - dominant von nationalen Gesichtspunkten geprägt gewesen sind. Es fehlte eine gemeinsame Politik oder ein Visionär wie List einer gewesen ist.

Bezogen auf die Stadtentwicklung zeigt Roth sehr eindrücklich auf, wie die verschiedenen "Mobilitätsrevolutionen" die "europäische Großstadtbildung" entscheidend beeinflusst haben und nicht zuletzt der Grund dafür gewesen sind, dass sich die europäischen Städte allerorten von den "früher abgeschlossenen Siedlungskomplex mit klar umrissenen Grenzen" verabschiedet haben und sich "sternförmig in die Region" ausdehnten. (57) Diese Entwicklung hat also eine "lange Geschichte", die zu kennen nicht nur von historischem Interesse ist. Für die heute propagierte Idee der "Europäischen Stadt" stellt dieser "urban sprawl" mehr als nur eine Herausforderung dar. Er stellt sie eigentlich ständig infrage und ist ein permanenter Anstoß und Widerspruch zugleich. Er ist eben nicht nur in den USA zu beobachten. Es gibt dagegen bisher keine überzeugenden Lösungen, vielleicht kann es sie auch gar nicht geben. Er ist die Folge einer stillen gesellschaftlichen "Revolution", die die Wohn- und Lebensbedingungen immer noch affluenter Massengesellschaften widerspiegelt, deren Niederschlag im Raum ist.

3. Neben dem grundlegenden Aufsatz des Herausgebers des Bandes stehen zwei weitere, die sich übergreifend mit europäischer Stadtentwicklung befassen. Der Beitrag von Dieter Schott zeichnet sehr luzid nach, wie sich um 1900 in der Zunft der Stadtplaner über nationale Grenzen hinweg ein Austausch- und Lernprozess entwickelte, der anfänglich insbesondere von den radikalen städtebaulichen Eingriffen Haussmanns in Paris beeinflusst wurde. Andere Einflüsse gingen von den städtebaulichen Neuordnungen aus, die durch beispielhafte Modernisierungen im Bereich der Stadthygiene (Tiefbau) die Lösung insbesondere des Abwasserproblems in London erst ermöglichte. Dies markierte den Wandel von der noch vom Mittelalter geprägten Stadt zur modernen Großstadt mit gesünderen Lebensverhältnissen. Foren des Austausches waren hier nicht zuletzt die verschiedenen Weltausstellungen. Für viele Leser mag erstaunlich sein, welch bedeutende internationale Vorreiterrolle Schott den deutschen Städten zuschreibt, indem sie die Probleme des Wachsens der Städte sich nicht selbst überließen, sondern gezielt Stadtplanung betrieben - als "interventionistische Leistungsverwaltung" (213), insbesondere bei der Schaffung von Wohnungen für die breite Masse. Dabei spielte die aus England stammende Idee der Gartenstädte eine nicht unwesentliche Rolle. Nicht nur diese "Übernahme" beleuchtet die fast vergessene Tatsache, wieweit die damaligen Planer durch einen regen Erfahrungsaustausch bereits international verflochten waren (nicht zuletzt durch Exkursionen) und durch ihre Aktivitäten den oder mehrere Grundsteine für integrative Sichtweisen und neue Studiengänge legten, von denen wir noch heute profitieren. Es war der Ansatz einer nicht national, sondern "zunehmend kosmopolitanen, internationalen und pazifistischen (...) Architektur und Stadtplanung". (219) Eine Entwicklung, die jäh durch den Ausbruch des 1. Weltkrieges unterbrochen wurde. Sie wurde danach im Laufe des 20. Jahrhunderts nicht mehr mit dem gleichen optimistischen Impetus fortgesetzt.

Einen anderen Aspekt der Kommunikation zwischen Städten behandelt Rainer Liedtke, indem er die Informationsnetzwerke nachzeichnet, derer sich Banken bedienten, um möglichst früh an für ihre Geschäfte wichtige Informationen zu gelangen. Am Beispiel der Rothschilds zeigt er, wie diese mittels eines Netzes von Agenten und Korrespondenten es erreichten, schneller als ihre Konkurrenten an wichtige Informationen zu gelangen. Die plastische Darstellung dieses "alten", alle damals wichtigen Städte umfassenden Kommunikationsnetzes, das durch das Aufkommen neuer technischer Möglichkeiten - zu Anfang durch den Telegraphen, von dem James de Rothschild in einem Brief aus dem Jahre 1850 sagte: "Der Telegraph ruiniert die Geschäfte" (180) - , zunehmend infrage gestellt wurde, zeigt einerseits die frühen Formen von globalen Geschäften , die damals noch weitgehend europäische waren. Andererseits macht es deutlich, wie wichtig Informationen für Entscheider sind, also für die Regierungen als die "Nerves of Government", wie sie Karl W. Deutsch bezeichnet hat, aber seit eh und je auch für die Wirtschaft.

4. Andere, ebenfalls eher systematisch analytische Aufsätze befassen sich mit paarweisen Vergleichen von Städten. So beschäftigt sich Karl Schlögel mit Berlin und St. Petersburg, die nach seiner Ansicht "im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts auf je ihre Weise Laboratorien der Moderne (waren) und beide sind je auf ihre Weise in diesem Jahrhundert untergegangen." (139). Eine solche vergleichende Analyse von zwei damals bedeutenden Städten ist für ihn wichtig, um ein Defizit der Geschichtswissenschaft auszugleichen, die nach seinem Geschmack zu sehr mit Staat, Gesellschaft und Diplomaten beschäftigt ist denn mit "komplexen historischen Lebensörtern". Die Beziehungen zwischen diesen beiden Städten ist für ihn auch wesentlicher als vergleichende Beziehungsanalysen, wie sie große repräsentative Ausstellungen zu Paris - Moskau oder Berlin - Moskau vorgenommen haben. Er ist jedoch auch der einzige der Autoren, der diese öffentlichkeitswirksamen "Events" zu historischen Korrespondenzen zwischen europäischen Städten überhaupt erwähnt. Die Vernachlässigung gerade der Position St. Petersburgs als russische Hauptstadt - und Hauptstädte sind für ihn der Spiegel ihrer Gesellschaften - komme deren nochmaliger "Zerstörung" gleich. Schlögel zeichnet in seiner Darstellung nach, inwieweit beide Hauptstädte auf unterschiedliche Art Orte der Moderne waren. Deren "Hauptträger" waren bereits damals die "transnationalen Eliten" und zwar die Eliten aller Herkunft, aus der Aristokratie, aus der Diplomatie und aus der Welt der neuen technischen Entwicklungen, nicht zu vergessen die geistigen Eliten aus den Bildungseinrichtungen und die "Deutschen" in Petersburg und die "Russen" in Berlin (nach 1917 als Emigranten), sowie als neues Element, die internationale Sozialdemokratie. Er verweist darauf, welcher Verlust im "Kulturtransfer" eintrat, als diese "transnationalen Eliten sich spalteten und ihre Funktion verloren." (149). In seinem Ausblick ist er jedoch optimistisch, dass beide Städte, aber auch viele andere, die im Laufe des 20. Jahrhunderts ihre Bedeutung verloren, gewissermaßen einer "Provinzialisierung" unterlagen, jetzt unter neuen Zeichen des Austausches ihre alte Funktion neu übernehmen werden, als "Schulen der Selbstorganisation des Lebens ihrer Bürger".(154) Es bleibt abzuwarten, ob dieser Optimismus gerechtfertigt ist, ob der transnationale Austausch wieder in den Städten Europas Fuß fasst, sie aus ihrem "Provinzialismus" lösen wird; sie aus dem Zustand der Strandung "auf der Sandbank der Zeit" befreien wird. Vermutlich ist die Vielfalt der europäischen Städte hier das entscheidende Pfund und nicht die Idee der "europäischen Stadt" allein.

Zwei andere Aufsätze beschäftigen sich ebenfalls mit einem paarhaften Vergleich von Städten. So vergleicht Dirk Schubert die "Pfadabhängigkeiten der Hafen- und Stadtentwicklung in Hamburg und London". Dabei geht er davon aus, dass im 19. Jahrhundert in vielen Hafenstädten wichtige Entscheidungen getroffen worden sind, die bis heute Wirkung zeigen. Von je her seien die Seehäfen "Kulminationspunkte von Neuerungen aus Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur" (107) gewesen, als Schnittstellen zwischen See- und Landverkehr. Zwar ist der Ausgang des Vergleichs zwischen London und Hamburg ein durchaus ungleicher, denn London ist bis zum 1. Weltkrieg die Stadt der englischen Weltherrschaft, während Hamburg sich erst nach der Gründung des Kaiserreiches zu dem wichtigsten deutschen Hafen entwickelte. Aber es gelingt ihm doch zu zeigen, dass die unterschiedlichen Organisationsformen der Hafenentwicklung und -bewirtschaftung - zwischen privater Organisation in London und städtischer Steuerung in Hamburg - zu unterschiedlich nachhaltigen Entwicklungen geführt haben, wobei die Entscheidung für den Bau von Docks in London und für einen offenen Tidehafen in Hamburg wegweisend für alle weiteren Entwicklungen waren. Dieser Aufsatz zeigt sehr deutlich, wie wichtig historische Analysen für das Verständnis der Gegenwart sein können.

Anja Nevanlinna vergleicht die Folgen und Wirkungen von Umnutzungen öffentlicher Räume. Beispielhaft untersucht sie die Beispiele der Pariser Hallen und einer ehemaligen Kabelfabrik in Helsinki in ihrem Wandel zu neuen Nutzungen, insbesondere für den allgemeinen Konsum und die Künste, denn:"the community gives meaning to the built form, and it gives meaning to the community". (229)

5. In dem Sammelband bilden drei Fallstudien einen eigenen inhaltlichen Block.

Ihor Zhaloba und Ihor Piddubnyj widmen sich der Entwicklung von Cernowitz, das in Österreich-Ungarn bis zum ersten Weltkrieg eine blühende Handelsmetropole war, gewissermaßen das Osttor dieses Reiches - heute an vielen Bauten noch erkennbar. Nach dem 1. Weltkrieg, im neuen, größeren Rumänien, wurde es zu dessen Nordtor, veränderte seine geographische und politische Orientierung, blieb aber Europa als Stadt verbunden, nicht zuletzt durch alte Eisenbahnverbindungen und Versuche, sich auch neuen Verkehrsmitteln zu öffnen, insbesondere dem Luftverkehr. Nach dem zweiten Weltkrieg gehörte Cernowitz zur sowjetischen Ukraine, was zur Folge hatte, dass "die westeuropäische Kulturtradition für fast ein halbes Jahrhundert" abbrach. (84). In dem Aufsatz kommt die europäische kulturelle Bedeutung von Cernowitz, etwa für die deutsche Literatur (Rose Ausländer und Paul Celan), zu kurz, da die Darstellung der Verkehrsanbindung im Vordergrund steht. Dies verweist aber auf Aspekte, die weiter bearbeitet werden sollten.

Magda Pinheiro beschäftigt sich in ihrem Aufsatz ebenfalls vorrangig mit "The Role of Transport Networks" - hier am Beispiel Lissabons. Eine Stadt, die aus ihrer geographischen Lage einst als Tor zu den Kolonien viele Vorteile zog, was sich aber heute nach deren "Verlust" eher nachteilig auswirkt. Auch viele Bemühungen, sich neueren technischen Entwicklungen zu öffnen, führten nicht zu Erfolgen. Auch haben die Versuche, den öffentlichen Verkehr an die weitere Entwicklung Lissabons anzupassen, angesichts des unkontrollierten städtischen Wachstums kaum Erfolg gehabt. Auch dies ist eine detailreiche Fallstudie, aber eben nur über die Verkehrsprobleme Lissabons, ohne Aspekte von Kommunikation und Urbanität, die der Untertitel des Buches verspricht.

Dobrinka Parusheva stellt in den Mittelpunkt ihres Aufsatzes den "Impact of Western Europe's Modernity on Southeast European Urban Space". Südosteuropa ist für sie der Balkan, der der europäischen Entwicklung in vielfacher Sicht hinterherhinke oder gar abgehängt sei: "The frustration of being in Europe but demarcated from it has been clearly pronounced in Balkan history." (191) Allerdings betont sie auch, dass diese "Distanz" der Bevölkerung entgegenkam, denn "they always remained strongly attached to one of the core Eastern characteristics: a lack of hurrying, a peace of mind, a readiness to enjoy life." (202) Moderne Entwicklungen haben also durchaus einen Doppelcharakter. Aber auch in diesem Aufsatz wird das Maß der Anbindung an Europe nur anhand des Vorhandenseins von Verkehrs- und Kommunikationsverbindungen bestimmt.

6. Aus der Referierung des Inhalts dieses Sammelbandes über "Städte im europäischen Raum" sollte deutlich geworden sein, dass es die europäische Stadt nicht gibt, sondern es gibt Städte in Europa, die eine vielfältige Stadtlandschaft bilden. Diese hat im Laufe des 19. Jahrhunderts, vor allem aber im 20. Jahrhundert viele Umbrüche erlebt, politische und soziale, wirtschaftliche und technische, die sich für die einzelnen Städte ganz unterschiedlich auswirkten. Sie konnten Phasen des Aufblühens und des Abstiegs, des Wiederaufstiegs und des Verblassens bedeuten, wobei es deutliche Unterschiede zwischen den Kern- und den peripheren Regionen gegeben hat und gibt, von den Folgen politischer Abschottungen ganz zu schweigen. Entwicklungen in der verkehrlichen Anbindung und in der Möglichkeit zu kommunizieren, europaweite Entwicklungen in Kultur und Wirtschaft aufnehmen und nutzen zu können, all dies beeinflusste die jeweilige Stadtentwicklung, gestaltete deren Urbanität. Die Entwicklung von "Verkehr, Kommunikation und Urbanität" in den europäischen Städten war nicht immer allen zugänglich, häufig eher elitär, denn egalitär geprägt. Eine Tatsache, die auch heute noch gilt, obwohl zu erkennen ist, dass Europa gegenüber anderen Weltregionen vergleichsweise insgesamt immer noch besser dasteht als andere, auch wenn seine Städte derzeit nicht mehr die Dynamik und Bedeutung, die sie im 19. Jahrhundert oder im frühen 20. Jahrhundert hatten, ausstrahlen.

Wendelin Strubelt