Rezension über:

Martin J. Schröter: Das Kloster Reinfeld. Eine geistliche Institution im Umfeld der Hansestadt Lübeck (1186-1582) (= Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins; Bd. 117), Neumünster: Wachholtz Verlag 2012, 614 S., 28 teilw. farbigen Abb., 6 Karten, 3 Stammtafeln, ISBN 978-3-529-02217-3, EUR 38,00
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Martin J. Schröter: Das Kloster Reinfeld. Besitzgeschichte (= Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins; Bd. 118), Neumünster: Wachholtz Verlag 2012, 665 S., ISBN 978-3-529-02218-0, EUR 38,00
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Rezension von:
Jan Ulrich Büttner
Institut für Geschichtswissenschaft, Universität Bremen
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Jan Ulrich Büttner: (Rezension), in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 6 [15.06.2013], URL: https://www.sehepunkte.de
/2013/06/22307.html


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Martin J. Schröter: Das Kloster Reinfeld

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Die Klosterlandschaft an den nördlichen Grenzen des Reiches in den heutigen Regionen Nordschleswig, Schleswig-Holstein und in Hamburg war im Früh- und Hochmittelalter nicht sehr dicht. Erst gegen Ende des 12. Jahrhunderts und dann im Verlauf des 13. Jahrhunderts beginnen überhaupt Konvente in nennenswerter Zahl zu entstehen. Es sind vor allem die Reformorden der Zisterzienser/innen, Dominikaner und Franziskaner, die sich hier im Norden ansiedelten.

Der 1186/90 gegründeten Zisterze Reinfeld, eines von nur vier Zisterzienserklöstern im genannten Gebiet, hat Martin J. Schröter eine voluminöse Monographie in derzeit zwei Bänden gewidmet. Der erste Band beschäftigt sich mit der "Geschichte", der zweite Band mit der "Besitzgeschichte" des Konvents.[1]

Im ersten Band wird die Geschichte in sieben großen Kapiteln entwickelt. Dabei möchte Schröter sich vor allem auf das Spannungsfeld zwischen der religiösen Stiftung und ihrer Mitwelt (I, 13) konzentrieren. Als Mitwelt wird hier im wesentlichen Lübeck verstanden, das am dichtesten an der Großgrundherrschaft des Klosters lag. Mehr oder weniger solle daher "explizit der Frage nachgegangen werden, ob und inwieweit Kirche [...] die allgemeine Entwicklung behindert oder gar Menschen Druck und Repression ausgesetzt hat." (I, 14) Etwas später nennt der Autor noch die Untersuchung des Klosters als "Knotenpunkt mittelalterlicher Kommunikation zunächst religiöser, dann aber auch politischer Art" (I, 29) als Gegenstand der Arbeit. Der Chronologie wird dabei leidlich Rechnung getragen. Zwar beginnt die Darstellung mit den Voraussetzungen zur Gründung und der Gründung des Klosters (Kapitel 2 & 3) und endet mit der Reformation und seiner Auflösung 1582 (Kapitel 7). Dazwischen jedoch untersuchen die Kapitel eher themengebunden zeitübergreifend verschiedene Aspekte der Klostergeschichte. Den Außenbeziehungen und Konfliktvermittlungen widmet sich Kapitel 4, dem Speculum abbatis (Abtsspiegel) Abt Friedrichs von 1440 das 5. und der Klosterwirtschaft das 6. Kapitel. Die einzelnen Kapitel enthalten jedoch weit mehr, als die Überschriften, auch die der kleinteiligen Binnengliederung, erahnen lassen.

Grundsätzlich ist die Quellenlage für Reinfeld erstaunlich gut. Wie so häufig aber ist gerade die Gründung nur annäherungsweise darstellbar. In einem weiten Bogen legt Schröter erst einmal die Kreuzzüge, die Entwicklung des Ordens der Zisterzienser und die Ostsiedlung als "zeitgenössische Strömungen" (I, 27) dar. Da es keine zeitgleichen Quellen zur eigentlichen Gründung Reinfelds gibt, konstruiert Schröter aus parallelen Ereignissen bei anderen Zisterziensergründungen einen wahrscheinlichen Verlauf.

Schon hier fällt auf, was vor allem den ersten der beiden Bände durchgehend charakterisiert: Der Autor weitet einzelne Aspekte oder Einzelpunkte in der Argumentation immer wieder zu mehr oder weniger umfangreichen Spezialuntersuchungen innerhalb der Darstellung aus. Jedem Weg zur Erlangung einer Erkenntnis oder zu deren Überprüfung wird nachgegangen. Immer wieder wird die Geschichte der Klöster Loccum (Reinfelds Mutterkloster), Marienfeld, Neuenkamp oder Doberan zum Vergleich herangezogen und dargestellt. So findet sich der Leser im Abschnitt über die Gerichtsherrschaft des Klosters unversehens in Überlegungen zu dem Aussagewert eines lateinischen Satzes wieder, der auf syntaktischer und semantischer Ebene untersucht wird, in diesem Fall leider ohne die deutsche Übersetzung (I, 117ff). Wenn es um die Armenfürsorge geht, wie sie im Speculum abbatis postuliert wird, werden lange cluniazensische Traditionen erörtert und die Gepflogenheiten des Klosters Loccum dargestellt (I, 347ff).

Den ersten Band schließt eine zusammenfassende Darstellung als Rückblick ab. Zur Orientierung in der Klostergeschichte empfiehlt sich deren Lektüre zuerst.

Die Geschichte der Besitzungen des Klosters stellt Schröter im zweiten Band dar, geographisch ausgehend vom Kloster. Zuerst wird die wirtschaftliche Grundlage von Abtei und Kellerei untersucht. Die dem Kloster nächstgelegenen Besitzungen wurden im Auftrag des Abtes bewirtschaftet. Die etwas südlicher gelegenen Grundherrschaften bewirtschaftete der Cellerar, um die Konventsmitglieder zu versorgen. Danach beleuchtet Schröter den Erwerb, die Entwicklung und die wirtschaftliche Bedeutung der weiteren Besitzkomplexe jeweils von ihrem ersten Auftauchen in den Quellen bis zum Ende der Abtei. In der Einleitung wird darauf hingewiesen, dass sich "strukturpolitische Maßnahmen" für Schenkungen und Verkäufe an das Kloster meist nur "mikropolitisch" erschließen ließen. Auch die "territorialpolitischen Funktionen" der sich immerhin über gut zehn Landesherrschaften erstreckenden Grundherrschaft und ihre herrschaftssichernde Funktion wird angesprochen (II, 16f). In den sich anschließenden 450 Seiten wird auch immer wieder darauf Bezug genommen, doch gerade dieser besitzgeschichtlichen Untersuchung hätte eine abschließende Gesamtschau der Entwicklungen, Veränderungen, Einflussnahmen und Einflüsse gutgetan. In der verwirrenden Fülle von Daten über Abgaben, Zahlungen, Fälligkeiten und Verpflichtungen der Klosterleute gehen diese übergreifenden Hintergründe schnell verloren.

Der Autor legt Wert darauf, nicht nur für ein Fachpublikum zu schreiben, sondern auch für interessierte Laien. Ausgesprochen leserfreundlich ist die durchgängige Zweisprachigkeit lateinischer Quellenzitate. Auch die Hinweise auf Grundlagen und Hilfswissenschaften der Forschung (II, 17f), wie die Erläuterung des Aufbaus mittelalterlicher Urkunden (I, 60, Anm. 138), mag das Verständnis erleichtern. Andererseits wird der Leser immer wieder mit sehr gründlichen, kleinteiligen Argumenten und Erörterungen konfrontiert, die zur Erlangung von Einzelerkenntnissen notwendig sind, jedoch den Lesefluss und den jeweiligen Zusammenhang arg in den Hintergrund treten lassen.

Beide Bände enthalten Abbildungen in guter Qualität und besonders der zweite Band besticht durch sehr gutes historisches und modernes Kartenmaterial. Die Untersuchung wird durch ein quellengestütztes Verzeichnis der Klosteroffizialen beendet und durch ausführliche und treffsichere Register der Personen, Orte und Sachen erschlossen. Diese befinden sich, wie auch das Quellen- und Literaturverzeichnis, allerdings im zweiten Band. Die Arbeit erhielt 2010 den Preis der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte. Der Autor stellt die Geschichte des Klosters auf gut 1040 Seiten dar und muss doch einräumen, dass er einige Bereiche der Geschichte nicht ausreichend oder überhaupt berücksichtigen konnte (I, 15). Aber auch so legt Schröter mit der zwei- (bald drei-)bändigen Geschichte des Klosters Reinfeld eine an Informationen überbordende Darstellung vor, deren immer wieder eingeschobene Erörterungen sich in ihrer Kleinteiligkeit häufig spannend lesen, jedoch einen sehr langen Atem voraussetzen.


Anmerkung:

[1] Ein dritter Band ist angekündigt und wird demnächst erscheinen. Er wird sich mit den Kloster- und Amtsbüchern Reinfelds des 16. und 17. Jahrhunderts der Region Storman beschäftigen. Die Verlagsanzeige verspricht dadurch einen Einblick in das Leben der "'kleinen Leute' der Bauern und unterbäuerlichen Dorfbewohner."

Jan Ulrich Büttner