Rezension über:

Alois Weissthanner (†) (Bearb.): Die Regesten der Bischöfe von Freising. Band I: 739-1184. Fortges. und abgeschlossen durch Gertrud Thoma und Martin Ott (= Regesten zur bayerischen Geschichte), München: C.H.Beck 2009, L + 390 S., ISBN 978-3-406-37104-2, EUR 76,00
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Rezension von:
Roman Zehetmayer
Niederösterreichisches Landesarchiv, St. Pölten
Redaktionelle Betreuung:
Claudia Zey
Empfohlene Zitierweise:
Roman Zehetmayer: Rezension von: Alois Weissthanner (†) (Bearb.): Die Regesten der Bischöfe von Freising. Band I: 739-1184. Fortges. und abgeschlossen durch Gertrud Thoma und Martin Ott, München: C.H.Beck 2009, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 5 [15.05.2010], URL: https://www.sehepunkte.de
/2010/05/17480.html


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Alois Weissthanner (†) (Bearb.): Die Regesten der Bischöfe von Freising

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Die Anfänge des Werks gehen in die frühen fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts zurück, als Alois Weißthanner von der Kommission für Bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften mit der Bearbeitung der Quellen zu den Freisinger Bischöfen im Rahmen der "Monumenta Boica" beauftragt wurde. Der vielbeschäftigte Editor konnte das Werk zwar nicht mehr vollenden, hinterließ bei seinem Tod 1967 aber ein weitgehend druckfertiges Manuskript, das noch redaktionell zu überarbeiten und um die Register zu ergänzen war. Die Fertigstellung verzögerte sich zunächst, und erst das Engagement Martin Otts in den Jahren 2000/01 und Gertrud Thomas ab 2004 († 2009) führte zur Drucklegung. Da die Kommission die "Monumenta Boica" inzwischen eingestellt hatte, boten sich als Erscheinungsreihe nun die von der Kommission im Jahre 1992 ins Leben gerufenen "Regesten zur bayerischen Geschichte" an, in deren Rahmen bis dahin drei Bände Passauer Bischofsregesten veröffentlicht worden waren. [1]

Aufgenommen wurden von Weißthanner die von den Freisinger Bischöfen ausgestellten Urkunden und Briefe, sämtliche urkundliche Erwähnungen der Bischöfe sowie deren in anderen Quellen überlieferten Handlungen. Im Gegensatz zu den Passauer Regesten fanden Nachrichten zu Amtsbeginn oder zum Ableben bis auf Ausnahmen keine Berücksichtigung. Einbezogen wurde aber die gesamte bischöfliche Empfängerüberlieferung, selbst wenn Urkunden erst aufgrund späterer Besitzerwerbungen in das Freisinger Archiv kamen und mit dem eigentlichen Untersuchungsthema nichts zu tun haben. Ausgeklammert bleiben verständlicherweise die in kritischer Edition vorliegenden Freisinger Traditionen [2], wenn auch deswegen das durch den Band zu gewinnende Bild etwa der Besitzentwicklung fragmentarisch bleiben muss. Der ursprünglich vorgesehene Druck im Rahmen der "Monumenta Boica" bringt es mit sich, dass aufgrund der damaligen Intention dieser Reihe vor allem von den empfangenen Urkunden und Briefen Volltexteditionen angefertigt wurden, die sinnvollerweise im Nachhinein nicht mehr eliminiert wurden, so dass es sich beim vorliegenden Band um eine Mischung aus Edition und Regestenwerk handelt. Die kopialen Überlieferungen werden bis hin zu neuzeitlichen Einzelabschriften auch bei Vorlage der Originale angeführt und bei den Volltexteditionen die Varianten im Apparat ausgewiesen. Nicht ganz einzusehen ist, weshalb bei den Editionstexten ein überaus kleiner Schriftgrad gewählt wurde, die Anmerkungen aber einzeln untereinander aufgelistet werden, so dass erst recht Platz vergeudet wird. Besonders begrüßenswert sind die peniblen Angaben zur Verzeichnung der einzelnen Stücke in neuzeitlichen Archivrepertorien und die Wiedergabe der dort zu findenden Notizen etwa über den Erhaltungszustand. Zu jeder Nummer werden umfassende Angaben zu Drucken - nicht mehr berücksichtigt konnten die viele Freisinger Betreffe enthaltenden ersten Bände des Niederösterreichischen Urkundenbuchs (bis 1076) und der zweiten Reihe des Tiroler Urkundenbuchs (bis 1140) werden [3] - zu älteren Regesten und zur Literatur gemacht, die mitunter um einige veraltete Werke hätte bereinigt werden können. Bei jenen Urkunden, in denen die Bischöfe lediglich als Zeugen oder Intervenienten vorkommen, ist der Apparat verständlicherweise knapper ausgefallen. Vor allem die älteren Freisinger Siegelurkunden werden diplomatisch kommentiert (so wird eine Urkunde Ottos von Wittelsbach für Bischof Albert der Fälschung verdächtigt; Nr. 517), öfters finden sich auch Bemerkungen zum Inhalt. Die Formulierungen der Regesten sind durchwegs gelungen und treffen den Kern. Regelmäßig werden die Originaldatierungen, Zeugen aber nur manchmal angeführt. Den Band schließen Personen- und Ortsregister ab, in dem im Falle der österreichischen Städte und Dörfer zum Teil heute nicht mehr bestehende Gerichtsbezirkssprengel angegeben werden.

Inhaltlich dominieren bis ins 11. Jahrhundert Kaiserurkunden, in denen Freising vor allem nach der Überwindung der Ungarngefahr große Ländereien in den südöstlichen Marken übertragen oder bestätigt wurden. Aufgrund der phasenweise ausgeprägten Königsnähe kommen Bischöfe darüber hinaus häufig in Diplomen als Intervenienten vor (vor allem Abraham [957-993/4] und Egilbert [1005-1039], der einflussreicher Erzieher Kaiser Heinrichs III. war). Zu finden sind außerdem die Freising betreffenden sehr frühen besiegelten Privaturkunden Herzog Arnolfs (Nr. 77) und Herzog Bertholds (Nr. 81) aus dem 10. Jahrhundert. Im darauf folgenden setzen Briefe in stetig größer werdenden Menge ein, wobei zahlenmäßig die Tegernseer Briefsammlungen dominieren, interessante Einblicke etwa in die Rivalitäten im bayerischen Episkopat vermitteln aber auch Stücke der Admonter Briefsammlung. Siegelurkunden der Freisinger Bischöfe finden sich seit 1113, in größerer Zahl seit dem Pontifikat Bischof Ottos (1138-1158). Da bischöfliche Schenkungen etwa in den Stiften Weihenstephan oder Neustift bei Freising zunächst in Form von Traditionsnotizen niedergeschrieben wurden, kommt auch diese "Urkundenform" trotz des Weglassens der eigentlichen Freisinger Traditionen im Band häufig vor. Berücksichtigt wurden außerdem etwa Teilnahmen an Synoden, aber auch mit den Bischöfen zusammenhängende und kulturhistorisch bemerkenswerte Schreibervermerke. Unter Bischof Meginward (1078-1098) wurde ein kurzes Verzeichnis von zu Lehen ausgegebenen bzw. dem bischöflichen Dienst entzogenen Gütern aufgezeichnet (Nr. 266).

Dass in einem solch umfassenden Band manche Details anders gesehen werden können, liegt in der Natur der Sache: So ist etwa die Gleichsetzung der Eparesburg mit Mautern nicht sehr wahrscheinlich (Nr. 47) und die Grenzbeschreibung in der Gründungsurkunde des Stifts Ardagger (Nr. 208) interpoliert. Sachso, der Empfänger eines Diploms des Jahres 993, war kein Höriger (Nr. 108; de nostra proprietate bezieht sich auf das Schenkungsgut, nicht auf Sachso), die urbs Krems im Jahre 995 keine Stadt, sondern eine Burg (Nr. 116).

Insgesamt gesehen handelt es sich beim ersten Band der Freisinger Regesten um eine bemerkenswerte Leistung, die angesichts der enormen Materialfülle uneingeschränkte Anerkennung verdient und die Erforschung des Bistums auf neue Grundlagen stellen wird.


Anmerkungen:

[1] Die Regesten der Bischöfe von Passau, Bd. I: 731-1206. Bearb. Egon Boshof (München 1992), Bd. II: 1206-1254. Bearb. Egon Boshof (München 1999), Bd. III: 1254-1282. Bearb. Egon Boshof (München 2007) = Regesten zur Bayerischen Geschichte 1-3.

[2] Die Traditionen des Hochstifts Freising, Bd. I-II. Bearb. Theodor Bitterauf = Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte N. F. 4, 5 (München 1905-1909).

[3] Niederösterreichisches Urkundenbuch, Bd. I: 777-1076. Bearb. Maximilian Weltin / Roman Zehetmayer unter Mitarbeit von Dagmar Weltin / Günter Marian / Christina Mochty-Weltin = Publikationen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 8/1 (St. Pölten 2008); Tiroler Urkundenbuch. 2. Reihe: Die Urkunden zur Geschichte des Inn-, Eisack- und Pustertals. Bd. I: Bis zum Jahr 1140. Bearb. Martin Bitschnau / Hannes Obermair (Innsbruck 2009).

Roman Zehetmayer