Das Fach Kunstgeschichte ist teilweise dadurch gekennzeichnet, eher das Wissen um gut erforschte Werke mit weiteren Erkenntnissen zu bereichern, als sich gänzlich Unbekanntem zuzuwenden. Auch beschäftigt sich der Forscher bevorzugt mit Gegenständen, die mehr oder minder wohl erhalten vor ihm stehen. Umso mehr sind daher Untersuchungen zu begrüßen, die - auf der mühevoll erarbeiteten Grundlage von Archivrecherchen - ein bislang eher unbekanntes Objekt vorstellen. Eine derartige Arbeit hat Hilda Lietzmann über den Landshuter Renaissancegarten Herzog Wilhelms V. von Bayern vorgelegt. Es sei ausdrücklich betont, dass die Arbeit nahezu ausschließlich auf der Grundlage schriftlicher Überlieferung aufbaut - zeitgenössische Bildquellen oder Pläne gibt es nicht! Dementsprechend genau argumentiert Lietzmann und trennt immer klar zwischen Fakten, Schlussfolgerungen und Vermutungen.
Es handelte sich bei dem Lustgarten um eine Anlage, die Wilhelm als Erbprinz für seine Gemahlin Renata aus dem Hause Lothringen-Vaudémont seit 1573 planen ließ. Die Arbeiten begannen 1574. Verantwortlich für die Anlage des Gartens waren der Baumeister Georg Stern der Jüngere und der Gärtnermeister Mathurin Morin, der aus Lothringen oder Frankreich stammte. Seine Arbeit war so erfolgreich, dass die Eltern des Prinzen für ihren Garten in Dachau Morins Bruder engagierten.
Der Garten lag nicht direkt am Schloss, sondern relativ entfernt im Tal, wo eine geeignete Fläche für die Anlage eines geometrischen Gartens erworben wurde. Als der Garten fast vollendet war, erfolgte 1579 die Auflösung der erbprinzlichen Hofhaltung in Landshut. Als Regent zog er mit seiner Gattin nach München. Wohl wurden die Arbeiten noch eine Zeit lang fortgesetzt; ein Lustgarten, der von der Herrschaft auf Grund seiner Entfernung zur Residenz nicht genutzt werden konnte, sondern sich nur über seinen Ertrag rentieren sollte, war jedoch ein kaum zu finanzierender Luxus. Auch vermehrte Einsparungen konnten keine Kostendeckung erreichen, und so kam es letztendlich zum Verkauf des Gartens mit der Auflage des Erhalts von Anlage und Gebäuden und dem Recht der Wiedereinlösung durch den Herzog. Im Dreißigjährigen Krieg wurde der Garten zerstört, und seine späteren Besitzer verstarben alle hoch verschuldet. So sah sich die Landesherrschaft genötigt, den Garten zurückzuerwerben. Da aber weder Hopfenanbau noch Maulbeerbaumzucht sich rentieren wollten, wurde der Garten 1799 aufgelassen und an verschiedene Bürger verkauft.
Der Garten der Renata war auf einem leicht zur Isar abfallenden Gelände gelegen. Nach außen war er abgeschlossen. Zur Anpflanzung kamen den damaligen Gepflogenheiten entsprechend nicht nur Zier-, sondern auch Nutzpflanzen, und zwar gemischt. Am Anfang erhob sich ein Gartenhaus, in dem sich auch ein Saal für die Herrschaft befand. Die lang gestreckte Anlage war in mehrere Bereiche untergliedert. Im oberen mit dem Gartenhaus war in der Mitte ein Schalenbrunnen situiert. Die Beete waren als Knotenbeete angelegt - zeitgleich mit ihrer Etablierung in Frankreich! Der mittlere Teil wurde von einem Irrgarten mit zentralem Pavillon dominiert, im unteren Teil sollte eine Grotte errichtet werden. Eine vom Gartenhaus ausgehende Achse erschloss den Garten in die Tiefe. Bedeutend ist vor allem, dass der Garten sich ausschließlich an französischen Vorbildern orientierte und nicht etwa an Italien. Er dürfte somit das früheste Beispiel östlich des Rheins sein. Dies versucht auch eine Rekonstruktionszeichnung des Gartens zu verdeutlichen. Die Vergleiche, die Lietzmann heranzieht, können jedoch nicht alle überzeugen. Eine mangelnde Anbindung oder Bezugnahme auf das Schloss reicht hier nicht aus, um eine formale Abhängigkeit herzustellen, zumal es sich ja nicht um den eigentlichen Schlossgarten handelte - der sehr wohl an der Trausnitz lag - sondern den der Gemahlin. Lietzmann selbst findet hier Unterschiede.
Doch liegt in der Rekonstruktion und stilistischen Zuordnung beziehungsweise Ableitung auch nicht die alleinige Bedeutung des zu besprechenden Werkes. Vielmehr kann es als eine Fallstudie verstanden werden, in der detailliert nachgezeichnet wird, wie die Anlage eines Gartens im 16. Jahrhundert ganz praktisch erfolgte. Dies beginnt bereits mit dem Grundstückserwerb und beinhaltet die Beschaffung von Arbeitskräften und Werkzeugen, wie etwa Schubkarren. Interessant ist es nicht nur zu lesen, welche Verhandlungen geführt werden mussten, um die Bewässerung des Gartens zu gewährleisten. Von hohem Interesse ist es auch zu erfahren, wie es der Prinz verstand, Sämereien und Gewächse zu erlangen. Neben Käufen in Frankreich waren es vor allem Geschenke von Fürsten oder Untergebenen. Auch die detaillierten Ausführungen über das halb Europa umspannende Netz des Erbprinzen, mit dem er das für die Ausstattung einer Grotte notwendige Material wie Gesteine, Korallen oder Naturabgüsse zu erlangen suchte, offenbaren neben dem komplexen Entstehungsprozess einer aufwändigen Gartenarchitektur auch die Umsetzung der Wünsche des Auftraggebers im banalen Alltag und die Probleme, die es zu bewältigen galt. Zu letzteren gehörte vor allem recht bald die enorme Verschuldung des Prinzen, der sich zudem offenbar zu Beginn der Planungen nicht im klaren gewesen war, welchen Aufwand eine derartige Gartenanlage erfordern würde. Dies mussten bald auch Architekt und Gärtner erfahren, denen Entlassung oder zumindest Kürzung der Besoldung drohte.
Lietzmann unterlässt es weitgehend, den Garten in die Gartenkultur der Zeit einzuordnen, sondern schreibt seine Geschichte bis zum endgültigen Untergang fort. Dabei nennt sie selbst die Fakten, mit deren Hilfe eine Einordnung erfolgen könnte. So ist weder ein Mangel an Beschäftigung (24), noch das Hobby (29) der Gärtnerei als ausschlaggebend für die Anlage des Gartens anzusehen, sondern die von Lietzmann angeführte Tatsache, dass nicht nur Mutter und Schwiegermutter Renatas einen eigenen Garten besaßen, sondern auch die Fürstinnen in Sachsen oder Württemberg. Diese Bauaufgabe war standesgemäß, und es ist bemerkenswert, dass der Erbprinz nach Anlage eines Tiergartens - dieser war standesgemäß für einen Landesherren - etwas Vergleichbares für seine Gemahlin zu schaffen gewillt war und damit weit über seinen aktuellen Status hinausging. Denn es ist immer in Erinnerung zu halten, dass wir es in doppelter Hinsicht nicht mit einem landesherrlichen Garten zu tun haben, sondern mit dem der Gemahlin eines Erbprinzen.
Dies ist jedoch nur bedingt als ein Mangel der Arbeit anzusehen. Ärgerlicher ist es, wenn in der Rekonstruktionszeichnung "k Irrgarten mit Pavillon" nicht eingetragen ist oder Anmerkungen keine Nachweise enthalten wie auf Seite 104, wo in Anmerkung 46 nicht der Dank des Vaters an den Sohn für die Übersendung von Salat und Erbsen nachgewiesen, sondern Wolf Helmhard von Hohberg und seine "Georgica curiosa", die sich auch mit derartigen Pflanzen beschäftigt, diskutiert wird. Letztendlich schmälert dies aber nicht den Ertrag. Lietzmann hat nicht nur die Monografie eines bis dato nahezu unbekannten Gartens geschrieben, sondern auch detailliert den Entstehungsprozess mit all seinen Umwegen und Rückschlägen, der zur Anlage eines Gartens in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts führte, exemplarisch geschildert. Nicht nur die Materialgrundlage des Faches wurde erweitert, sondern auch ein Instrument zur Beurteilung fürstlicher Renaissancegärten aus historischer Sicht geschaffen. Ein Dokumentenanhang, ein Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein ausführliches Register runden den Band ab.
Hilda Lietzmann: Der Landshuter Renaissancegarten Herzog Wilhelms V. von Bayern. Ein Beitrag zur Garten- und Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit (= Kunstwissenschaftliche Studien; Bd. 93), München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2001, 198 S., 32 s/w-Abb., ISBN 978-3-422-06318-1, EUR 35,50
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