Rezension über:

Rhodri Jeffreys-Jones: In Spies We Trust. The Story of Western Intelligence, Oxford: Oxford University Press 2013, XIII + 297 S., 15 s/w-Abb., ISBN 978-0-19-958097-2 , GBP 20,00
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Rezension von:
Bernhard Sassmann
Universität Mannheim
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Empfohlene Zitierweise:
Bernhard Sassmann: Rezension von: Rhodri Jeffreys-Jones: In Spies We Trust. The Story of Western Intelligence, Oxford: Oxford University Press 2013, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 9 [15.09.2014], URL: https://www.sehepunkte.de
/2014/09/24463.html


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Rhodri Jeffreys-Jones: In Spies We Trust

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Rhodri Jeffreys-Jones legt erstmals einen umfassenden historischen Abriss der anglo-amerikanischen Geheimdienstkooperation im 20. und 21. Jahrhundert vor. Anders als der Untertitel des Werkes suggeriert, behandelt der Autor dabei Nachrichtendienste anderer westlicher Nationen wie Deutschland, Frankreich oder Israel nur am Rande.

Zurecht besteht der Autor in der Begründung dieser Einschränkung darauf, dass die anglo-amerikanische "special intelligence relationship" im vergangenen Jahrhundert die maßgebende Allianz in diesem Bereich war (VII). Historiker haben sich dieser Beziehung bislang vor allem in der Analyse von Einzelepisoden genähert. [1] Auch den von Jeffreys-Jones behandelten kulturellen Eigenheiten in der nationenspezifischen Praxis nachrichtendienstlicher Arbeit und im gesellschaftlichen Umgang mit den Diensten wurde bis dato nur in den Politikwissenschaften zaghaft Aufmerksamkeit geschenkt. [2] Es ist das Verdienst des Autors, das Desiderat einer umfassenden Studie zur anglo-amerikanischen Intelligence-Kooperation im 20. Jahrhundert geschlossen zu haben. Erkenntnistheoretische Leitkategorie Jeffreys-Jones' ist dabei sowohl für die Erklärung der Anfänge institutionalisierter Nachrichtendienste als auch für die Darstellung der Entwicklung bis zur Gegenwart die Frage nach der Vertrauenswürdigkeit dieser Dienste in demokratischen Gesellschaften. Der Haupttitel seines Werkes ist in diesem Sinne sowohl programmatisch als auch ironisch zu verstehen.

Die ersten fünf Kapitel des Buches widmen sich dem Aufstieg der britisch-amerikanischen Geheimdienstkooperation seit den Anfängen im Ersten Weltkrieg. In den folgenden vier Kapiteln arbeitet Jeffreys-Jones dann den vermeintlich schleichenden Niedergang dieser Beziehung seit den 1960er Jahren auf.

Um den Ersten Weltkrieg glaubte man, Nachrichtendienste könnten Kriege gewinnen. Später, insbesondere nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, sei es vor allem darum gegangen, Kriege zu vermeiden und Informationen über Feinde (aber auch Alliierte!) zu sammeln, um Frieden und Sicherheit zu stiften: "By mutual if unspoken consent, war was out. Instead, clandestine action was in" (101). Den Höhepunkt anglo-amerikanischer Zusammenarbeit verortet er in der Frühphase des Kalten Krieges. In dieser Zeit habe die Weltkriegspartnerschaft trotz deutlicher Gewichtsverschiebungen in der Professionalisierung und Technisierung angehalten. Die Furcht vor einem neuen gemeinsamen Feind, eine geteilte Vorliebe für sozialen und ethnischen Elitismus innerhalb der "Oxbridge" und Ivy-League geprägten Intelligence Communities beider Länder sowie grundsätzlich geteilte Werte seien dafür ausschlaggebend gewesen (116). Die während der Weltkriege immer stärker integrierte Signal Intelligence (SIGINT) war und ist dabei bis heute das Fundament der Partnerschaft. Jeffreys-Jones spricht der Kooperation in diesem Bereich eine entscheidende Rolle beim Verständnis- und Verständigungsprozess mit der Sowjetunion und letztlich auch für den Erhalt des Friedens im Kalten Krieg zu: "For ignorance breeds fear, and fear lies at the root of aggression" (104).

Die Voraussetzung der Partnerschaft sei, so Jeffreys-Jones, stets der beiderseitige Vorteil gewesen. Mitte der 1960er Jahre sei mit dem imperialen Niedergang Großbritanniens das "Anglo-American intelligence consortium" aus der Balance geraten (130). Zusätzlich schwand im Zuge anhaltender Infiltrierungsskandale innerhalb des MI6 das amerikanische Vertrauen in die Spionageabwehr der britischen Dienste. Schließlich brachen die gesellschaftlichen Umwälzungen in den USA Ende der 1960er Jahre auch die Dominanz der Ivy League-Eliten auf der Führungsebene auf. Das Band des Elitismus, welches britisches und amerikanisches Führungspersonal über 50 Jahre verbunden hatte, bekam Risse. Der Fall des Eisernen Vorhangs habe dann die Existenz nationaler Geheimdienste im Allgemeinen, aber auch im Speziellen die Kooperation zwischen London und Washington erneut in Frage gestellt. Als unentschuldbar kritisiert Jeffreys-Jones schließlich die politische Einflussnahme im Zusammenhang mit den bewusst manipulierten Geheimdienstinformationen im Vorfeld des Irakkriegs: "Both the CIA and MI6 succumbed to political pressure to back the WMD argument; no senior official in either agency subordinated his career to the national interest by telling the truth and/or resigning" (177).

Obwohl oder gerade weil insbesondere die Einleitungen der Kapitel kaum von der anekdotischen Prosa historischer Romane zu unterscheiden sind, schafft es Jeffreys-Jones die hochkomplexe Geschichte anglo-amerikanischer Geheimdienstkooperation nachvollziehbar darzulegen. Gleichzeitig liefert er kenntnisreiche Antworten auf zentrale Fragen der Geheimdienstforschung. Eine der Hauptthesen des Buches ist, dass das bis heute auch popkulturell propagierte Narrativ britischer Exzellenz und Überlegenheit im Bereich der Nachrichtendienste seine Wurzeln in den späten Weltkriegseintritten der USA hat. Das von den Briten bereits generierte Wissen musste vom Standpunkt des amerikanischen Intelligence-Novizen jeweils zwei Jahre nach Kriegsbeginn in der Tat imposant gewirkt haben. Dies dürfe jedoch, so Jeffreys-Jones, nicht darüber hinwegtäuschen, dass die US-Geheimdienste von Beginn an keine "copycat operation, but an independent creation with virtues of its own" gewesen seien (19). Mit dem sozialwissenschaftlichen "country-desk-approach" der Research & Analysis Branch des Office of Strategic Services hätten die Amerikaner im Zweiten Weltkrieg sogar eine der einflussreichsten Innovationen der Geheimdienstgeschichte hervorgebracht (88).

Dies gilt auch im Bereich parlamentarischer Aufsicht und dem Umgang mit dem Staatsgeheimnis. Während Geheimdienste in den USA seit ihrer Institutionalisierung nicht zuletzt durch ihre Budgetierung im Kongress von Parlament und Öffentlichkeit misstrauisch beäugt wurden, gestand Großbritannien die bloße Existenz des MI5 erst 1989 ein. Erst sechs Jahre später folgte gar die "Legalisierung" von MI6 und GCHQ, dem britischen Pendant zur NSA.

In den drei abschließenden Kapiteln bespricht der Autor zeitgenössische Entwicklungen und versucht, europäische Alternativen zur britisch-amerikanischen special intelligence relationship aufzuzeigen. Leider erfolgte die Drucklegung des Buches vor Edward Snowdens Enthüllungen zur Internet- und Kommunikationsspionage durch die NSA und das britische GCHQ. Einige seiner auch andernorts nachdrücklich vertretenen Argumente für eine zukünftig stärker europäisch auszurichtende britische Geheimdienstpolitik scheinen durch die offensichtlich anhaltend enge Zusammenarbeit beider Länder eher widerlegt worden zu sein. [3]

Insgesamt hat Jeffreys-Jones mit In Spies We Trust einen kenntnisreichen Überblick zur komplexen Geschichte britisch-amerikanischer Geheimdienstkooperation im 20. und 21. Jahrhundert geliefert. Auch wenn seine Darstellung beizeiten etwas anekdotisch wirkt und freilich nicht durchweg Neues bieten kann, stellt das Buch eine ausgezeichnete erste Gesamtschau zum Thema dar. Jeffreys-Jones entwickelt darüber hinaus auch übergreifende Thesen, die unseren Wissensstand erweitern und weitere Forschung zu inspirieren vermögen.


Anmerkungen:

[1] Vgl. etwa Jim Beach: Origins of the Special Intelligence Relationship? Anglo-American Intelligence Co-operation on the Western Front, in: Intelligence and National Security 22 (2007), 229-249. Eine prominente Aufsatzsammlung mit Fallstudien zum Thema hat der Autor von In Spies We Trust vor Jahren selbst geliefert: Rhodri Jeffreys-Jones / David Stafford (eds.): American-British-Canadian Intelligence Relations 1939-2000, London 2000.

[2] Vgl. in Auswahl: Philip H. J. Davies: Intelligence Culture and Intelligence Failure in Britain and the United States, in: Cambridge Review of International Affairs 17/3 (2004), 495-520; Michael A. Turner: A Distinctive US Intelligence Identity, in: International Journal of Intelligence and Counterintelligence 17/1 (2004), 42-61.

[3] Rhodri Jeffreys-Jones: The case for a European intelligence service with full British participation, in: OUPblog (19.03.2013), online im Internet: http://blog.oup.com/2013/03/european-intelligence-service/ (letzter Zugriff am 31.07.2014).

Bernhard Sassmann