"Das bisschen Haushalt, macht sich von allein, sagt mein Mann", sang Johanna von Koczian in den 1970er-Jahren. Seitdem hat sich wenig geändert. Obwohl mittlerweile 86% der deutschen Männer der Meinung sind, die Aufgaben im Haushalt müssten zwischen den Partnern gerecht aufgeteilt werden, übernehmen die heute überwiegend berufstätigen Frauen immer noch den weitaus größeren Teil der Hausarbeit. Auch die Kinderbetreuung blieb weitgehend Frauensache. Die weibliche Doppelbelastung mit Haus- und Erwerbsarbeit ist ein typisches Phänomen moderner Industriegesellschaften, denn "in den deutschen Zusammenbruchs- und Wiederaufbaugesellschaften breitete sich Hausarbeit als alltägliche Übung von Frauen jeglichen Familienstands aus, und ihre Handhabung glich sich in fast allen sozialen Schichten immer mehr an" (33).
Ein Versuch, die gestressten Frauen zwischen Beruf und Familie durch die Politik zu entlasten, war der so genannte Hausarbeitstag. Eingeführt von den Nationalsozialisten als monatlicher, unbezahlter "Waschtag" für die in der Rüstungsindustrie dienstverpflichteten nicht-jüdischen Frauen mit eigenem Hausstand, existierte der mittlerweile bezahlte Hausarbeitstag auch nach dem 2. Weltkrieg sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik weiter. Carola Sachse untersucht in ihrer 500 Seiten starken Habilitationsschrift die Auseinandersetzungen um den Hausarbeitstag in Ost und West von seiner Einführung 1939 bis zu seiner endgültigen Abschaffung 1994. Der langjährige Streit um dieses "Sonderrecht" für Frauen sei ein "seltener historiographischer Glückstreffer", so die Autorin, bündelten sich hier doch die Vorstellungen der verschiedenen politischen Systeme, "wie Erwerbsarbeit und Hausarbeit in ein funktionierendes und gesellschaftlich akzeptables Verhältnis zu setzen seien" (15).
Die Geschichte des Hausarbeitstages ist keine reine "Erfolgsstory", zu groß waren über die unterschiedlichen Zeiten hinweg die Vorbehalte vor allem der Arbeitgeber in beiden Teilen Deutschlands gegen ihn. Politiker und Gewerkschaftler im Westen warnten die Frauen vor sinkenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt, während die "Volkseigenen Betriebe" im Osten mehr Krippenplätze versprachen, wenn die Frauen auf Inanspruchnahme des Hausarbeitstages verzichteten. Aber Arbeiterinnen und weibliche Angestellte setzten sich zunächst erfolgreich für die Beibehaltung des ihnen gewährten "Sonderrechtes" ein.
In der Bundesrepublik gab es nur in den vier Bundesländern Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen einen gesetzlichen Anspruch auf einen bezahlten Hausarbeitstag, der sich mit der Einführung der 5-Tage-Woche und den freien Samstagen meist von selbst erledigte. Immer wieder wurde hier in zahlreichen Arbeitsgerichtsprozessen insbesondere um die Vereinbarkeit dieses Frauensonderrechts mit dem Gleichberechtigungsgebot des Grundgesetzes gestritten. Nach der Beschwerde eines allein stehenden Mannes vor dem Bundesverfassungsgericht wurde der Hausarbeitstag als exklusives Frauenrecht schließlich 1979 für verfassungswidrig erklärt.
In der DDR hingegen wurde 1952 der bezahlte Hausarbeitstag gesetzlich einheitlich festgeschrieben, allerdings nur für verheiratete Frauen. 1965 wurde der Kreis der Anspruchsberechtigten auf allein stehende Frauen mit Kindern unter 18 Jahren erweitert und schließlich im Arbeitsgesetzbuch ab 1977 auch Frauen (und teilweise auch Männern) ohne Kinder über 40 Jahren zugestanden. Die endgültige Abschaffung erfolgte schließlich 1994 im Arbeitszeitrechtsgesetz.
Die vorliegende Arbeit ist der vergleichenden Geschlechtergeschichte verpflichtet und versucht, "über die Analyse parlamentarischer Debatten und der in den zeitgenössischen Medien präsentierten Texte und Bilder hinaus alle Akteursgruppen, insbesondere aber Äußerungen von Frauen und Männern, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Hausfrauen und Ehemännern, Bürgerinnen und Bürgern einzubeziehen" (32). Sie ist gegliedert in fünf Kapitel, in denen die einzelnen Akteure und deren Argumentation genauer beleuchtet werden. Die Autorin beschäftigt sich zunächst mit der "Erfindung des Hausarbeitstages" im Nationalsozialismus und mit dessen gesetzlicher Fortschreibung auf Betreiben der KPD in den vier Besatzungszonen (Kapitel I). Ihr eigentliches Interesse aber gilt den Debatten um den Hausarbeitstag in der Bundesrepublik und der DDR seit 1949 sowie den einzelnen Akteuren (Kapitel II). Diese sind in fünf Gruppen unterteilt: in politische Entscheidungsträger, Gewerkschaften, Betriebe sowie betroffene Frauen beziehungsweise deren Ehemänner und Kollegen. Carola Sachse geht es nicht nur darum, die politischen und sozialen Auseinandersetzungen um den Hausarbeitstag herauszuarbeiten, sondern sie untersucht an diesem Beispiel auch die unterschiedlichen gesellschaftlichen Vorstellungen über Haus- und Erwerbsarbeit (Kapitel III). Des Weiteren wird das Gerechtigkeitsempfinden von Frauen und Männern in Bezug auf den Hausarbeitstag und dessen politische Regulierung beleuchtet (Kapitel IV). Ein letztes Kapitel schließlich beschäftigt sich mit der Frage nach den alltäglichen Praktiken im Konfliktfeld Lohnarbeit - Hausarbeit aus geschlechterpolitischer Perspektive (Kapitel V).
Im Vergleich der politischen Systeme - Nationalsozialismus, DDR und Bundesrepublik - werden die jeweiligen Besonderheiten in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und Regulierungsversuchen den langfristig wirkenden Vorstellungen und Strukturen gegenübergestellt. Gestritten wurde vor allem um die Berechtigung, welchem Personenkreis der Hausarbeitstag unter welchen Voraussetzungen gewährt werden sollte. Diesen Sachverhalten geht die Autorin anhand eines reichen Quellenmaterials nach. Neben der staatlichen Überlieferung (Bundesarchiv Koblenz und Berlin, Nordrhein-westfälisches Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Staatsarchive Bremen und Hamburg) wertet Carola Sachse auch Aktenmaterial aus Kirchen-, Partei- und Gewerkschaftsarchiven sowie die zeitgenössische Publizistik aus. Insbesondere die zahlreichen Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern in der DDR sowie die nicht minder zahlreichen Gerichtsurteile in der Bundesrepublik zum Hausarbeitstag ermöglichen es, "die Kontroversen um Arbeit, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung von der Regierungsebene bis hinunter zur Ebene der betroffenen Männer und Frauen zu rekonstruieren" (21).
Carola Sachse hat eine gut lesbare, nicht nur die Diskussion um den Hausarbeitstag in allen Facetten ausleuchtende Untersuchung vorgelegt, die sich bisweilen allerdings etwas im Einzelfall verliert. Die Relevanz der Studie wird aber von dieser Detailfreude nicht beeinträchtigt, gelingt es Carola Sachse doch anschaulich, die Debatte um den Hausarbeitstag im Systemvergleich in die übergeordnete Perspektive der Geschlechtergeschichte einzuordnen. Die Diskussionen um dieses "Sonderrecht" für Frauen haben in Ost und West "zu zwiespältigen Ergebnissen geführt: Einerseits waren abhängig beschäftigte Frauen - Arbeiterinnen, Angestellte, Beamtinnen - in beiden Teilen Deutschlands eine beachtliche und von ihren Mitspielern ernstgenommene Akteursgruppe" (381). Andererseits aber gelang es den Frauen nicht, ihre Wünsche ganz zu verwirklichen und die endgültige Abschaffung des Hausarbeitstages im Westen zu verhindern beziehungsweise auch die allein stehenden Frauen im Osten vollends in diese Vergünstigung mit einzubeziehen. Hausarbeit ist heute kein Politikum mehr, sondern Privatsache. Die Realisierung bleibt aber immer noch weitgehend den Frauen überlassen, denn "das bisschen Haushalt, kann so schlimm nicht sein, sagt mein Mann".
Carola Sachse: Der Hausarbeitstag. Gerechtigkeit und Gleichberechtigung in Ost und West 1939-1994, Göttingen: Wallstein 2002, 504 S., ISBN 978-3-89244-508-1, EUR 32,00
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