Rezension über:

Wilfried Hansmann: Das Gartenparterre. Gestaltung und Sinngehalt nach Ansichten, Plänen und Schriften aus sechs Jahrhunderten (= Grüne Reihe. Quellen und Forschungen zur Gartenkunst; Bd. 28), Worms: Wernersche Verlagsgesellschaft 2009, 395 S., 525 teils farb. Abb., ISBN 978-3-88462-283-4, EUR 94,00
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Rezension von:
Stefan Schweizer
Institut für Kunstgeschichte, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf
Redaktionelle Betreuung:
Julian Jachmann
Empfohlene Zitierweise:
Stefan Schweizer: Rezension von: Wilfried Hansmann: Das Gartenparterre. Gestaltung und Sinngehalt nach Ansichten, Plänen und Schriften aus sechs Jahrhunderten, Worms: Wernersche Verlagsgesellschaft 2009, in: sehepunkte 11 (2011), Nr. 10 [15.10.2011], URL: https://www.sehepunkte.de
/2011/10/18011.html


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Wilfried Hansmann: Das Gartenparterre

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Wilfried Hansmanns Werk zur Geschichte des Gartenparterres ist das Ergebnis einer mehrere Jahrzehnte währenden Beschäftigung des Autors mit Themen der europäischen Gartenkunst. Obgleich man den Gegenstandsbereich der Studie, das ornamentale Zierbeet, mithin das oftmals prominenteste Ausstattungselement einer frühneuzeitlichen Gartenanlage, für schmal halten könnte, beeindruckt die schiere Stoffmenge der Arbeit. Ein nach Personen, Orten und Begriffen unterteiltes Register am Ende erleichtert die Orientierung für die Leserin und den Leser.

Hansmann steht angesichts der Unbeständigkeit seines Gegenstands vor einem die gartenkunsthistorische Forschung geradezu charakterisierenden Problem. Die Fragilität und Vitalität gartenkünstlerischer Materialen haben in den allermeisten Fällen dazu geführt, dass der Gegenstand als authentisches Werk in situ nicht mehr existiert. Dort, wo es sich noch heute studieren lässt, handelt es sich unweigerlich um Rekonstruktionen, zumal solche aus unterschiedlichen Phasen der Gartendenkmalpflege. Im Untertitel scheint Hansmann anzudeuten, dass er sich der Problematik bewusst ist, wenn er Ansichten, Pläne und Schriften zum eigentlichen Gegenstand seiner Studie macht. Die Distanz zwischen den verlorengegangenen Parterres und deren Manifestationen in Beschreibungen sowie bildlichen Darstellungen unterschiedlichster Medien problematisiert der Autor jedoch nicht. Vielmehr möchte er das Quellenmanko als einen Vorteil verstanden wissen, denn wir könnten so "mit dem Blick der Menschen, die diese Wunderwerke schufen und genossen", auf die Parterres blicken.

Leider ist diese Marginalie symptomatisch für das Grundverständnis des Buches: Hansmann schreibt die Geschichte des Gartenparterres, indem er das von ihm zusammengetragene vielfältige Bild- und Textmaterial in einer chronologischen Abfolge darlegt, gegliedert vorgeblich nach Quellengattungen. Das Unbehagen setzt bereits mit der Abfolge der Kapitel ein: Zunächst klärt Hansmann "Begriff und Eigenschaft" (Kap. 1) seines Untersuchungsgegenstands, ehe er eine Systematisierung nach Parterre-Typen vornimmt (Kap. 2). Bevor das Material ausgebreitet wird, bevor es zu irgendeiner Art von Kontextualisierung oder historiografischer Rückbindung kommt, bevor wir über die medialen und archivalischen Parameter des Gegenstands aufgeklärt werden, bietet uns der Autor eine Form- und Materialtypologie, die wohl als Ergebnis einer solchen Abhandlung akzeptabel und wünschenswert gewesen wäre. Am Beginn einer Arbeit platziert, annonciert sie aber der Leserin und dem Leser eine überzeitliche Gültigkeit, die ein bezeichnendes Licht auf den Umgang mit dem historischen Material wirft. Die Begrifflichkeiten für einen Gegenstand werden präsentiert, ohne deren Entwicklung auch nur ansatzweise geklärt zu haben.

Hansmann gliedert seinen Stoff nach "Gartenparterres in Dichtung, Traktaten und Musterentwürfen" (Kap.3) sowie nach solchen in "Ansichten, Plänen und Schriften" (Kap. 4). Warum er diese Trennung für notwendig erachtet, erfahren wir ebenso wenig, wie die Beziehungen zwischen diesen Quellengattungen thematisiert werden. So werden Parterredarstellungen Joseph Furttenbachs einmal unter Traktaten und dann unter Ansichten bzw. Plänen diskutiert, entspringen aber jeweils der Traktatgattung, was auch für andere Beispiele gilt. Damit erfahren wir leider nichts zum Stellenwert der Traktate für die Entwurfspraxis, wobei deren Autoren regelmäßig auch als Gartenentwerfer in Erscheinung traten. Die ganz überwiegende Beschränkung der exemplarischen Analyse auf gedruckte Parterredarstellungen lässt zudem die reichen Archivbestände an solchen Entwürfen völlig unberücksichtigt. Allein die auf Architekturzeichnung spezialisierte Datenbank der Deutschen Fotothek Dresden stellt Digitalisate von Hunderten Parterrezeichnungen zur Verfügung - vermutlich nur ein Bruchteil des Überlieferungsbestands.

Jenseits der Gattungen des theoretischen Entwurfs und der Darstellung unterscheidet Hansmann nach Bepflanzungsplänen für Blumenstücke (Kap. 5), nach Gartenparterres mit Sondercharakter (Kap. 7) sowie solchen des 19. und 20. Jahrhunderts (Kap. 8). Wie für die beiden Hauptkapitel wird auch für diese Kapitel die Unterteilung des Stoffes mit keinem Wort erläutert, geschweige denn legitimiert. Müssten nicht auch gärtnerisch gestaltete Plätze wenigstens für das 18. und 19. Jahrhundert mit einbezogen werden? Warum es eines Kapitels über Springbrunnen, Skulpturen und Skulpturenprogramme (Kap. 6) bedurfte, wird nicht klar, zumal der Autor hier keinen Bezug zur Parterrethematik herstellt.

Die Arbeit kennzeichnet durchweg ein mangelhaftes Quellenverständnis. Hansmann hält die Abbildungen und Texte für die historische Realität und nicht für das, was sie sind: historische Bild- und Textzeugnisse, die unterschiedlichsten funktionalen und ästhetischen Erwartungen angepasst wurden und mitnichten die historische Realität einfach so "abbilden". Es kann keinen Zweifel daran geben, dass diese Vorgehensweise in quellenkritischer Hinsicht wissenschaftlichen Prinzipien nicht gerecht wird.

Schematisch wird ein Autor bzw. ein Werk nach dem anderen abgehandelt. Versuche einer Systematisierung sind nicht zu verzeichnen. Wie, so fragt man sich, kann man die römischen Gärten des 17. Jahrhunderts analysieren, ohne Funktion, ästhetische Prämissen und verlegerische Rahmenbedingungen der zugrundeliegenden Stiche einzuberechnen? Wie kann man die Parterres in den königlichen Gärten Frankreichs zum Gegenstand machen, wenn die königliche Bildpolitik, der wir die Stichserien verdanken, unberücksichtigt bleibt? Anstatt die Medialität der Parterredarstellungen zu reflektieren und innerhalb der Medien nach Rezeptions- und Transfermustern zu fragen, wird die Sphäre der bildlichen und textlichen Informationen durchweg als historische Realität behandelt. Bei zahlreichen Parterreentwürfen fragt man sich angesichts der ornamentalen Komplexität, wie das pflanzlich umgesetzt worden sein kann. Ein großer Teil der Entwürfe stand in einem repräsentativen Rahmen und darin erschöpft sich oft ihre Primärfunktion.

Für die visuelle Ebene seiner Quellen entwickelt Hansmann weder Sinn für Schematisierung und Stilisierungen noch für die mit solchen Darstellungen einhergehenden Bildgebungsverfahren. Wie getreu kann eine Parterredarstellung des 17. Jahrhunderts aus der Vogelschau, mithin aus einer imaginären Perspektive, eigentlich sein? Kam es Zeichnern, Stechern, Malern wirklich bei jeder Gelegenheit darauf an, jedes Gartendetail ins Bild zu setzen? Kann die Anzahl der oft nur schematisch eingetragenen Bäume, Sträucher, Blumen usw. tatsächlich als realistische numerische Angabe betrachtet werden? Oder musste man nicht doch an der einen oder anderen Stelle eine Hecke, ein Bauwerk, einen Brunnen kleiner darstellen, tilgen oder an einem anderen Ort platzieren, um etwa die Staffagefiguren sichtbar machen zu können?

Als Manko ist zudem der Umstand zu bewerten, dass Hansmann die Entwicklung des Parterres nicht in die Ornament- bzw. Ornamentstichgeschichte einfügt. Dies wäre zweifellos der angemessene kunsthistoriografische Rahmen gewesen, in dem im Übrigen auch die Entwerfer operierten. Den Begriff Ornamentstich als Kennzeichnungen einer Gattung, die Muster für Wandvertäfelungen, Groteskenmalerei, Möbel und Textilkunst bis zu den Parterres der Gartenkunst zur Verfügung stellte, vermisst man. Lediglich mit Blick auf zwei Protagonisten, Jean Berain d.Ä. und Jean Marot, thematisiert Hansmann diesen Rahmen und lässt ansatzweise aufscheinen, dass für Gartenparterres und Stickereiornamente oft wohl dieselben Stichvorlagen zum Einsatz kamen, was bereits um 1600 im Begriff Broderieparterre (Parterreornamente nach Art von Stickmustern) Ausdruck findet.

Um das Textverständnis ist es nicht besser bestellt, dafür nur einen Beleg: Um die Stellung André Le Nôtres zu belegen, paraphrasiert Hansmann vorgeblich eine Aussage Dezallier d'Argenvilles, der Le Nôtre "sogar die Erfindung der Gartenkunst" zugeschrieben habe. Im Original heißt es: "on peut regarder comme le créateur de l'art du jardinage". Dem Zitat ist das Gegenteil von Hansmanns Aussage zu entnehmen. Dezallier macht mit seiner Rhetorik der Übertreibung deutlich, dass Le Nôtre keineswegs der Erfinder sei, sondern man ihn angesichts seiner Werke dafür halten könnte. Die Beobachtung, dass der Diskurs über die Realität, und das gilt für Texte wie für Bilder, nicht mit der Realität identisch ist, ist mindestens 40 Jahre alt.

Angesichts der beeindruckenden Stofffülle ist der fahrlässige methodische Zuschnitt dieser Arbeit umso bedauerlicher. Neue Horizonte eröffnet das Buch für die Kunstgeschichte daher nicht, obgleich das Potential der Thematik angedeutet wird, wenn Hansmann etwa eine industriell genutzte Wachsbleiche des mittleren 18. Jahrhundert vorstellt, die analog zu Parterres organisiert war. Zudem richtet sich sein Blick auch auf Teppichbeete des 19. Jahrhunderts, auf die neobarocken Parterres der Duchêne, auf die Farbgärten Olbrichs sowie die modernistischen Designs Guévrikans in Frankreich. Gleichwohl, nutzt man das Buch wie einen Steinbruch, müssen die dargelegten Informationen prinzipiell einer literatur- und bildwissenschaftlichen sowie ornamentgeschichtlichen Quellenkritik unterzogen werden, die diesem Namen gerecht wird.

Stefan Schweizer