Als Teil des größer angelegten Projekts "biografiA - biografische Datenbank und Lexikon österreichischer Frauen" [1] des Instituts für Wissenschaft und Kunst in Wien enthält das vorliegende Lexikon [2] 342 bio-bibliografische Artikel (1-837) zu Frauen, die vom ausgehenden 19. bis zum Ende des 20. Jahrhunderts wissenschaftlich tätig waren [3]. Dabei sind in einem weiten Sinn alle Bereiche von Kultur- und Naturwissenschaften von der Afrikanistik und Ägyptologie bis zur Zoologie usw. berücksichtigt, aber auch Architektur (z. B. Margarete Schütte-Lihotzky) und Literatur (Ingeborg Bachmann, Hilde Spiel). Einen Schwerpunkt bildet v. a. die Psychologie, dazu kommen Neurologie, Psychiatrie und Medizin, Botanik, Biologie, Anthropologie, Ethnologie, Geschichte und Wirtschaftswissenschaften. Chronologisch reicht das Lexikon von Josephine Kablik (1787-1863), Rosa Kerschbaumer (geboren 1854) und Gabriele Freiin Possanner von Ehrenthal (1860-1940) bis zu noch aktiven Wissenschaftlerinnen wie Ruth Klüger (geboren 1931) und Lisa A. Steiner (geboren 1933). In Ausnahmefällen, wie bei den Artikeln der Geografin Hertha Amberger (27-31) und der Pflanzenphysiologin Gertraud Repp (611-614), handelt es sich um Selbstdarstellungen.
Die von insgesamt 92 qualifizierten Autorinnen und Autoren verfassten Beiträge enthalten in der Regel zu jedem Namen Lebensdaten, Geburts- und Sterbeorte, Berufsbezeichnungen, einen - partiell stichwortartigen - Lebenslauf, Literatur- und Quellenverzeichnisse sowie - falls möglich - auch Einzel- oder Gruppenfotografien (jeweils mit genauen Bildnachweisen, 838-843). Einzelne Artikel sind nur mit "biografiA" gezeichnet. Für eine sozialhistorische Einordnung sind auch die Angaben zu Eltern, gegebenenfalls auch zu den - nicht selten ebenfalls wissenschaftlich tätigen - Ehemännern, durchaus hilfreich. Angaben zur Konfession werden nicht durchgängig mitgeteilt. Meist wird der Geburtsname auch in der Kopfzeile genannt.
Die biografische Dokumentation ist heterogen, denn neben prominenten Damen stehen einige im Allgemeinen eher unbekannte Wissenschaftlerinnen: In manchen Fällen genügen für diese nur neun Zeilen (Anna Brind, Anna Saulich), wenn z. B. nur eine einzige Schrift nachweisbar ist. Die ausführlichsten Beiträge nehmen bis zu maximal acht Seiten in Anspruch (Grete Mecenseffey, Anni Gamerith, Helene Bauer, Dora Boerner-Patzelt, Agnes Ruttner-Kolisko). Auffällig ist der hohe Anteil von Frauen, die in den östlichen Gebieten der habsburgischen Monarchie geboren sind. In einigen Fällen, besondern auch bei der relativ hohen Zahl von Frauen, die infolge der NS-Politik zur Emigration gezwungen waren, konnten die Lebensdaten nicht immer genau festgestellt werden. Mehrere Wissenschaftlerinnen wurden in deutschen Konzentrationslagern ermordet (Friedl Dicker-Brandeis, Eugenie Goldstern, Margarethe Hilferding, Käthe Leichter, Elise und Helene Richter, Marianne Schmidl). Bei der Orientalistin Edith Porada (1912-1994) hätte durch einen Blick in Band 20 der Neuen Deutschen Biographie (NDB) zumindest das Sterbedatum präzisiert werden können. Insgesamt sind die bibliografischen Angaben sowohl bei der Primär- wie bei der Sekundärliteratur sehr sorgfältig. Das Wissenschafterinnen-Lexikon bietet insofern eine vorzügliche Ergänzung zum Österreichischen Biographischen Lexikon (ÖBL) [4], als hier nur ein geringer Prozentsatz der in "biografiA" dokumentierten Frauen mit eigenen Artikeln berücksichtigt ist.
Sehr klar zeigt das Lexikon, dass es bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts nur sehr wenigen Frauen gelang, in dem institutionalisierten Wissenschaftsbetrieb zu reüssieren. Habilitationen und Ernennungen zu Professor(inn)en blieben Ausnahmen. Mathilde Uhlirz (1881-1966) hatte 1916 als eine der ersten Frauen eine Habilitation angestrebt und diese 1932 auch erreicht. Vergleichsweise häufiger waren Berufungen im Ausland, besonders in den USA.
Ein auch wegen der Geburtsnamen hilfreiches Namenverzeichnis (847-868) und ein Berufsverzeichnis (869 f.) beschließen den überaus informativen Band, der sowohl für die allgemeine Wissenschaftsgeschichte als auch für die Frauen- bzw. Gender-Geschichte wie für die österreichische Zeitgeschichte und die Geschichte der Emigration zahlreiche neue Personen vorstellt. Teilweise sind die Texte des Lexikons auch in die (leider nur in geringer Zahl online verfügbaren) Artikel von "biografiA" integriert, z. B. bei Ingeborg Bachmann [5], in anderen Fällen finden sich in derselben Datenbank Ergänzungen zu weiteren österreichischen Wissenschaftlerinnen, die in dem Lexikon nicht berücksichtigt sind, z. B. zu der Geologin Hertha Arnberger [6] usw. Für bio-bibliografische Lexika wie das vorliegende Werk von Keintzel und Korotin ist auch eine digitale Parallelpublikation (im Internet oder auf CD-ROM), wie z. B. bei dem Svenskt Biografiskt Lexikon oder beim Internationalen Germanistenlexikon, anzuraten, damit die sehr zuverlässige Dokumentation einer bislang zu wenig berücksichtigten Personengruppe auch in die internationale "virtuelle Forschungsbibliothek" angemessen Eingang findet.
Anmerkungen:
[1] Projektbeschreibung, URL: http://www.univie.ac.at/biografiA.
[2] Buchvorstellung, URL: http://www.univie.ac.at/biografiA/projekt/text/wissen.htm.
[3] Inhaltsverzeichnis mit Lebensjahren, Berufsangabe und Namen der Autorinnen bzw. Autoren im Internet, URL: http://www.ndb.badw.de/Wissenschafterinnen-Oesterreich.htm.
[4] Online-Register, URL: http://hw.oeaw.ac.at/oebl?frames=yes bzw. http://www.biographien.ac.at.
[5] biografiA-Artikel im Internet, URL: http://www.univie.ac.at/biografiA/daten/text/bio/bachmann.htm.
[6] Datenbank, URL: http://www.univie.ac.at/biografiA/daten/frame.htm; http://www.univie.ac.at/biografiA/daten/text/bio/arnberge.htm.
Brigitta Keintzel / Ilse Korotin (Hgg.): Wissenschafterinnen in und aus Österreich. Leben-Werk-Wirkung, Wien: Böhlau 2002, ISBN 978-3-205-99467-1, EUR 89,00
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