Rezension über:

Volker Menze / Kutlu Akalin: John of Tella's Profession of Faith. The Legacy of a Sixth-Century Syrian Orthodox Bishop (= Texts from Christian Late Antiquity; Vol. 25), Piscataway: Gorgias Press LLC 2009, VII + 119 S., ISBN 978-1-59333-843-5, USD 53,00
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Rezension von:
Daniel Syrbe
Historisches Institut, FernUniversität Hagen
Redaktionelle Betreuung:
Sabine Panzram
Empfohlene Zitierweise:
Daniel Syrbe: Rezension von: Volker Menze / Kutlu Akalin: John of Tella's Profession of Faith. The Legacy of a Sixth-Century Syrian Orthodox Bishop, Piscataway: Gorgias Press LLC 2009, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 7/8 [15.07.2010], URL: https://www.sehepunkte.de
/2010/07/17092.html


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Volker Menze / Kutlu Akalin: John of Tella's Profession of Faith

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Das Konzil von Chalkedon markierte mit seinem Bekenntnis der zwei Naturen in Christus einen entscheidenden Punkt in der Entwicklung der Alten Kirche. Aus Sicht der Anhänger des Konzils wurde so eine christologische Definition gefunden, die die seit dem späten 4. Jahrhundert mit zunehmender Dynamik diskutierten Streitfragen lösen konnte. Für die Vertreter der die Einheit Christi betonenden miaphysitischen Christologie [1], zu deren Zentren Syrien gehörte, verfestige Chalkedon dagegen den bestehenden Dissens, da es, wie der miaphysitische Theologe Philoxenus von Mabbug im frühen 6. Jahrhundert konstatierte, "eine Unterscheidung vornimmt in Naturen, Attribute und Tätigkeiten, in himmlische und irdische Merkmale, göttliche und menschliche Eigenschaften. Es sieht ihn [Christus] an, als sei er zwei, und führt so die Vorstellung von vier (Personen in die Dreieinigkeit) ein". [2] Die theologischen Differenzen mündeten während der Herrschaft Justininans I. (527-565) letztlich in ein auch institutionelles Auseinanderdriften und die Formierung einer eigenständigen syrischen Kirche. [3]

Die scharfe und leidenschaftliche Kritik an Chalkedon schlug sich in einer Vielfalt von Schriften nieder, die überwiegend in syrischer Sprache verfasst oder - selbst dann, wenn die zugrunde liegende Diskussion in Griechisch geführt wurde - nur in syrischen Fassungen überliefert sind. [4] Diese Schriften sind zwar, wie Hartmut Leppin betonte, für die historische Forschung von besonderem Interesse, weil sie die "Perspektive der Regionen" wiedergeben und einer "Konstantinopelzentrierung" entgegen wirken, sie sind aber noch immer wesentlich schlechter aufgearbeitet, als griechischsprachige Texte zum Thema, woraus ein deutliches Ungleichgewicht in der Wahrnehmung und Bewertung der jeweiligen theologischen aber auch kirchenpolitischen Positionen seitens der Forschung resultiert. [5] Als geradezu symptomatisch für diesen unzureichenden Forschungsstand kann das hier vorzustellende, von Volker Menze und Kutlu Akalin edierte Glaubensbekenntnis des Johannes von Tella gelten. [6] Das einzige Manuskript, das dessen Text überliefert, wurde im Bestand der British Library zwar bereits 1870/71 katalogisiert, Kirchenhistoriker und Orientalisten des späten 19. und 20. Jahrhunderts nahmen es aber allenfalls beiläufig zur Kenntnis (1). Menze und Akalin legen somit die erste Gesamtausgabe des Textes vor, bei der sich Akalin für die Edition des syrischen Textes und die englische Übersetzung, Menze - als ausgewiesener Spezialist für die Geschichte der syrischen Kirche [7] - für die vorangestellte Einführung zu Autor und Werk verantwortlich zeigt (vii).

Das Glaubensbekenntnis des Johannes von Tella zielt auf die theologische und kirchenpolitische Positionierung des Bischofs gegenüber den Mönchen in seinem Autoritätsbereich. Zentrales Anliegen ist nicht die Erörterung theologischer Fragen, sondern vielmehr die prägnante Darlegung zentraler Positionen des eigenen, im Wesentlichen durch die Ablehnung des Konzils von Chalkedon geprägten Glaubens. [8] Im ersten Teil polemisiert Johannes gegen jenes Konzil und bedient sich dabei wie der eingangs zitierte Philoxenus von Mabbug des klassischen miaphysitischen Arguments, dass das Chalkedonense Christus in zwei Personen trennen und daher der Trinitätslehre widersprechen würde (66-74, fol.220b-222a). Im zweiten Teil formuliert der Bischof zentrale Bekenntnissätze des eigenen Glaubens. An erster Stelle steht natürlich das ausdrückliche Bekenntnis zur Trinität, die Johannes zufolge gewahrt wird durch das Bekenntnis zu Christus als - in Akalins Übersetzung - "union that has become from Divinity and from humanity" (78, fol.223a), so dass "He was one, not two" (76, fol.222b). Es folgt das Bekenntnis, dass "He who died for our sake was not mortal [...] for, through the death of a mortal, human salvation is not granted to mortals [...] He was not mortal in His nature" (80, fol.223a). Die Passage verdeutlicht die erwähnte Zielsetzung, die der Bischof mit seiner Schrift verfolgt: Johannes erörtert diesen in der Spätantike umstrittenen Standpunkt nicht, sondern behandelt ihn als miaphysitisches Dogma. Das Glaubensbekenntnis endet mit der Aufforderung an die Mönche, jegliche Kommunion mit Häretikern zu meiden, den eigenen Glauben standhaft zu vertreten und offensiv zu verbreiten (94-98, fol.225b-226b).

Diese abschließende Mahnung spiegelt die historische Bedeutung des Johannes von Tella für die Formierung der syrischen Kirche, die Volker Menze in der Einführung zum Text umreißt. In deren ersten Kapitel skizziert Menze die fortdauernde christologische Kontroverse vom Konzil von Chalkedon bis zum acacianischen Schisma und den 519 vom römischen Bischof Hormisdas in Reaktion auf dieses verfassten libellus ("The Aftermath of the Council of Chalcedon [451]", 3-5).

Das zweite Kapitel befasst sich mit Johannes' Biographie und Werk ("The Author: John of Tella", 7-17). Menze skizziert dessen Lebensweg bis zur Weihe zum Bischof von Tella im Jahr 519 in kurzen Strichen. Seinen Bischofssitz musste Johannes zwar bereits zwei Jahre später infolge der forcierten Religionspolitik Kaiser Justins I. verlassen, er nahm aber 532/33 an dem von Justins Nachfolger Justinian anberaumten Religionsgespräch in Konstantinopel teil. Dieses brachte jedoch keinen Ausgleich zwischen den theologischen Parteien und damit für Johannes keine Restituierung als Bischof. In den Jahren seines Exils engagierte Johannes sich für den Aufbau einer eigenständigen, von Konstantinopel sowohl theologisch als auch politisch unabhängigen Kirche. Die spätantiken Viten des Johannes bezeichnen ihn als einen der energischsten Verfechter des miaphysitischen Bekenntnisses, dessen große kirchenpolitische Leistung war, dass er offenbar tausende - die Viten sprechen von 170.000 - Priester und Diakone ordinierte und so "a non-Chalcedonian underground ecclesiastical hierarchy" schuf, die "the first independent hierarchy of the later so called Syrian Orthodox Church" begründete (8f.). Zudem trug er dazu bei, dass der syrischen Kirche der "spread beyond the Roman Boarder" gelang (9).

Im dritten Kapitel ("John of Tella's Profession of Faith", 19-54) richtet Menze den Fokus auf die Datierung der Schrift sowie auf inhaltlich-argumentative Aspekte im Glaubensbekenntnis, wobei v.a. Johannes' Häresiologie und die herausgehobene Rolle des Apostels Paulus zu nennen sind. Die Datierung des Textes erweist sich als problematisch. Menze plädiert für einen späten Ansatz zwischen 533 und 538, wobei er 536/37 favorisiert. In seiner Argumentation gegen Chalkedon setzt Johannes die Anhänger des Konzils einerseits mit Nestorianern gleich und bedient damit eine fest verwurzelte miaphysitische Auffassung. Andererseits schließt er in seine Häretikerliste (82, fol.223b) auch ältere Theologen ein, die mit den christologischen Kontroversen rund um das Chalkedonense nichts zu tun haben. Nach Menze unterstreicht dieser "inclusive approach" Johannes' "claim on orthodoxy" (28). Der Apostel Paulus ist im Bekenntnis und wohl auch im Leben des Johannes die positive Schlüsselfigur, sein "biblical alter ego" (38), und die Gemeinde von Korinth diente Johannes offenbar als ekklesiogisches Modell (39). Indem Johannes hinsichtlich der Tradition und des Aufbaus der Kirche ein "Pauline counter-image" (40) formulierte, wies er, so Menze, die Ansprüche des römischen Bischof Hormisdas auf Vorrang unter den Patriarchaten und des byzantinischen Kaisers, Schutzherr einer in Konstantinopel definierten 'Orthodoxie' zu sein, zurück (43).

Mit ihrer zweisprachigen, gut lesbaren und mit einem ergiebigen Anmerkungsapparat versehen Textausgabe schenken Menze und Akalin einem lange unterschätzten Theologen und Kirchenpolitiker die ihm gebührende Aufmerksamkeit. Zwar könnten die Erläuterungen zu theologischen Fragen die syrische Terminologie im Glaubensbekenntnis stärker einbeziehen, weil sich so eine Vergleichbarkeit der Argumentation mit griechischen Schriften ergäbe. Menze und Akalin betonen aber auch, dass ihre Arbeit den Text v.a. einem weiteren Forscherkreis zugänglich machen und als Grundlage und Anregung für zukünftige Arbeiten dienen soll. Diesem Ziel wird das Buch zweifelsohne mehr als gerecht.


Anmerkungen:

[1] Der Terminus "miaphysitisch" ersetzt in der neueren Forschung zunehmend das theologisch problematische "monophysitisch", s. Pauline Allen: Art. "Monophysiten", in: Theologische Realenzyklopädie Bd. 23, 1994, 219; Mischa Meier: Das andere Zeitalter Justinians. Kontingenzerfahrung und Kontingenzbewältigung im 6. Jahrhundert n.Chr., (Hypomnemata 147), Göttingen 2003, 19f., A.37; Christian Lange: So dass wir miteinander jenen Glauben bekennen können, der uns gemeinsam ist. Überlegungen über zwei westliche Bezeichnungen für zwei christologische Positionen des fünften und sechsten Jahrhunderts aus dem christlichen Orient, in: Ostkirchliche Studien 53, 2004, 287-308, bes. 304f.; Hartmut Leppin: (K)ein Zeitalter Justinians - Bemerkungen aus althistorischer Sicht zu Justinian in der jüngeren Forschung, in: Historische Zeitschrift 284, 2007, 678. Im vorzustellenden Buch folgen Menze und Akalin 4, A.4 grundsätzlich dem Perspektivwechsel der Forschung, verwenden im Folgenden aber die Bezeichnung "non-Chalcedonian", die aber die Schwierigkeit mit sich bringt, dass sie eine Einheitlichkeit suggeriert, die die heterogene Gruppe der Gegner des Chalkedonense nicht aufwies.

[2] Philoxenus von Mabbug in seinem Glaubensbekenntnis, Übersetzung in: Heinrich Karpp: Textbuch zur altkirchlichen Christologie. Theologia und Oikonomia, Neukirchen-Vluyn 1972, 143f. (Nr.176).

[3] Zur Religionspolitik Justinians I. s. Meier, Zeitalter, 215-223, 273-291 und bes. zur Formierung der syrischen Kirche Volker L. Menze: Justinian and the Making of the Syrian Orthodox Church, Oxford 2008.

[4] Hugh Kennedy: Syria, Palestine and Mesopotamia, in: The Cambridge Ancient History XIV: Late Empire and Successors, ed. by Averil Cameron, Cambridge 2000, 599 und John F. Healey: Art. "Syriac", in: The Blackwell Dictionary of Eastern Christianity, ed. by Ken Parry u.a., Oxford 1999, 466.

[5] Leppin, Zeitalter (wie Anm.1), 668.

[6] Johannes von Tella wird in spätantiken Texten und in der Forschungsliteratur auch Johannes bar Kursos bzw. Johannes bar Qrsos genannt, W. deVries: Art. "Johannes bar Kursos", in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 5, Freiburg 1960, 1007; P. Bruns: Art. "Johannes bar Kursos", in: Lexikon der antiken christlichen Literatur, Freiburg, 2. Aufl. 1999, 351. Menze / Akalin (7) entscheiden sich für "John of Tella", weil dies die in den Quellen am häufigsten verwendete Namensform ist. Johannes Bischofssitz Tella tritt im Glaubensbekenntnis unter dem Namen Constantia auf, heute Viranşehir im Südosten der Türkei.

[7] Menze, Justinian (wie Anm.3).

[8] Das autoritative Verhältnis zwischen Bischöfen und Mönchen gestaltete sich in der syrischen Kirche häufig schwierig und konfliktträchtig, s. Jennifer L. Hevelone-Harper: Ecclesiastics and Ascetics: Finding Spiritual Authority in Fifth and Sixth-Century Palestine, in: Hugoye: Journal of Syriac Studies 9/1, 2006.

Daniel Syrbe