Rezension über:

Julia Hodapp: Habsburgerinnen und Konfessionalisierung im späten 16. Jahrhundert (= Reformationsgeschichtliche Studien und Texte; Bd. 169), Münster: Aschendorff 2018, IX + 482 S., ISBN 978-3-402-11593-0, EUR 62,00
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Rezension von:
Matthias Schnettger
Historisches Seminar, Johannes Gutenberg-Universität, Mainz
Redaktionelle Betreuung:
Peter Helmberger
Empfohlene Zitierweise:
Matthias Schnettger: Rezension von: Julia Hodapp: Habsburgerinnen und Konfessionalisierung im späten 16. Jahrhundert, Münster: Aschendorff 2018, in: sehepunkte 19 (2019), Nr. 4 [15.04.2019], URL: https://www.sehepunkte.de
/2019/04/32516.html


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Julia Hodapp: Habsburgerinnen und Konfessionalisierung im späten 16. Jahrhundert

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Die Studie von Julia Hodapp, die Druckfassung einer Tübinger Dissertation von 2016, ist "dem Tod, der Bestattung und der Memoria als Handlungsraum hochadliger Frauen" gewidmet (2). "Handlungsraum" versteht die Autorin in Anlehnung an Albrecht P. Luttenberger als "strukturell umrissener Bereich von Möglichkeiten" (5). Sie vertritt dabei die These, "dass Memoria durch Habsburgerinnen des ausgehenden 16. Jahrhunderts und beginnenden 17. Jahrhunderts zur Verortung der Dynastie in der katholischen Konfessionskultur" genutzt wurde (3). Somit nimmt die Autorin in der Einleitung eine deutliche Zuspitzung des sehr allgemein formulierten Titels vor.

Knapp ausgefallen sind die Angaben zum Vorgehen. Die Eckdaten der Untersuchung, 1569 und 1608, werden zwar mit zwei wichtigen Ereignissen, der Stiftung des Haller Damenstiftes und dem Tod Erzherzogin Marias von Innerösterreich, verknüpft (4). Eine explizite inhaltliche Begründung dieser Eingrenzung bleibt die Verfasserin demgegenüber schuldig; sie ist nur zwischen den Zeilen zu lesen. Auch vermisst man Reflexionen über die Untersuchungsgruppe der "Habsburgerinnen". Dahinter verbergen sich, wie im Verlauf der Lektüre deutlich wird, so unterschiedliche Persönlichkeiten wie die erwähnte Erzherzogin Maria von Innerösterreich, eine geborene Wittelsbacherin, die als Gemahlin des Begründers der innerösterreichischen Linie der Habsburger Erzherzog Karl und Regentin für ihren Sohn Ferdinand (II.) als eigentliche Hauptprotagonistin der Studie erscheint, die französische Königinwitwe Elisabeth oder die Haller Stiftsdamen Magdalena, Margarethe und Helena. Die Untersuchung fußt neben gedruckten Quellen auf ungedrucktem Material aus einer ganzen Reihe von österreichischen und römischen (bzw. vatikanischen) Archiven und Bibliotheken. Im Forschungsbericht spricht Julia Hodapp einige der für ihre Studie relevanten Themenfelder an. Angesichts dessen, dass später die Netzwerke der Akteurinnen eine wichtige Rolle spielen, fällt auf, dass das Themenfeld Mikropolitik nicht berücksichtigt wird.

Auf einen Hinführungsteil, der etwa die Kontexte der dynastischen und der Territorialgeschichte, insbesondere aber die konfessionellen Verhältnisse in den verschiedenen habsburgischen Ländern hätte vergegenwärtigen können, hat die Autorin verzichtet. Leserinnen und Leser, die mit den genannten Gegenständen weniger vertraut sind, dürften daher erhebliche Orientierungsschwierigkeiten haben. Zwar werden die relevanten Informationen - zumindest partiell - im Verlauf der Darstellung sozusagen häppchenweise nachgeliefert. Dadurch ergeben sich freilich manche Redundanzen und Brüche, die mit einer systematischen Kontextualisierung hätten vermieden werden können.

Der eigentliche Analyseteil der Studie zerfällt in drei Abschnitte. Der erste und umfangreichste ist den Stiftungen von Damenstiften und Klöstern gewidmet, konkret des Königlichen Damenstifts in Hall, des Wiener "Königinklosters" und des Grazer Klarissenklosters. Die drei Fallstudien sind weitgehend analog aufgebaut. Ausgehend von der Stiftungsintention beschäftigt sich Julia Hodapp anschließend mit der Standortwahl und den personellen wie den finanziellen Netzwerken. Dank ihrer intensiven Quellenstudien bereichert sie den Kenntnisstand zu den drei Stifts- bzw. Klostergründungen erheblich, wenn auch in unterschiedlicher Informationsdichte. Sie kann zeigen, dass die von ihr behandelten habsburgischen Akteurinnen sich zwar mit den Männern der Dynastie und deren Vorgaben arrangieren mussten, aber durchaus eigene Handlungsspielräume besaßen und diese zu nutzen und gegebenenfalls zu erweitern verstanden. Dabei nutzten sie ihre dynastischen und kirchlichen Netzwerke virtuos. So widersetzte sich die französische Königinwitwe Erzherzogin Elisabeth mit großer Hartnäckigkeit und letztlich erfolgreich allen Plänen, sie in zweiter Ehe mit Philipp II. von Spanien zu verheiraten (102-106). Daran, dass die habsburgischen Damen durch ihre Stiftungen an der "Verortung der Dynastie in der katholischen Konfessionskultur und deren Etablierung in den habsburgischen Territorien" aktiv mitwirkten (26), kann kein Zweifel bestehen. Die angebotenen Erklärungen überzeugen den Rezensenten indes nicht in jedem Fall, wenn etwa die Verfasserin das Drängen der Tiroler Landstände auf den Verbleib der Erzherzoginnen Magdalena, Helena und Margarethe im Land prominent mit der Türkengefahr begründet (37f.). Einige Sachverhalte werden definitiv falsch wiedergegeben. So war, um ein Beispiel zu geben, Kaiserin Maria die Schwester, nicht die Tante Philipps II. von Spanien (95).

Ähnlich ambivalent fällt das Urteil für die Abschnitte B (zu den Bestattungen) und C (zu den Grablegen) aus. Abermals bereichert die Verfasserin den bisherigen Kenntnisstand teils erheblich, etwa zum Trauerzeremoniell am Grazer Hof. Ebenso gelingt es ihr erneut, die Erzherzoginnen - hier namentlich Erzherzogin Maria von Innerösterreich - als selbst- und machtbewusste Akteurinnen, durchaus im Dienst der Gesamtdynastie, aber mit ihrer je individuellen Agenda, vorzustellen. Beizupflichten ist Julia Hodapp beispielsweise, wenn sie ausführt, dass die Wahl Seckaus als Grablege der Grazer Erzherzogsfamilie nicht auf eine einsame Entscheidung Erzherzog Karls zurückgeht, sondern dass Erzherzogin Maria daran wesentlichen Anteil hatte.

Zugleich sind freilich noch gravierendere Brüche und Redundanzen als in Abschnitt A zu konstatieren: So werden die Leichenkondukte nach Seckau in Abschnitt B behandelt; die Grablege als solche wird aber erst in Abschnitt C genauer vorgestellt. Die Darstellung von Leichenkondukt und Leichenbegängnis wird unterbrochen durch vier Unterkapitel zu den Netzwerken (die zusammengenommen etwa die Hälfte des Abschnitts B ausmachen). Dies ist eine Überfrachtung des Kapitels und zerreißt den Erzählfluss völlig unnötigerweise. Hier wäre ein separates Kapitel zu den Netzwerken der Erzherzoginnen sicher die glücklichere Lösung gewesen.

Zu den kompositorischen Mängeln, und teils damit im Zusammenhang stehend, treten aber auch inhaltliche Schwächen. Hierzu einige Beispiele: Man fragt sich, warum die Autorin bei den behandelten Leichenkondukten nicht systematisch erörtert hat, ob und inwiefern die beobachteten Differenzen im Ablauf im unterschiedlichen Status der Verstorbenen (Landesfürst, unverheiratete Prinzessinnen) begründet waren. Weniger gravierend ist, dass das Kapitel B.4.2 nicht so viel "Kulturtransfer" enthält, wie sein Titel verspricht. Ob die Entscheidung für die Bestattung in einer Stifts- oder Klosterkirche treffend als "'Nichtausgestaltung' einer Grablege" (Kapitel C.3) oder nicht besser als Alternative zur dynastischen Grablege bezeichnet werden sollte, wäre zumindest zu erörtern. Legt doch die Verfasserin selbst überzeugend dar, dass mit dieser Form der Beisetzung eine klare konfessionelle Botschaft verbunden war. Besonders irritiert hat den Rezensenten, dass die Monografie Katrin Kellers zu Erzherzogin Maria [1] zwar im Literaturverzeichnis auftaucht, aber kaum zitiert wird, obwohl sie durchaus partiell dieselben Themenfelder behandelt wie die vorliegende Studie. Sei es zustimmend, sei es ablehnend - eine Auseinandersetzung mit dieser Biografie hätte Julia Hodapp leisten müssen.

Auch in den Zwischenfazits sowie im abschließenden Fazit, das auf einen Exkurs zu den (gescheiterten) Seligsprechungsprozessen einiger Erzherzoginnen folgt, stehen neben vielen Befunden, denen man gern zustimmt, auch einige ungenaue oder fehlerhafte Aussagen. So stellt Julia Hodapp fest: "Nach dem Tod von Papst Gregor XV. im Jahr 1623 und dem Tod des jesuitischen Ordensgenerals Aquaviva im Jahr 1615 endete die habsburgische Religionspolitik, die auf Stiftungen als Mittel der Konfessionalisierung zurückgriff" (398). Dabei hat sie einige Seiten vorher (381) selbst auf die "große Stiftertätigkeit" Kaiserin Eleonore Gonzagas, der zweiten Gemahlin Ferdinands II. (1598-1655), hingewiesen. Hier, wie insgesamt in dem Band, ist zudem festzustellen, dass die Verfasserin sich immer wieder auf Forschungsansätze wie die Konfessionalisierungsthese, Kulturtransferforschungen oder Zeremoniellforschungen bezieht, ohne diese aber für ihren Untersuchungsgegenstand wirklich fruchtbar zu machen. Dadurch hat sie zum einen das Erkenntnispotential ihrer intensiven Quellenarbeit nicht völlig ausgeschöpft und es zum anderen versäumt, den Beitrag ihrer Studie zu den einschlägigen Forschungsdiskussionen klar zum Ausdruck zu bringen.

Angesichts der teilweise etwas unübersichtlichen Anlage der Studie ist man für den Personenindex besonders dankbar. Ärgerlich ist, dass zahlreiche Flüchtigkeitsfehler und unglückliche Formulierungen im Text stehengeblieben sind.


Anmerkung:

[1] Katrin Keller: Erzherzogin Maria von Innerösterreich (1551-1608) zwischen Habsburg und Wittelsbach, Wien u.a. 2012, vgl. hierzu die Rezension in sehepunkte 13 (2013), Nr. 9.

Matthias Schnettger