Rezension über:

Christopher P. Dickenson / Onno M. van Nijf (eds.): Public Space in the Post-Classical City. Proceedings of a One Day Colloquium held at Fransum 23rd July 2007 (= CAECULUS; 7), Leuven: Peeters 2013, XXII + 224 S., ISBN 978-90-429-2653-0, EUR 40,00
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Rezension von:
Barbara Sielhorst
Deutsches Archäologisches Institut, Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Barbara Sielhorst: Rezension von: Christopher P. Dickenson / Onno M. van Nijf (eds.): Public Space in the Post-Classical City. Proceedings of a One Day Colloquium held at Fransum 23rd July 2007 , Leuven: Peeters 2013, in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 12 [15.12.2013], URL: https://www.sehepunkte.de
/2013/12/23402.html


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Christopher P. Dickenson / Onno M. van Nijf (eds.): Public Space in the Post-Classical City

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Der in diesem Jahr erschienene Tagungsband ist das Ergebnis eines 2007 veranstalteten Kolloquiums zu öffentlichen Räumen in der nachklassischen Stadt. Die Veranstaltung wurde von Doktoranden der Universität Groningen organisiert, deren Dissertationen sich thematisch mit dem öffentlichen Raum im Hellenismus oder der römischen Kaiserzeit auseinandersetzen. In Form von sieben, chronologisch geordneten Kapiteln werden unterschiedliche Aspekte öffentlicher Räume der nachklassischen Zeit näher besprochen. Ziel der Initiatoren ist es, an Hand von Fallstudien sowohl aktuelle Forschungen zum Thema, als auch unterschiedliche methodische Herangehensweisen zu präsentieren. Die Nachwuchswissenschaftler verstehen ihre Publikation als Teil des wiederauflebenden Interesses der Altertumswissenschaften am Raum (Stichwort: spatial turn) und machen es sich zur Aufgabe, das reziproke Verhältnis zwischen Raum und Gesellschaft näher zu beleuchten.

Inhaltlich spannt der Band einen weiten Bogen von karischen Heiligtümern (1. Kapitel), über die Repräsentation hellenistischer Herrscher auf Agorai (2. Kapitel), republikanische Forumsanlagen latinischer Kolonien (3. Kapitel), kaiserzeitliche Agorai in Kleinasien (4. Kapitel), öffentliche Plätze in Aphrodisias (5. Kapitel), Gebäudestiftungen in Kleinasien (6. Kapitel) bis hin zum Bauprogramm Trajans in Rom (7. Kapitel). Die Einführung bietet eine forschungsgeschichtliche Einordnung des Bandes sowie konzise Zusammenfassungen der einzelnen Texte. Zu Recht betonen die Herausgeber an dieser Stelle, dass der Fokus einmal nicht auf den üblicherweise im Rahmen dieses Themas behandelten Orten wie dem klassischen Athen und dem republikanischen Rom liegt. Die chronologisch Reihenfolge der Beiträge ist sinnvoll, die Ausstattung mit Schwarzweißabbildungen im Text ausreichend und die an jeden Beitrag anschließende Bibliographie praktisch. Ein Stichwortregister hätte den Band positiv abgerundet.

Den Anfang macht der einzige Beitrag zu Heiligtümern von Christina Williamson (1-36). Sie untersucht die politische Bedeutung von Labraunda und Sinuri in der Chora von Mylasa in Karien. Zahlreiche Inschriften in Labraunda zeigen, dass das Heiligtum seit der Mitte des 4. Jh. v. Chr. ein wichtiger Ort für die Repräsentation der Herrscherdynastie der Hekatomniden war. Erst nach dem Ende der Dynastie im 3. Jh. v. Chr. wurde verstärkt die Polis Mylasa im Heiligtum aktiv. Die Bedeutung von Sinuri war dagegen von vornherein auf die Polis beschränkt. Deutlich kleiner als Labraunda bildete es von Beginn an ein auf lokale Zwecke ausgerichtetes Heiligtum. Durch die Analyse der Lage beider Heiligtümer, ihrer Anbindung an die Stadt und ihrer Ausstattung mit Inschriften wird deutlich, wie eng sie mit den Belangen der Polis verbunden waren. Auch wenn die Untersuchung nichts grundsätzlich Neues zeigt, führen einem die Beispiele von Labraunda und Sinuri eindrücklich die Funktionen von Heiligtümern für die Polis vor Augen.

Der Fokus des zweiten Beitrages von Christopher Paul Dickenson liegt auf der archäologisch nachweisbaren Präsenz hellenistischer Herrscher auf Agorai (37-77). Zunächst werden Gründe genannt, warum eine Präsenz hellenistischer Könige an diesem Ort zu erwarten wäre. Beim anschließenden Vergleich von Agorai in Residenzstädten und in hellenistischen Neugründungen wird der generellen gestalterischen Entwicklung von Agorai allerdings soviel Raum gegeben, dass das eigentliche Thema erst im zweiten Teil des Beitrages zur Sprache kommt. Bei der Analyse unterschiedlicher Formen von herrscherlicher Präsenz geht der Autor davon aus, dass sich in der Regel das Grab eines Oikisten auf einer Agora befunden habe. Dies ist archäologisch bislang nur in zwei Fällen (Kyrene, Thasos) nachgewiesen. Auf Grund dessen von einer Abkehr von einer Tradition zu sprechen, wenn es auf Agorai keine Gräber hellenistischer Könige gab, führt meines Erachtens zu weit. [1]
Wesentlich zahlreicher und auf Agorai präsenter sind dagegen die von Königen gestifteten Stoai. Der Autor interpretiert sie als "demokratische" Geschenke an die Poleis (63, 68). Richtig ist, dass sich Könige im Hellenismus nicht in Form eines zentralen Denkmals auf dem Platz präsentierten, sondern sich mit einem häufig zu findenden Gebäudetyp an der Peripherie des Platzes zufrieden gaben. Sieht man dies im Zusammenhang mit den ebenfalls besprochenen Statuenstiftungen, die Herrscher oftmals im Gegenzug für eine Gebäudstiftung von den Poleis erhielten, sind die Gebäude und Monumente Ergebnisse eines austarierten Kräfteverhältnisses. Die königlichen Gebäudestiftungen als Zeichen für die demokratische Gesinnung der Herrscher zu interpretieren, bleibt daher meines Erachtens an der Oberfläche dieses Systems. Die eingangs erwähnte Plausibilität von herrscherlicher Präsenz auf Agorai macht gerade die relativ dezente Repräsentation von Königen umso erstaunlicher und wären eine eingehendere Untersuchung wert.

Zwei Beiträge des Bandes befassen sich mit öffentlichen Räumen in Italien und der Vorbildfunktion von Forumsanlagen in Rom. Im dritten Kapitel behandelt Jamie Sewell die spätrepublikanischen Forumsanlagen latinischer Kolonien (76-112), während sich Pamela Doms im siebten Kapitel mit dem Bauprogramm Trajans in Rom auseinandersetzt (193-224).
Im Unterschied zu den tiefgreifenden Veränderungen beim Bau der Trajansthermen und des Trajansforums, wurden in den zwischen 328 und 273 v. Chr. gegründeten Kolonien von Beginn an größere Parzellen am Rand der Fora angelegt, auf denen sukzessiv die öffentlichen Bauten der Kolonien errichtet wurden. Nach den domus der lokalen Eliten kamen ab dem 2. Jh. v. Chr. den Platz flankierende Stoai hinzu. Dabei diente offenbar das Forum Romanum als Vorbild. Eine ähnliche Funktion besaßen die benachbarten Kaiserfora für das als letztes errichtete Trajansforum. Zusammen mit den Trajansthermen veränderten sie das Bild der Stadt nachhaltig. Wie die Autorin mit Hilfe von Begriffen aus der modernen Stadtplanung ausführlich darlegt, griffen beide Baukomplexe sowohl in die geomorphologische Struktur als auch in den gebauten Stadtraum ein. In Art und Umfang unterschied sich das Bauprogramm Trajans somit von dem seiner Vorgänger und sorgte u. a. dafür, dass sein Forum zu einem neuen Treffpunkt der Stadt wurde. Beide Beiträge sind strukturiert und gut lesbar, aber teilweise redundant.

Die Kapitel vier, fünf und sechs behandeln öffentliche Räume im kaiserzeitlichen Kleinasien. Zunächst widmet sich Ulf Kenzler in seinem Beitrag der Frage, inwiefern sich Agorai in augusteischer Zeit nach römischen Vorbildern richten (113-147). Anschließend untersucht Rubina Raja am Beispiel von Aphrodisias wie städtische Identität mit Hilfe von Gebäuden entsteht (148-172) bevor sich abschließend Arjan Zuiderhoek dem Thema der Finanzierung von öffentlichen Bauten zuwendet (193-224).
Ulf Kenzler sucht in seinem Beitrag nach einem Gestaltungsmuster kaiserzeitlicher Agorai in Kleinasien. Veränderungen in der Platzgestaltung werden im Hinblick auf eine mögliche Adaption römischer Vorbilder analysiert. Dabei fällt auf, dass der hier verwendete Begriff der Romanisierung zu eng ist, um die Transformation der Platzanlagen zu erklären. Die bipolare Betrachtung bietet keine Möglichkeit, Entwicklungen zu beschreiben, die nicht mit Begriffen wie "römisch" oder "griechisch" zu bezeichnen sind. Der Herangehensweise entsprechend, kommt der Autor zu dem Ergebnis, dass es keine neuen Gebäude mit "römischem Charakter" gab (141), sondern sich das Verhalten der Bewohner verändert, nämlich "romanisiert" hätte. Was dies jeoch konkret bedeutet und welche Aussagen sich an Hand der Plätze über die Gesellschaft machen lasssen, bleibt dem Leser unklar.

Einen weiteren Versuch, Aussagen über die Gesellschaft zu treffen, die öffentliche Räume gestaltete und nutzte, unternimmt im darauf folgenden Kapitel Rubina Raja. Am Beispiel von Aphrodisias untersucht sie in einer detaillierten Studie die architektonische Gestalt und die Funktionen des Nord- und Südmarktes im Hinblick auf ihre Aussagefähigkeit zur städtischen Identität. Zusammen mit der Entstehungsgeschichte der Polis ergibt sich daraus das Bild einer Gesellschaft, die ihre neu konstituierte Gemeinschaft und ihren Wohlstand städtebaulich Ausdruck verleihen wollte. Es bleibt zu hoffen, dass zu der spannenden Frage, wie sich diese neu konstruierte Identität auch in anderen Gattungen (z. B. in den Reliefs des Sebasteions oder des Zoilos-Monumentes) widerspiegelt, weitere Untersuchungen folgen werden.
Arjan Zuiderhoek nähert sich in seinem gut strukturierten Beitrag der Frage, wie öffentliche Gebäude in der römischen Kaiserzeit finanziert worden sind, mit Hilfe von literarischen und epigraphischen Quellen. Es gelingt ihm überzeugend darzulegen, dass in dieser Zeit der demos einer Polis häufiger und intensiver an der Finanzierung von Bauten beteiligt war, als bisher angenommen. Dies überrascht nicht, wenn man sich das Fortbestehen politischer Institutionen vor Augen führt und die bereits existierenden Forschungen zur politischen Verfasstheit der Poleis (Stichwort: politische Institutionen vs. Honoratiorenregime) in der hellenistischen Epoche. Der Beitrag hätte an argumentativer Kraft gewinnen können, wenn auf diese Kontinuität hingewiesen worden wäre. Eine wichtige neue Publikation zum Beitragsthema bleibt leider unberücksichtigt. [2]

Insgesamt bietet der Band einen willkommen Überblick über das in den letzten Jahren aufblühende Forschungsfeld des öffentlichen Raumes. Die Beiträge umfassen ein breites Themenspektrum mit vielen interessanten Einzelaspekten. Die Langatmigkeit und Redundanz mancher Beiträge erschweren dem Leser manchmal das Erfassen wesentlicher Thesen und Ergebnisse. Es bleibt abzuwarten, wie sich die einzelnen Arbeiten bis zu ihrem Abschluss und ihrer endgültigen Publikation entwickeln.


Anmerkungen:

[1] Der Autor des Beitrages verweist auf das Grab von König Prusias I. als einziges bekanntes Beispiel für ein Grab eines hellenistischen Königs auf einer Agora (53). Eine Ausnahme stellen in diesem Kontext die lykischen Agorai dar, die häufig mit einem monumentalen Grab eines Herrschers ausgestattet waren. Einen Überblick dazu bietet J. Des Courtils: Particularités des lieux de rassemblement public en Lycie, in: Basiliques et agoras de Gr èce et d'Asie Mineure. éd. p. L. Cavalier et al. Bordeaux 2012, 287-303. Zu den beiden archäologisch nachgewiesenen Oikistengräbern auf den Agorai von Kyrene und Thasos s. N. Bonacasa / I. Baldassarre (eds.): Cirene. Centri e monumenti dell'antichit à. Milano 2000, 59-71; J.-Y. Marc: L'agora de Thasos, in: L'espace grec. 150 ans de fouilles de l' É cole fran çaise d'Ath ènes. Paris 1996, 110.

[2] Neuere Literatur zum Thema des Beitrages: A.-V. Pont: Orner la cité. Enjeux culturrels et politiques du paysage urbain dans l'Asie gr éco-romaine. Scripta antiqua 24. Bordeaux 2010.

Barbara Sielhorst