sehepunkte 3 (2003), Nr. 7/8

Georg Mölich / Joachim Oepen / Wolfgang Rosen (Hgg.): Klosterkultur und Säkularisation im Rheinland

Der Landschaftsverband Rheinland veranstaltete von Herbst 2000 bis Herbst 2001 drei Fachtagungen. Sie befassten sich in unterschiedlicher Profilierung mit der Säkularisation der katholischen Klöster und Stifte der linksrheinischen Gebiete im Jahr 1802. Viele der in diesem Rahmen gehaltenen Vorträge liegen hier nun im Druck vor.

Insgesamt versammelt der anzuzeigende Band 25 Aufsätze, die sich auf ihre je eigene Weise der Thematik nähern und von den Herausgebern nach zwei einleitenden Beiträgen unter vier Rubriken gegliedert wurden: "Kloster- und Stiftskultur im Rheinland", "Frömmigkeit und Kirchen", "Wirtschaftliche und soziale Aspekte" sowie "Kunst und Literatur". Ein Personenregister sowie ein Orts-, Kloster- und Stiftsregister ermöglichen den schnellen Zugriff auf die dargebotenen Informationen. Eine dem Buch beigefügte CD-ROM mit Datenmaterial über die zu veräußernden Nationalgüter in den vier rheinischen Departements 1803-1813 runden die in gedruckter Form vorgelegten Ergebnisse ab.

Nach den einleitenden Bemerkungen der Herausgeber über die Begriffe "Klosterkultur", "Rheinland", "Säkularisation und Säkularisierung" sowie den Aufbau des Bandes und vier Karten, die Veränderungen zwischen 1789 und 1809 visualisieren, folgt ein Beitrag über die rheinische Klosterlandschaft vor der Säkularisation von 1802/03. Wolfgang Schaffer hat seine sich vor allem auf das Erzbistum Köln beziehenden Ausführungen mit vier übersichtlichen Listen ergänzt: einer Zusammenstellung der Zahl der Klöster nach Orden, einer Übersicht über die Klöster und Stifte im Erzbistum Köln, einer Übersicht über die Klöster und Stifte in der Reichsstadt Aachen und den an das Erzbistum Köln angrenzenden niederrheinischen Gebieten sowie einer Übersicht über die in der Stadt Köln nach der Säkularisation noch bestehenden Beginen-Gemeinschaften. Die auf den Beitrag von Schaffer folgenden Beobachtungen von Toni Diederich, des Leiters des erzbischöflichen Archivs in Köln, zu den rheinischen Kollegiatstiften am Vorabend der Französischen Revolution beziehen sich auf die Erzbistümer Köln und Trier und veranschaulichen, dass es sich bei dem Begriff "Rheinland" im Titel des Buches keineswegs um "einen klar definierten Raumbegriff" handelt, sondern dass er "für eine Pluralität von Räumen" steht, "die gleichwohl in pragmatischer Absicht unter diesem eingeführten Oberbegriff subsumiert werden können", wie es die Herausgeber formulieren (13).

Von den sechs weiteren Aufsätzen des Kapitels über die Kloster- und Stiftskultur im Rheinland soll hier nur noch auf den Beitrag von Christian Reinicke näher eingegangen werden. Er setzt sich mit der Bedeutung der Säkularisation für die kirchlichen Archive im Rheinland auseinander, wobei auch die Bibliotheken immer wieder miteinbezogen werden. "Auf die Archive der Klöster ist besonders Sorgfalt zu nehmen", mit diesem Zitat aus einem Reskript des Kurfürsten Maximilian Joseph von Bayern vom 17. Februar 1803 überschreibt Reinicke seine aus der Perspektive eines staatlichen Archivars geschriebenen Ausführungen. Sie kommen zum Teil zu sehr allgemeinen Schlüssen, obwohl ihr Autor selbst betont, dass eine vergleichende Geschichte der Stifts- und Klosterarchive während der Säkularisation im Rheinland bis heute fehlt (106). Ob es angesichts dieser Forschungslage gerechtfertigt ist, zu behaupten, dass durch Klagen der Säkularisierungs-Kommissare über fehlende Ordnung und Pflege - Reinicke selbst bezeichnet sie als "sehr stereotyp" - "der Zustand der kirchlichen Archive in vielen Stiften und Klöstern durchaus realistisch beschrieben worden sein könnte" (109), erscheint zumindest zweifelhaft. Dass den Kommissaren von den Angehörigen der betroffenen kirchlichen Einrichtungen keine Inventare der Archive und keine Kataloge der Bibliotheken zur Verfügung gestellt wurden, heißt nicht, dass diese nicht vorhanden waren; unter Umständen wurden sie bewusst zurückgehalten, wie dies Reinicke selbst zurecht für Archivalien des Klosters Merten (113) annimmt.

Der Beitrag von Reinicke weist auf eine wichtige Lücke des anzuzeigenden Bandes. Es fehlt ihm ein umfassender Beitrag zur katholischen Aufklärung im Rheinland. Die vor allem von Andreas Kraus, Richard van Dülmen, Ludwig Hammermayer und Alois Schmid angeregte Forschung zur Aufklärung in den bayerischen Stiften und Klöstern hat gezeigt, dass dort ein ausgesprochen reiches kulturelles und wissenschaftliches Leben blühte; ebenso ist deutlich geworden, welch hohes Niveau die kirchlichen Bildungseinrichtungen besaßen. Über die Situation im Rheinland erfährt der am Vergleich interessierte Leser des vorliegenden Buches nur wenig und am Rande, wie etwa im Beitrag von Bertram Resmini zu den Verhältnissen im Trierer Erzstift. Dieser Befund ist kein Zufall, sondern spiegelt den Stand der Forschung über die Säkularisation und ihrer Vorgeschichte im Rheinland wider. Hier konzentrierte sich der Blick nicht auf die letzten Jahrzehnte vor der Französischen Revolution (72), vielmehr standen in der rheinischen Forschung - angeregt durch Wolfgang Schieder und seine Trierer Arbeitsgruppe seit den 1980er Jahren - vor allem wirtschafts- und sozialgeschichtliche Fragen im Zentrum. So erstaunt es nicht, dass Themen aus diesem Komplex nach drei Beiträgen zur Frömmigkeitsgeschichte des Rheinlands - zu Bruderschaften (Joachim Oepen), dem Wallfahrtswesen (Dieter P. J. Wynand) und dem Protestantismus (Andreas Metzing) - das umfangreichste Kapitel des Bandes bilden, wobei der Schwerpunkt der neun Beiträge auf den Verhältnissen in der Stadt Köln liegt.

Wolfgang Rosen widmet sich in einem mit anschaulichen Grafiken abgerundeten Aufsatz der ökonomischen Lage der Kölner Klöster, Joachim Deeters beschreibt den Weg zur Säkularisation, die Maßnahmen gegen Kölner Klöster in den Jahren von 1795 bis 1801, und Klaus Müller beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Säkularisation auf die städtische Gesellschaft in Köln. Beiträge zur klösterlichen Armen- und Krankenfürsorge im 18. Jahrhundert (Rüdiger Nolte), zur Auswirkung der Säkularisation im rechtsrheinischen Kölner Raum (Eric Barthelemy), zur Aufhebung der Klöster im Herzogtum Berg (Kurt Wesoly), den Besitzumschichtungen im Rheinland (Gabriele B. Clemens), der Säkularisation und Mediatisierung in den vier rheinischen Departements (Manfred Koltes) und über die öffentliche Lehrtätigkeit von Mendikanten um 1800 (Johannes Kistenich) runden den Abschnitt zu den wirtschaftlichen und sozialen Aspekten der Säkularisation ab.

Im letzten Teil des Buches zu "Kunst und Literatur" geht es um den Ausverkauf von Kunstwerken aus Kölner Kirchengütern (Susanne Blöcker), den Beginn der rheinischen Denkmalpflege (Christoph Schaden) und literarische Reflexionen über Säkularisation und Säkularisierung (Ernst Ribbat).

Es wäre wünschenswert, dass die vielfältigen Anregungen des Sammelbandes in der Forschung bald aufgegriffen werden.

Rezension über:

Georg Mölich / Joachim Oepen / Wolfgang Rosen (Hgg.): Klosterkultur und Säkularisation im Rheinland, Essen: Klartext 2002, 439 S., 1 CD, ISBN 978-3-89861-099-5, EUR 38,00

Rezension von:
Dietmar Grypa
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Empfohlene Zitierweise:
Dietmar Grypa: Rezension von: Georg Mölich / Joachim Oepen / Wolfgang Rosen (Hgg.): Klosterkultur und Säkularisation im Rheinland, Essen: Klartext 2002, in: sehepunkte 3 (2003), Nr. 7/8 [15.07.2003], URL: https://www.sehepunkte.de/2003/07/2562.html


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