An seinem Standpunkt lässt Claus Leggewie von Anfang an keinen Zweifel aufkommen: über die "Globalisierung und ihre Gegner" schreibt der Gießener Politikwissenschaftler nicht als kühler Analytiker und nüchterner Chronist, sondern als erklärter Sympathisant der globalisierungskritischen Szene. Das muss nicht unbedingt ein Nachteil sein, stehen doch mit der Globalisierung zentrale demokratietheoretische Fragen im Mittelpunkt seiner Studie. Leider hat sich Leggewie keine besonders große Mühe gegeben, sein Buch klar zu strukturieren: Es zerfällt in zwei inhaltlich kaum miteinander verbundene Teile, wobei nur der erste in direkter Verbindung zum Titel steht. Hier waren wohl verkaufsstrategische Gründe dafür ausschlaggebend, dass der Leser nicht wirklich erhält, was der Umschlag verspricht - anders ist es auch nicht zu erklären, dass hier von den "Gegnern" der Globalisierung die Rede ist, während Leggewie im Text, wie unter Sympathisanten üblich, konsequent von "Kritikern" spricht.
Im ersten und analytisch dichteren Teil untersucht Leggewie den Begriff ebenso wie das Lager der Kritiker der Globalisierung. Drei analytische Kategorien führt er dazu ein, mit deren Hilfe er das neue Bild der Weltgesellschaft zu beschreiben versucht: Entgrenzung, Glokalisierung und Hybridität. Entgrenzung lässt sich mit Blick auf die schwindende Bedeutung nationalstaatlicher Grenzen und Aufgaben ebenso beobachten wie - im innenpolitischen Bereich - in der zunehmenden Auflösung der Grenzen zwischen privatem und öffentlichem Sektor. Glokalisierung kennzeichnet den Prozess, in dem eine wachsende Zahl von Sektoren des modernen Lebens vom permanenten und systematischen Zusammenspiel globaler und lokaler Faktoren geprägt werden. Hybridität schließlich meint verstärkt entstehende kulturelle Misch- und Zwittergebilde und neue, transnationale Identifikationsmöglichkeiten auch im politischen Bereich. Hybridität dient Leggewie auch als begriffliches Instrument, um den Gegnern einer kulturellen Globalisierung und ihrer Behauptung einer weltweiten "McDonaldisierung" entgegenzutreten. Er betont gegen dieses Einbahnstraßendenken zu Recht den Prozess der kreativen Aneignung fremder Kulturelemente. Er kritisiert die westliche Tendenz, aus falsch verstandener Solidarität kulturelle Unterschiede zu verabsolutieren, und verurteilt einen neuen "Kult des Besonderen und eine Xenophilie" (45), der darauf hinauslaufe, andere kulturelle Gemeinschaften von externer Kritik etwa in der Frage der Menschenrechte, auszunehmen.
In der Folge behandelt der Autor verschiedene Typen der Globalisierungskritik seit den 1990er-Jahren. Vor allem der Kritik der "Straße", einem national jeweils unterschiedlich zusammengesetzten Bündnis aus einer neuen "Bewegungslinken" und traditionelleren Interessengruppen wie Gewerkschaften sei es zu verdanken, dass die "Umkehr der Beweislast" (58) von den Kritikern hin zu den Propagandisten der Globalisierung erfolgt sei. Verstärkt werden ihre Reihen von "Insiderreformisten", die, wie der ehemalige Vizepräsident der Weltbank Joseph Stiglitz, die Bewegung intellektuell unterstützen und mit Gegenexpertise versorgen. Diese Gruppe mit ihrer Fähigkeit, "seriöse Anstöße für eine Reform der Weltwirtschaft" (64) zu geben, ist laut Leggewie vor allem dafür verantwortlich, dass das neoliberale Dogma transnationaler Agenturen wie IWF und Weltbank in letzter Zeit stärker ins Wanken geraten sei.
Im zweiten Teil ("Resistenz und Reform") behandelt Leggewie Nichtregierungsorganisationen (NROs) und transnationale Bewegungen als Transmissionsriemen der Globalisierungskritik und analysiert deren Chancen und Defizite beim Aufbau einer globalen Demokratie. Supranationale Einrichtungen (wie etwa die finanzpolitischen Institutionen der UNO, WTO, IWF und Weltbank) stünden nach wie vor im Zeichen der Exekutive und müssten sich demokratischer Kontrolle stärker öffnen. Je größeres Gewicht NROs bei der Verteilung globaler Macht, bei der Erzeugung von Solidarität über nationale Grenzen hinweg, bei der Bereitstellung von Gegenexpertise oder der Verbreitung moralischer Werte erhielten, desto mehr müssten auch sie sich ihren eigenen Legitimitätsdefiziten stellen. Sie unterliegen nach Leggewies einem "Demokratieparadox": Zwar hätten transnational aktive NROs demokratisierende Funktionen für das Weltsystem, gleichzeitig agierten sie selbst ohne ausreichendes demokratisches Mandat.
Für das internationale System skizziert Leggewie fünf mögliche "Wege aus der Legitimationskrise" (154). Als "Holzweg" (154) bezeichnet er den im anglo-amerikanischen Bereich favorisierten Pfad der "demokratischen Isolation", die auf den Rückzug auf nationale politische Gremien zielt und den Rückbau internationaler Politikverflechtung nahe legt. Für falsch hält er auch die Schaffung supranationaler Parlamente, solange diese nicht auf einer gemeinsamen Wertgrundlage ihrer Wählerschaft aufbauen könnten. Und auch in einer "Verhandlungsdemokratie", in der Interessengruppen unterhalb staatlicher Hierarchien innerhalb eines festen Rahmens miteinander zu Problemlösungen zu kommen versuchen, sieht er keine adäquate Lösung. Hier bestehe bei der Übertragung auf das internationale System die Gefahr von weniger statt mehr Transparenz. Es drohe Bürokratisierung und die Durchsetzung der stärkeren und handlungsfähigeren Interessen. Den Ausweg bietet nach seiner Einschätzung eine "Weltbürgerföderation", die "Erweiterung der nationalen Staatsbürgerschaft um Aspekte weltbürgerlicher Beteiligung" (164). Wie diese allerdings konkret aussehen könnte, was ihre Vorzüge und ihre Schwächen sind, über all das gibt Leggewie allerdings nur andeutungsweise Auskunft, sodass am Ende mehr Fragen als Antworten bleiben.
Am Ende des Buches richtet Leggewie einen Appell an die NROs innerhalb der Bewegung der Globalisierungskritiker. Diese sollten ihre Kräfte konzentrieren, sich auf Agenda-Setting, Mobilisierung sowie die Bereitstellung von Gegenexpertise konzentrieren, ansonsten aber mit den Parteien der linker Mitte zusammenarbeiten, ohne sie aber ersetzen zu wollen.
Insgesamt enthält Leggewies Studie manches Nützliche und Anregende zur aktuellen Debatte um die Globalisierung. Ein kompakter Überblick über deren Grundlinien wird ebenso geboten wie eine präzise Beschreibung der unterschiedlichen globalisierungskritischen Akteure und Argumente. Als teilnehmender Beobachter ist er mit der globalisierungskritischen Szene in den USA, Frankreich und Deutschland bestens vertraut. Sein Buch ist gleichermaßen der Versuch einer demokratietheoretischen Deutung als auch politischer Handlungsauftrag für die Kritiker der Globalisierung, deren Legitimationsdilemma er offen benennt. Dass dabei vieles holzschnittartig bleibt, kann kaum verwundern. Schließlich hat die wissenschaftliche Debatte um einen "transnationalen Regimewechsel" (168), wie Leggewie ihn sich wünscht, eben erst begonnen.
Claus Leggewie: Die Globalisierung und ihre Gegner (= Beck'sche Reihe; 1487), München: C.H.Beck 2003, 206 S., ISBN 978-3-406-47627-3, EUR 9,90
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