Rezension über:

Rainer F. Buschmann / Edward R. Slack Jr. / James B. Tueller: Navigating the Spanish Lake. The Pacific in the Iberian World, 1521-1898 (= Perspectives on the Global Past), Honolulu: University of Hawaii Press 2014, XII + 183 S., ISBN 978-0-8248-3824-9, USD 47,00
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Rezension von:
Eberhard Crailsheim
Historisches Seminar, Universität Hamburg
Redaktionelle Betreuung:
Sebastian Becker
Empfohlene Zitierweise:
Eberhard Crailsheim: Rezension von: Rainer F. Buschmann / Edward R. Slack Jr. / James B. Tueller: Navigating the Spanish Lake. The Pacific in the Iberian World, 1521-1898, Honolulu: University of Hawaii Press 2014, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 2 [15.02.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/02/25769.html


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Rainer F. Buschmann / Edward R. Slack Jr. / James B. Tueller: Navigating the Spanish Lake

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Während der Atlantik in der deutschen Historiographie eine recht prominente Stellung innehat, ist die Geschichte des Pazifiks, besonders im 17. und 18. Jahrhundert, bis heute eher unbeachtet. Umso willkommener sind Arbeiten aus dem US-amerikanischen Raum, die solche Forschungslücken schließen. Mit Navigating the Spanish Lake haben Rainer Buschmann, Edward Slack Jr. und James Tueller ein Werk vorgelegt, mit dem sie nicht weniger vor haben, als auf 131 Seiten knapp 400 Jahre der Geschichte der größten Wassermasse der Erde aus spanischer Perspektive zu erzählen. Vorrangiges Ziel des Buches ist es, die Zirkulation von Menschen und deren Geschichten im Pazifischen Raum ins Visier zu nehmen mit Hauptaugenmerk auf die Philippinen und die Marianen-Inseln, wobei die Autoren klare thematische Schwerpunkte setzten. Der Ansatz ist kulturhistorisch geprägt, was eine erfreuliche Abwechslung zu den häufiger anzutreffenden Entdeckungsgeschichten und Handelsanalysen darstellt.

Seit Magellans Pazifiküberquerung 1521 ist der Pazifische Ozean in das Bewusstsein Europas getreten und spätestens mit der kolonialen Beanspruchung der Philippinen für Spanien im Jahre 1565 wurde er in der eigenen Empfindung zu einem "Spanischen See". Dabei unterscheiden die Autoren zwischen einem effektiv von Spanien beherrschten Pazifik ("Literal Spanish Lake") und der Idee bzw. Wahrnehmung spanischer Herrschaft im Pazifik ("Conceptual Spanish Lake") (6). Ersteres Konzept fand vor allem in der kolonialen Administration seine Anwendung, während zweiteres von Geographen und Politikern aufgegriffen wurde. Das Wechselspiel zwischen Beiden und die Erfahrungen, die die Spanier in Amerika gemacht hatten, trugen jedenfalls dazu bei, dass die koloniale Politik im Pazifik weniger "drakonisch" (3) verlief als in Amerika.

Die Autoren betonen, dass der pazifische Raum nicht willkürlich vom atlantischen getrennt werden sollte. Beide waren Teil des spanischen Imperiums und bis Ende des 19. Jahrhunderts essentiell für den Austausch innerhalb der Territorien. Während der Atlantik aber einer Vielzahl europäischer Mächte offen stand, betrachtete Spanien den Pazifik als Mare Clausum. Der effektiv von Spanien beherrschte Pazifik beschränkte sich meist jedoch lediglich auf die Verbindungsroute zwischen Acapulco und Manila. Der spanische Anteil an den Küstengebieten ("Pacific Rim") war jedoch größer, denn er umschloss weite Teile der amerikanischen Küste, die Philippinen und die Marianen-Inseln.

Die Autoren weisen in der Danksagung darauf hin, dass das Buch auf verschiedenen Vorträgen der drei Autoren aufbaut. Daraus ergibt sich zwar der Vorteil einer multiperspektivischen Annäherung an das Thema, doch wirken die Übergänge zwischen den Kapiteln leider wenig harmonisch. Nur das erste Kapitel (The Lake before the Nineteenth Century) hat einen allgemeinen Ansatz und bildet den Rahmen für die folgenden quellenbasierten Kapitel. Für die besondere Situation der Philippinen schaffen die Autoren das Konzept der "Archipelagic Hispanization" (13, 28), das neben den kulturellen Einflüssen Spaniens auf die Inseln auch die anderer asiatischer Reiche und Neuspaniens berücksichtigt. Umgekehrt wird zudem der asiatische Einfluss auf Neuspanien und den spanischen Katholizismus beleuchtet. Für den "imperialen spanischen Traum" (29) spielte die Wahrnehmung der "Inseln" in europäischen Denkmustern und Expansionsbestrebungen ebenso eine Rolle wie die Präsenz christliche Missionare auf den Marianen-Inseln.

Der Titel des zweiten Kapitels (Defending the Lake) lässt zwar militärische Themen vermuten, behandelt aber die pazifischen Forschungsreisen der Engländer und Franzosen im 18. Jahrhundert und die medialen Abwehrreaktionen der Spanier in Madrid: Spanische Beamte wehrten sich gegen deren Vordringen in den "Spanischen See" mit dem Argument, dass der Pazifik bereits erforscht sei. Frühere, spanische Entdeckungsreisen - die bisher der Gemeinhaltungspolitik Spaniens zum Opfer gefallen waren - wurden nun ausgegraben, um ihre Besitzrechte in der Südsee aufgrund des Prinzips der ersten Entdeckung zu stützen. Die Engländer und Franzosen setzten in dieser Auseinandersetzung auf aktuelle Entdeckungsreisen ("encountered knowledge"), während die Spanier mit Archivbelegen ("revealed knowledge") konterten (46, 51-53).

Kapitel drei (Arming Chinese Mestizos in Manila) befasst sich nur am Rande mit dem Pazifik, zeigt aber anhand der chinesisch-indigenen Mestizen-Bevölkerung der Philippinen, dass der "Spanische See" ein Raum interkultureller Begegnungen war. Dabei geht es vor allem um die sich ändernden Funktionen der wachsenden Mestizen-Gruppe im Rahmen des spanischen Sozialsystems. Im Mittelpunkt stehen dabei der hohe militärische Wert des Mestizen-Batallions "Real Princípe" für die spanische Kolonialherrschaft und die sozialen und wirtschaftlichen Vorteile, die eine Zugehörigkeit zu dieser Formation für Mestizen hatte - bis hin zur Erhebung in den Adelsstand.

Im letzten Kapitel (Colonizing the Marianas) geht es schließlich um die größte Marianen-Insel Guam, die eine strategische Bedeutung für die Manila Galeone hatte. Nach einer historischen Bestandsaufnahme der Demographie widmet sich das Kapitel dem Alltag unter spanischer-katholischer Herrschaft. Nachdem der 30 Jahren dauernde Widerstand gegen die Spanier gebrochen worden war, entstand im 18. Jahrhundert eine katholische Mischgesellschaft aus Chamorros, Filipinos und Spaniern. Anhand einer eingehenden Namensanalyse werden dabei Wandel und Kontinuitäten diskutiert, wobei besonders das Weiterbestehen von Chamorro-Konzepten hervorgehoben wird.

Der Epilog (The Lingering Lake and Archipelagic Hispanization) greift schließlich die konzeptionellen Überlegungen vom Anfang wieder auf und führt die Analyse bin ins 19. Jahrhundert fort. Durch das Wegfallen Lateinamerikas als Verbindungs- und Anlaufstelle musste eine Reorganisation des "Literal Spanish Lake" stattfinden, um den imperialen Bestrebungen anderer europäischer Mächte zu begegnen. Als Ende des Jahrhunderts die Doktrin der ersten Entdeckung an Wirkungsmacht verlor, gelang Spanien ein Wechsel seines "Conceptual Spanish Lake" und somit - zumindest vorläufig - eine Festigung seiner nominellen Herrschaft in "Spanisch Mikronesien".

Es ist klar ersichtlich, dass das Buch nicht aus einem Guss ist und die (nicht ausgewiesene) Urheberschaft der einzelnen Beiträge lässt sich leicht erahnen. Besonders bedauerlich ist, dass kein roter Faden durch das Werk läuft, auch wenn die Randkapitel einen solchen andeuten. Es handelt sich also faktisch um drei Aspekte (Legitimationsdiskurs spanischer Herrschaft, chinesische Mestizen der Philippinen, kultureller Wandel der Marianen-Inseln), die durch ein Einleitungskapitel und den Epilog zu einem Buch verschmolzen werden. Gemein ist den Beiträgen lediglich ihr kulturhistorischer Fokus auf verschiedene Aspekte des spanisch-pazifischen Systems und dessen Dynamiken. Kritisch anzumerken ist zudem, dass weite Teile der spanischen Forschung - die zu dem Thema viel zu bieten hat [1] - nicht berücksichtigt wurden. Insgesamt scheint somit das im Klappentext angegebene Ziel einer "Re-Orientierung des Pazifiks in der Iberischen Welt und in der Weltgeschichte" übertrieben. Diese Kritik soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die einzelnen Kapitel mit Gewinn lesen lassen und, dass sie als separate Untersuchungen eine klare Bereicherung der Forschung zum Pazifischen Ozean darstellen.


Anmerkung:

[1] Zu nennen wären hier z.B. José María Silos Rodríguez, Marinos olvidados. Teniente de fragata Juan Antonio de Ibargoitia Zamacona (1765-1801) (Madrid, Ministerio de Defensa 2004); María Dolores Elizalde (Hg.), Imperios y naciones en el Pacifico, 2 Bd. (Madrid, Consejo Superior de Investigaciones Científicas at al. 2001); Javier Galván Guijo (Hg.), Islas del Pacífico. El legado español (Madrid, Dirección General de Cooperación y Comunicación Cultural at al. 2000); Florentino Rodao García (Hg.), Estudios sobre Filipinas y las Islas del Pacífico (Madrid, Asociación Española de Estudios del Pacífico 1989).

Eberhard Crailsheim