Rezension über:

Étienne Hamon / Françoise Gatouillat: Saint-Étienne du Mont. Un chef-d'œuvre parisien de la Renaissance, Paris: Picard 2016, 240 S., 220 Farbabb., ISBN 978-2-7084-1019-0, EUR 44,00
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Rezension von:
Almuth Klein
Accademia di architettura, Università della Svizzera italiana, Mendrisio
Redaktionelle Betreuung:
Kristina Deutsch
Empfohlene Zitierweise:
Almuth Klein: Rezension von: Étienne Hamon / Françoise Gatouillat: Saint-Étienne du Mont. Un chef-d'œuvre parisien de la Renaissance, Paris: Picard 2016, in: sehepunkte 18 (2018), Nr. 5 [15.05.2018], URL: https://www.sehepunkte.de
/2018/05/30477.html


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Étienne Hamon / Françoise Gatouillat: Saint-Étienne du Mont

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Die Monografie behandelt die Pfarrkirche der ehemaligen, 1807 niedergelegten Pariser Abteikirche Sainte-Geneviève, die zugunsten des 1764-90 errichteten Panthéon aufgegeben wurde. Der noch im 15. Jahrhundert begonnene Bau von Saint-Etienne-du-Mont mit einer Kernbauzeit von 1510 bis 1587 (Fassade 1626) zählt neben Saint-Eustache (1532-1640) und Saint-Nicolas-des-Champs (Kernbau 1420, Erweiterungen 1541, 1574-1586, 1613-1615) zu den großen Renaissancekirchen der Stadt, die alle drei vor dem Konzil von Trient begonnen und erst weit nach seinem Abschluss vollendet wurden. [1]

In der Forschung fand die Kirche vor allem wegen ihres eleganten Lettners Beachtung. Vereinzelt wurden die Architektur, die Glasmalerei oder die Skulptur behandelt, doch eine Würdigung des Gesamtbaus war für lange Zeit ausstehend. [2] Diese Lücke wollen nun Étienne Hamon und Françoise Gatouillat mit einer umfassenden Betrachtung der Kirche in sämtlichen Bau- und Ausstattungsphasen schließen.

Im ersten Teil werden Architektur und Baugeschichte ausführlich vorgestellt. Nach einem kurzen Blick auf die Entstehung der Pfarrei und die nur schwer fassbare Gestalt der mittelalterlichen Kirche (22-41) widmen Hamon und Gatouillat dem Neubau und seinem räumlichen Verhältnis zur unmittelbar angrenzenden Abteikirche Sainte-Geneviève die größte Aufmerksamkeit (42-84). In kleinteiliger Untergliederung, die sich leider nicht im Inhaltsverzeichnis abbildet, werden - soweit fassbar - das mit dem Neubau verbundene Personal (Klerus, Bauhütte, Bruderschaften und Einzelstifter) sowie die einzelnen Bauabschnitte besprochen.

Mittendrin versteckt sich in einem Unterkapitel der wichtige Abschnitt zur Baugeschichte des berühmten Lettners, in dem leider nicht dem wichtigen liturgiegeschichtlichen Sachverhalt nachgegangen wird, dass hier in der Mitte des 16. Jahrhunderts ein Lettner errichtet und trotz der keine zwanzig Jahre später getroffenen Beschlüsse des Tridentinums auch erhalten wurde (62-67). [3] Es schließen sich zwei Kapitel zu den Umbauten des 17. und 18. Jahrhunderts (85-96) sowie zum Umgang mit Saint-Étienne seit der Französischen Revolution (97-111) an.

Der zweite Teil widmet sich der Ausstattung der Kirche. Behandelt werden die Glasmalereien, darunter jene des charnier, einer den Chor dreiflügelig umlaufenden Grablege (114-142, 195-202), das erhaltene Mobiliar der Kirche sowie ihrer noch fassbaren skulpturalen und malerischen Ausstattung, die sich heute in verschiedenen Museen befindet (143-151). Außerdem untersuchen die Autoren die Neueinrichtung der Kirche nach der Französischen Revolution (152-158) sowie das Weiterleben der Genoveva-Verehrung (159-165). Für diese musste eine neue Stätte gefunden werden, nachdem der Neubau der Abteikirche 1791 und erneut 1830 seiner Funktion als Ruhmeshalle zugeführt worden war. [4]

Schließlich werden die Kapellen und weitere Annexe mit ihrer Ausstattung behandelt (166-208). Der Band schließt mit einem Beitrag des Musikologen Henri de Rohan-Csermak über die Orgel der Kirche (209-215). In den Anhang wurden neben einer ausführlichen Bibliografie eine Auflistung der in Saint-Étienne tätigen Pfarrer, ein Verzeichnis der mit der Kirche in Verbindung stehenden Künstler sowie ein allgemeines Namens- und Ortsregister aufgenommen.

Den Autoren gelingt ein sehr geschlossener Text, der umfassend die Entstehung der Kirche und ihr später zuteil gewordene Veränderungen vorstellt. Hamon und Gatouillat bringen zahlreiche Archivquellen ein, die insbesondere wertvolle neue Nachrichten zu Stiftern, Bauleuten, Kirchenpersonal und Bruderschaften liefern (42-46, 48-50). Dabei versäumen sie es leider, ihre neuen Erkenntnisse im Bereich der schriftlichen Überlieferung mit einer ebenso gründlichen Untersuchung der bestehenden Architektur zu verknüpfen. Dies hat unter anderem zur Folge, dass auch weiterhin nur mit dem alten Grundriss von Adolphe Alphand aus dem Jahr 1876 [5] gearbeitet werden kann (19, Abb. 9), in dem die Autoren lediglich die einzelnen Bauphasen farbig hervorgehoben haben.

Ob sich diese vor allem den archivalischen Baunachrichten entnommenen Informationen mit den in der Architektur - etwa im Fugenplan - ablesbaren Bauetappen in Einklang bringen lassen, wird nicht gesondert behandelt. Die Kritik trifft allerdings nur den architekturhistorischen, ersten Teil des Buchs; sehr erfreulich hingegen ist, dass im zweiten Teil ausführlich und sehr anschaulich die wechselvolle Geschichte der Einrichtung der Kirche mit einem deutlichen Schwerpunkt auf den Glasmalereien beschrieben wird. Selten nur erhält man einen derart vollständigen Überblick über die wandfeste und mobile Kirchenausstattung sowie über Verluste und Ersetzungen.

Abschließend ein paar formale Kritikpunkte: Ausgesprochen leserunfreundlich ist zum einen, dass, wie erwähnt, Unterkapitel der dritten Ordnung nicht im Inhaltsverzeichnis aufgenommen wurden und dem Leser so, auch weil es kein entsprechendes Sachregister gibt, der schnelle Zugriff auf bestimmte Inhalte erschwert wird. Auch die Entscheidung für Endnoten nach den jeweiligen Hauptkapiteln anstelle von Fußnoten dient lediglich einer layouterischen Ästhetik. Erfreulich ist hingegen, dass das Buch durchgehend farbig und zumeist mit großen Abbildungen ausgestattet ist - nach wie vor kein Standard.

Insgesamt haben die beiden Verfasser eine umfassende Baumonografie, die im Abschnitt zur Ausstattung in der Vollständigkeit einem Inventar gleichkommt, mit etlichen neuen Erkenntnissen veröffentlicht und so dieser nicht ausreichend beachteten Kirche unter den Renaissancebauten Frankreichs die ihr gebührende Aufmerksamkeit gewidmet. Dass das Buch in einigen Punkten aktuelle Fragestellungen vermissen lässt, vermag die Gesamtleistung nicht zu schmälern.


Anmerkungen:

[1] Dieter Kimpel: Paris. Führer durch die Stadtbaugeschichte, München 1982, 156-160 und 160-163.

[2] Zur Architektur siehe etwa Anne-Marie Sankovitch: A Reconsideration of French Renaissance Church Architecture, in: Jean Guillaume (Hg.): L'église dans l'architecture de la Renaissance, Paris 1995, 161-180, zu Glasmalerei und Skulptur z.B. Tanja Wessolowski: Druckgraphik als Vorbild. Die Stiche des Léonard Gaultier und die Glasfenster der "Galerie des Charniers" in Paris - ein Beispiel für die Verbreitung gegenreformatorischer Thesen um 1600, in: Markus A. Castor u.a. (Hgg.): Druckgraphik zwischen Reproduktion und Kunst. Zur Institutionalisierung eines künstlerischen Mediums bis 1660, Berlin 2010, 379-392 sowie Marie-Laure Deschamps-Bourgeon / Marie-Emmanuelle Meyohas / Pascale Klein: La mise au tombeau de l'église Saint Étienne-du-Mont a Paris. Étude d'un groupe du XVIe siècle, in: Coré 3 (1997), 11-13, zum Lettner Kimpel 1982 (wie Anm. 1), 164-166 oder Henri Zerner: L'art de la Renaissance en France. L'invention du classicisme, Paris 1996.

[3] Zu dem Thema etwa Mathieu Lours: Porte ou barricade? Le jubé des cathédrales à l'épreuve de la modernité (XVIe-XVIIIe siècles), in: Art sacré 28 (2010), 160-177 und Bertrand Jestaz: Le jubé comme organe de diffusion des formes classiques, in: Jean Guillaume (Hg.): L'église dans l'architecture de la Renaissance, actes du colloque tenu à Tours du 28 au 31 mai 1990 (= De architectura; Bd. 7), Paris 1995, 181-194.

[4] Denis Bocquet: Panthéon ou église Sainte-Geneviève? Les ambiguïtés d'un monument (1830-1885). Mémoire de maîtrise d'histoire, Sorbonne, Paris 1992 (Ms.), 1, URL: https://hal-enpc.archives-ouvertes.fr/hal-00817287 [18.01.2018].

[5] Archive de Paris, 1 Fi 217.

Almuth Klein