Rezension über:

Josef Memminger (Hg.): Überall Geschichte! Der Lernort Welterbe - Facetten der Regensburger Geschichtskultur, Regensburg: Friedrich Pustet 2014, 256 S., 29 Abb., ISBN 978-3-7917-2556-7, EUR 19,95
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Rezension von:
Martin Clauss
Fachgebiet Geschichte, Technische Universität, Chemnitz
Redaktionelle Betreuung:
Christian Kuchler
Empfohlene Zitierweise:
Martin Clauss: Rezension von: Josef Memminger (Hg.): Überall Geschichte! Der Lernort Welterbe - Facetten der Regensburger Geschichtskultur, Regensburg: Friedrich Pustet 2014, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 7/8 [15.07.2014], URL: https://www.sehepunkte.de
/2014/07/25075.html


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Josef Memminger (Hg.): Überall Geschichte!

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In Regensburg ist man stolz auf die Geschichte der Stadt; diverse Institutionen und Akteure bemühen sich um deren Aufbereitung, Analyse und Vermarktung. Die 2006 erfolgte Aufnahme der Regensburger Altstadt und des Stadtteils Stadtamhof in die Liste des UNESCO-Welterbes prägt die offiziell-städtische Lesart der Stadtgeschichte und ist für das Stadtmarketing von zentraler Bedeutung. Das historische Ensemble der Regensburger Altstadt ist ein Pfund, mit dem gut wuchern ist und Ausgangspunkt für eine Fülle historischer Bezugnahmen in der Stadt - etwa in Form von Museen, Stadtführungen, Publikationen und Veranstaltungen.

Der Welterbe-Titel bildet auch die Ausgangslage für den hier vorzustellenden Sammelband, der sich mit verschiedenen Facetten von Geschichtskultur rund um die Regensburger Stadtgeschichte, das Welterbe und in Regensburg angesiedelten Projekten auseinandersetzt. Der Sammelband ist Teil des Forschungsprojektes 'Lernort: Weltkulturerbe Regensburg' der Abteilung für die Didaktik der Geschichte an der lokalen Universität. Es macht den gerade in der Geschichtsdidaktik viel bemühten Begriff der 'Geschichtskultur' für die Untersuchung der Regensburger Geschichtsszene fruchtbar, indem sie ihn verstehen als Ausdruck, "wie unser Geschichtsbewusstsein ins Heute wirkt" (11); damit umfasst Geschichtskultur letztlich alle gegenwärtigen Äußerungen und Einstellungen, die sich auf Vergangenes beziehen - von der universitären Geschichtswissenschaft bis zum Reenactment - und ist auch nicht an spezielle Formate gebunden. In diesem Sinne werden die Beiträge vor allem durch den gemeinsamen lokalen Bezug zusammengehalten und belegen die Vielfältigkeit, in der sich geschichtskulturelle Interessen manifestieren können.

Dabei lassen die verschiedenen Beiträge zwei unterschiedliche Zielsetzungen erkennen. Bei der Mehrzahl geht es darum, ein Projekt oder eine Institution vorzustellen und die jeweilige Leistungsfähigkeit im Sinne der lokalen Geschichtsvermittlung zu thematisieren. Hierzu zählen universitätsbasierte Einrichtungen und Projekte - wie das Forum Mittelalter (Susanne Ehrich, 66-78) oder der Nachbau eines römischen Flusskriegsschiffes (Heinz Konen, 79-92) -, lokale Institutionen - wie die Staatliche Bibliothek mit ihren beeindruckenden Beständen (Bernhard Lübbers, 93-115) - und etliche Beispiele des schulischen Umgang mit Geschichtskultur zu verschiedenen Orten und Epochen: Frederik Sjöström präsentiert etwa ein spannendes oral history Projekt rund um die Schülerin Christine Schanderl, die 1980 mit einer 'Stoppt Strauß'-Plakette in ihrem Regensburger Gymnasium für Aufsehen sorgte (211-229), Heike Wolter stellt die Auseinandersetzung mit dem KZ-Außenlager Obertraubling im Rahmen eines wissenschaftspropädeutischen Seminars in der gymnasialen Oberstufe vor (197-210). Diese Aufsätze sind durchweg von großem Engagement und Begeisterung für die eigene Sache gekennzeichnet und legen den Schwerpunkt auf die Deskription. So zeichnen sie ein lebhaftes Bild der geschichtskulturellen Landschaft Regensburgs. Dies ist mitunter von einem gewissen lokalem Stolz getragen, der hohe Besucherzahlen als Ausweis für historische Bedeutsamkeit versteht und immer wieder betont, die Zuerkennung des Welterbetitels sei "nicht von ungefähr" (9) erfolgt. Oftmals wird hier auf Begebenheiten abgehoben, die detaillierte Ortskenntnisse voraussetzen.

Deutlich allgemeiner und theoretischer ist der Anspruch der Aufsätze, die sich der Analyse bestimmter geschichtskultureller Phänomene annehmen. Josef Memminger führt in seinem einleitenden Aufsatz die Regensburger Geschichtsszene mit dem geschichtsdidaktischen Konzept der Geschichtskultur zusammen, indem er gewinnbringend allgemeine Kategorien mit lokalen Beispielen füllt (9-33). Christian Kuchler stellt das UNESCO Weltkulturerbe Konzept vor und zeigt überzeugend auf, wie schulischer Unterricht dieses zum Gegenstand geschichtskultureller Reflexion machen kann, indem etwa der Eurozentrismus oder das kirchlich-christliche Kulturverständnis problematisiert werden (34-50). Bernhard Löffler thematisiert in seinem Beitrag zunächst die wechselseitigen Beziehungen zwischen Standort Regensburg und der universitären Landesgeschichte, um dann zur Stadt Regensburg als "Untersuchungsfeld regionaler Zeitgeschichte" (51) zu kommen (51-65). Regensburg und der hier vorzufindende Umgang mit Geschichte werden dabei zum Objekt der Analyse einer Geschichtswissenschaft, die sich immer auch als gesellschaftliches Korrektiv versteht. Gerade am in Regensburg entstehenden Museum der bayerischen Geschichte, das 2018 eröffnen soll, zeigt sich, dass jede Form von Geschichtsvermittlung immer auch Gegenstand von Geschichtswissenschaft sein muss. Wenn Löffler die Entstehung des Museums auch als Ausdruck einer 'selling history' kritisch begleitet, offenbart sich die analytische Kraft des dem Sammelband zu Grunde liegenden Konzeptes: Regensburg ist ein idealer Untersuchungsgegenstand, um moderner Geschichtskultur in verschiedenen Facetten nachzuspüren.

Das Werk spürt also der Geschichtskultur auf lokalhistorischer Ebene nach. Das liest sich oftmals interessant, streckenweise sehr deskriptiv und wendet sich in erster Linie an ein Regensburger Publikum.

Martin Clauss