Im Mittelpunkt der Studie von Natacha Coquery stehen die aristokratischen "hôtels" im Paris des 18. Jahrhunderts und deren allmähliche Umwandlung zu repräsentativen Verwaltungsgebäuden und Ministerien. Im Rahmen ihrer Forschungen hat die Autorin festgestellt, dass die sich im 18. Jahrhundert langsam verändernde Konzeption von Verwaltung Auswirkungen auf die Funktion, Nutzung und Einteilung der "hôtels" hatte. Sie rekonstruiert konkurrierende und konvergierende Entwicklungen, die im Laufe des 18. Jahrhunderts zur Umwandlung der "hôtels particuliers", zunächst in "hôtels de fonction" und schließlich in "hôtels administratifs" beigetragen haben. Ein dreifacher Transformationsprozess der "hôtels" wird dabei berücksichtigt: auf der stadtplanerischen, der architektonischen und der sozialen Ebene. Im Kern geht die Studie möglichen Verbindungen zwischen Macht und Monumentalität nach.
Als Quellenmaterial zur Diskussion des Stellenwertes des aristokratischen Stadtpalais in der sich wandelnden Verwaltungskonzeption des 18. Jahrhunderts werden in erster Linie der Almanach royal und verschiedene Paris-Stadtführer benutzt. Einen besonderen Akzent legt Coquery auf die Finanzverwaltung. Dieser Schwerpunkt ist nicht zufällig gewählt, sondern ergibt sich aus der Vorreiterrolle des Finanzwesens bei der Zentralisierung der Verwaltung.
Auf der Suche nach den Ursachen für die Umwandlung des aristokratischen städtischen Privatbesitzes zeigt die Verfasserin komplexe Entwicklungen auf: Noch im 17. Jahrhundert waren die mit der Verwaltung betrauten Hofamtsträger um den König in seinen Palästen versammelt. Im 18. Jahrhundert kam es jedoch zu einem Bruch mit dieser Tradition, als die Amtsträger zunehmend ihre Verwaltungstätigkeit von ihren eigenen Stadtpalais aus auszuüben begannen. Diese Entwicklung lässt sich unter anderem mit der Verlagerung des höfischen kulturellen Lebens in die Pariser Salons hinein erklären, durch die das "hôtel particulier" an Bedeutung gewann. Ursprünglich fungierten diese städtischen "hôtels" als Wohn- und Arbeitsstätte zugleich. Zudem ist anfänglich ein häufiger Wechsel und eine diffuse Verteilung der jeweiligen Verwaltungszweige zu beobachten. Zu dieser Beweglichkeit trugen sicherlich die von den Adligen mit ihrem Stadtbesitz betriebenen lukrativen Geschäfte bei, da die "hôtels" erworben werden konnten. So gelangten zunehmend "hôtels" in königliche Hand, was eine Voraussetzung für die Sesshaftigkeit und allmähliche Zentralisierung der Verwaltung in der Stadt wurde. Parallel dazu nahm im 18. Jahrhundert unter dem Druck der finanziellen Krise die Zahl der Hofämter ab, an deren Stelle "bureaux ministériels" traten. Die Rekrutierung und Laufbahn des Verwaltungspersonals folgten zunehmend festgelegten Regeln.
Um 1760 fällt ein Umbruch auf: Die Nutzung der "hôtels" als Wohnstätte trat allmählich zu Gunsten der administrativen Funktion in den Hintergrund. Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts kam es verstärkt zur Rationalisierung und Zentralisierung des Verwaltungsapparates und somit zum Umbau der Verwaltungssitze, der "hôtels", sodass der Wohnraum schließlich ganz durch Büros beziehungsweise repräsentative und öffentliche Räume ersetzt wurde. Necker brachte mit seinen finanziellen Reformen insbesondere die Zentralisierung und Spezialisierung der Verwaltung ab Ende der 70er-Jahre des 18. Jahrhunderts entscheidend voran. Die Bürohäuser wurden zu einem Kernstück dieses neuen Modells von Verwaltung. Die Ansammlung von Verwaltungspersonal in "hôtels" vollzog sich zeitgleich mit einer Konzentration des Finanzwesens im Nordwesten von Paris. All diese Veränderungen begünstigten die Verwandlung des "hôtel particulier" in einen Verwaltungssitz.
Wenn die Konzentration der Finanzverwaltung im Pariser Nordwesten auffällt, so liegt dies wohl an dem Streben nach einer Verbindung zwischen Monumentalität und Funktion: Dem Transfer des Hofes von Paris nach Versailles unter Ludwig XIV. folgte eine verstärkte Errichtung von "hôtels" im Westen. Diese "hôtels" wurden von der sich wandelnden Finanzverwaltung beansprucht, weil sie dem Bedarf nach Monumentalität entsprachen. Anders gesagt, beweist nach Ansicht Coquerys die Konzentration der Finanzverwaltung im Nordwesten, dass zunehmend bewusst nach Monumentalität und Repräsentativität gesucht wurde. Diese Erklärung, die in der Fülle der beschriebenen Entwicklungen dem Leser leicht entgehen kann, nimmt eine Schlüsselrolle in der Argumentation Coquerys für die Verbindung zwischen Macht und Monumentalität und für die Bedeutung der "hôtels" als bewusst gewählte Herrschaftsorte, die eine Kontinuität zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert schaffen, ein. Nach 1789 wurde dann die Nutzung von enteigneten "hôtels" zu administrativen Zwecken mit der Entstehung der "hôtels de type ministériel" systematisch fortgesetzt.
Für die "hôtels" selbst bedeutete der Wandel im 18. Jahrhundert zunächst nur geringe Veränderungen an ihrer äußeren Erscheinung: Die Fassaden blieben weitgehend unberührt. Hingegen erfuhr im Innenbereich die Zimmeraufteilung radikale Veränderungen hin zu mehr Uniformität und Funktionalität. Auch die Ornamente mussten den neuen Erfordernissen weichen. Als äußere Veränderung ist außerdem eine Verdichtung der Stadt zu vermerken, da Gärten und Innenhöfe den Expansionsbedürfnissen der Verwaltung geopfert wurden. In einer späteren Phase wurden zunehmend Säulen in den Fassaden als Zeichen der Erneuerung eingefügt. Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts kam es schließlich zu einer 'Charakterarchitektur' oder 'architecture parlante' im Sinne der Aufklärer: Die Formen sollten auf die Funktionalität der Gebäude hindeuten. Die ästhetischen Merkmale der "hôtels" machten anderen Normvorstellungen Platz. Das öffentliche Gebäude wurde zum Tempel, seine Monumentalität und Repräsentativität sollten seiner Nutzung dienen. Die Umsetzung des veränderten Verwaltungskonzepts trug zur Entstehung einer monumentalen Verwaltungsarchitektur am Ende des 18. Jahrhunderts bei, die im 19. Jahrhundert zum maßgeblichen architektonischen Modell wurde. Eine Abstimmung von Formen, Wirkung und Funktion wurde nach den verschiedenen Verwandlungen der "hôtels particuliers" im 18. Jahrhundert nun zum Maßstab der Verwaltungsarchitektur im 19. Jahrhundert.
Die Autorin widerspricht der Forschungstradition, die die Revolution und das Empire für die Einrichtung von institutionellen Orten verantwortlich macht. Sie beweist, dass die Vorliebe der Verwaltung für das aristokratische "hôtel" auf einer langen Tradition beruht und dass der Aneignungsprozess nicht erst mit den Enteignungen der Französischen Revolution einsetzte. Bereits im Ancien Regime wurde die Grundlage für das moderne Beamtenwesen, die Bürokratisierung und Professionalisierung geschaffen. Coquery legt außerdem nahe, dass die Revolution in Bezug auf die Verwendung der aristokratischen "hôtels" in der absolutistischen Tradition stand, indem sie beispielsweise darstellt, wie der königliche Palast der Tuilerien mit der Revolution zu einem Innenministerium wurde, sodass er seine ursprüngliche Funktion - "accueillir le pouvoir" - zurückerhielt.
Der Teil der Untersuchung, der den sozialen Akteuren und ihrer Beziehung zu den "hôtels" gewidmet ist, fällt leider relativ knapp aus. Die Rezipientenseite hätte vielleicht ebenfalls stärker berücksichtigt werden können. Zwar wird die kontroverse zeitgenössische Debatte über die "architecture parlante" beziehungsweise über die Möglichkeit, mit der Architektur Botschaften zu vermitteln, behandelt, die Wirkung der Architektur auf die "Administrés" und die Frage der Rezeption der Monumentalität von Herrschaftsorten durch die Pariser Bevölkerung bleiben allerdings offen. Ein eher praktisches Problem ergibt sich aus dem Fehlen eines zeitgenössischen Pariser Stadtplans, anhand dessen die Lage der "hôtels" und Straßen hätte nachvollzogen werden können.
Argumentativ ist der Gang der Untersuchung nicht immer einsichtig. So wird die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Verwaltungsbildung und dem Aufkommen von Verwaltungsgebäuden einseitig gestellt: Die Autorin geht von der Einflussnahme eines neuen Verwaltungstyps auf die "hôtels" (58) aus. Ebenso hätte man von der Prämisse eines gegenseitigen Einflusses beziehungsweise einer Prägung des Verwaltungsdenkens durch die gewählten Verwaltungsgebäude ausgehen können, was möglicherweise nuanciertere Ergebnisse ermöglicht hätte.
"La volonté de monumentalité se lit dans le réemploi de la demeure noble [...]" (152), allerdings macht die an anderer Stelle erwähnte Zufälligkeit, mit der die königliche Obrigkeit aristokratische "hôtels" in Paris zur Unterbringung ihrer Verwaltung erwarb (98ff.), stutzig über die dahinter vermutete Intention. Könnte der Pragmatismus und der Bedarf an Gebäuden nicht eine ebenso große Rolle im Aufkommen des "hôtels" als "édifice public" gespielt haben (171, 182)? Interessant auch wäre die Frage gewesen, ob der Verwaltungsapparat sich bewusst der aristokratischen Vergangenheit der "hôtels particuliers" bediente, um seine zunehmende Machtposition zu behaupten. Die Untersuchung lässt die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Machtrepräsentation und seiner Rezeption offen und sensibilisiert damit für ein Desiderat der Forschung.
Neben Stadt- und Verwaltungshistorikern wird das Buch vornehmlich Wirtschafts- und Rechtshistoriker interessieren. Über diese Forschungsfelder hinaus bietet die Untersuchung eine interessante Problematisierung der Gratwanderung zwischen Privatheit und Öffentlichkeit. Eine Diskussion des frühneuzeitlichen Verständnisses von Öffentlichem und Privaten, wo dieses verstrickte Gegensatzpaar einen zentralen Stellenwert in der Untersuchung erlangt hätte, hätte angefügt werden können. Das ursprüngliche "hôtel particulier" als Ort der Privatheit zu postulieren erscheint fragwürdig, bedenkt man seine stete Rolle als Ort der Vergesellschaftung.
"L'espace du pouvoir" reiht sich in eine jüngere Forschungslinie ein, die zur Überwindung der Zäsur des Jahres 1789 in der französischen Geschichtsschreibung beiträgt. Coquerys Untersuchung von Modernisierungs- und Zentralisierungstendenzen im Verwaltungsapparat des 18. Jahrhunderts zeigt Kontinuitäten zwischen dem 18. und dem 19. Jahrhundert auf.
Zur Relativierung der Zäsur der Französischen Revolution im Umgang mit den aristokratischen "hôtels" hätte sich angeboten, das Untersuchungsfeld auf das Revolutionszeitalter zu erweitern. So ergibt sich ein unbestreitbarer Bruch im Umgang mit den Herrschaftsorten während der Revolution, dem die Untersuchung von Kontinuitäten möglicherweise zu wenig Bedeutung einräumt: Die von Coquery beschworene "dignité" der "hôtels" wird verletzt, die "hôtels" werden gestürmt und enteignet.
Das Schlusswort der Untersuchung endet mit einem Blick auf Bercy: Tatsächlich folgte dem aristokratischen "hôtel de type ministériel" des 19. Jahrhunderts im 20. Jahrhundert ein neuer Typ von administrativen Gebäuden. Für die Finanzverwaltung, die für das 18. Jahrhundert im Fokus der Untersuchung steht, wurden beispielsweise durch den Bau eines neuen Finanzministeriums in Bercy weite Teile eines populären Pariser Stadtviertels zerstört. Ein Vergleich der Verwaltungsarchitektur des endenden 18. Jahrhunderts mit derjenigen des 20. Jahrhunderts würde vermutlich eine Steigerung der im Mittelpunkt der Untersuchung stehenden Monumentalität belegen.
Natacha Coquery: L'espace du pouvoir. De la demeure privée à l'édifice public Paris 1700-1790, Paris: Editions Seli Arslan 2000, 224 S., ISBN 978-2-84276-034-2, EUR 22,50
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