Rezension über:

Matthew Cheung Salisbury: The Secular Liturgical Office in Late Medieval England (= Medieval Church Studies; Vol. 36), Turnhout: Brepols 2015, XVI + 257 S., ISBN 978-2-503-54806-7, EUR 80,00
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Rezension von:
Astrid Marner
University of Bergen
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Astrid Marner: Rezension von: Matthew Cheung Salisbury: The Secular Liturgical Office in Late Medieval England, Turnhout: Brepols 2015, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 10 [15.10.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/10/27126.html


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Matthew Cheung Salisbury: The Secular Liturgical Office in Late Medieval England

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Matthew Cheung Salisbury legt eine Untersuchung zur Entwicklung des Stundengebets in der englischen Kirche vor. Die Studie basiert auf einem Corpus von 177 Brevieren und Antiphonarien vom 11. bis zum 16. Jahrhundert, die mit überraschender Detailtiefe analysiert werden. Breite wie Tiefe sollen dazu dienen, vorherrschende Haltungen zu den an Kirchen und Kathedralen geltenden Usus von Sarum, York und Hereford zu überprüfen.

Das erste Kapitel "Studying the English Office" (11-35) gibt einen umfassenden Forschungsüberblick zur englischen Liturgie des Stundengebets sowie über grundlegende Konzepte. Salisbury zeigt sich in Terminologie und Systematik stark beeinflusst von den Standardwerken zur englischen Liturgie von Hughes [1] und Pfaff. [2] Er folgt ihnen auch in seiner Definition von "secular cursus", den er ausschließlich an Kathedralen, Kollegiatstiften und Gemeindekirchen ansiedelt (14). Dabei übersieht er, dass religiöse Gemeinschaften wie Regularkanoniker und Mendikanten ebenfalls diesem Cursus folgten. Dies hätte zumindest angesprochen werden sollen, da sich der institutionelle Rahmen auf die nachfolgenden Beobachtungen auswirkt.

Im zweiten Kapitel "Liturgical Analysis" (37-103) vergleicht Salisbury die Responsorienreihen und Kalender der Liturgien von Sarum, York und Hereford. Er bestätigt die etablierte Methode, die Zugehörigkeit eines Breviers anhand der Responsorien zu bestimmen. Insbesondere Sarum und York wiesen große Stabilität auf - so Salisbury -, während Hereford weniger beständig sei und zudem teilweise mit Sarum übereinstimme. Kalender hingegen zeigten ein stabiles gemeinsames Grundgerüst, regionale Varianten sowie individuelle Eigenheiten. Salisbury erklärt Stabilität und Varianz durch Entscheidungsmechanismen auf unterschiedlichen Ebenen. Somit seien gewisse Strukturen zentral vorgegeben worden. Auf lokaler Ebene allerdings mussten die Vorgaben an örtliche Gegebenheiten angepasst und auch wenig spezifische Angaben im Liber Ordinarius umgesetzt werden.

Im dritten Kapitel "Textual Analysis" (106-170) vergleicht Salisbury die Texte von Lesungen und Gesängen. Aufgrund der Stärke des Corpus erfolgt der Vergleich exemplarisch. Salisbury wählt mit den Offizien für den ersten Adventssonntag, für Thomas Becket, für William von York und das Totenoffizium repräsentative Querschnitte und unterstreicht dabei, dass sich die Auswahl des Textes häufig als konstant erwiesen, die Verteilung dieses Textes auf die Lektionen jedoch stark variiert habe. Dabei sei der Text von namentlich bekannten Verfassern ebenso willkürlichen Anpassungen unterworfen wie Texte eines örtlich begrenzten Kultes, die in nur wenigen Handschriften existierten. Ferner zeigt Salisbury fünf Faktoren in der Auswahl und Redaktion von Texten auf, nämlich Vorschriften auf Seiten der westlichen Liturgie, Vorschriften der zentralen Autorität (in den meisten Fällen der Bischofssitz), Vorlieben und Prioritäten der Redaktoren, Kenntnisse der Schreiber sowie die üblichen textlichen Veränderungen im Zuge der Überlieferung.

Im vierten und letzten Kapitel "The Regulation and Transmission of Secular Liturgy" (171-221) bespricht Salisbury Mechanismen, die zur Veränderung der liturgischen Muster im mittelalterlichen England geführt haben könnten. Er stellt liturgische Einförmigkeit auf Diözesanebene und sogar in kleineren regionalen oder institutionellen Verbänden fest, sodass auf diesen Ebenen weitreichende liturgische Entscheidungen getroffen worden sein müssen, einschließlich der Annahme von Heiligenfesten. Ein Usus wie beispielsweise derjenige von Sarum sei daher nicht mit einer innerhalb der Provinz gleichförmig umgesetzten Liturgie gleichzusetzen, sondern mit einer von Fall zu Fall unterschiedlich ausgelegten liturgischen Praxis. Vereinheitlichende Impulse hin zu einem Sarum-Brevier seien vor allem im fünfzehnten Jahrhundert festzustellen und als Reaktion auf die vorherrschende Varianz zu verstehen.

Zwei Repertorien der verwendeten Handschriften sowie ein kurzer, allgemein gehaltener Index mit 165 Einträgen erschließen das Werk. Hier wären insgesamt mehr Details wünschenswert gewesen, denn die wenigen Einträge erlauben es nicht immer, gewünschte Informationen zu finden. Auch eine Datierung der verwendeten Manuskripte an zentraler Stelle bleibt Desiderat. Die zeitliche Abfolge der diskutierten Phänomene und Entwicklungen ist somit nicht immer nachvollziehbar.

Dass Salisbury alle Aspekte auf gerade einmal gut 250 Seiten abhandelt, zeigt die Stärke der Publikation, nämlich ihre Kürze und Dichte, ohne dabei notwendige Details aus dem Blick zu verlieren. Allerdings macht die minutiöse Abarbeitung der Thematik das Buch nicht immer leserfreundlich. So wird auf eine Einführung in den Aufbau des Stundengebets und in die verwendete Terminologie grundsätzlich verzichtet und stattdessen auf Hughes' Handbuch verwiesen, dessen parallele Konsultation fast unumgänglich wird. Die Publikation richtet sich insgesamt vorwiegend an Spezialisten der mittelalterlichen Liturgie; weniger vorgebildete Leser dürften vor allem die hervorragenden Zusammenfassungen zu jedem Kapitel interessieren.

Salisbury zeigt deutlich, dass die Vorstellung überholt ist, mittelalterliche kirchliche Usus ließen sich zu Urfassungen rekonstruieren. Vielmehr weist er abnehmende Grade der Einheitlichkeit nach und führt deutlich vor Augen, dass Aussagen über eine lokale Liturgie nur anhand des Handschriftenmaterials von Relevanz sind. Insbesondere die häufig als Normtext konsultierten Editionen der Breviere von Sarum, York und Hereford könnten somit maximal als Richtschnur dienen. Allein durch diese Erkenntnis erweist sich die Studie als wichtiger Beitrag zur Geschichte des Stundengebets.


Anmerkungen:

[1] Andrew Hughes: Medieval Manuscripts for Mass and Office. A Guide to their Organization and Terminology, Toronto / Buffalo / London 1982.

[2] Richard W. Pfaff: The Liturgy in Medieval England. A History, Cambridge 2009.

Astrid Marner