Die deutsche Landwirtschaft war zwischen 1850 und der Mitte des 20. Jahrhunderts von einer Abfolge tief greifender wirtschaftlicher Boom- und Krisenphasen gekennzeichnet. Zugleich unterlag sie aber auch wechselnden staatlichen Organisationsformen und Steuerungsmodi. [1] In welchem Ausmaß und auf welche Weise sich diese Faktoren auf den landwirtschaftlichen Generationenwechsel auswirkten, untersucht Birgit Fastenmayer in ihrer nunmehr gedruckt vorliegenden Dissertation, die im Rahmen der Arbeitsgruppe "Alter und Recht" des Max-Planck-Instituts für Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main entstand.
Ausgehend von der Frage, welche Rolle das Recht bei der Definition von Lebensalter - verstanden als soziales Konstrukt - spielt (2), richtet Fastenmayer den Fokus ihrer Spezialstudie auf die agrarpolitische Diskussion, staatliche Reglementierung sowie soziale Praxis von Hofübergabeverträgen vom Kaiserreich bis zum Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte 1957. Mit der Außerkraftsetzung der grundherrlich-partikularen Reglementierung stellten Übergabeverträge spätestens seit der Mitte des 19. Jahrhunderts das Kontinuum des landwirtschaftlichen Generationenwechsels dar. Als "Grenzstein zwischen den Lebensabschnitten" (1) veränderten sie sowohl den Status der Übergeber- als auch den der Übernehmergeneration. Während die Nachfolger in die wirtschaftliche Selbständigkeit übergingen, traten die Übergeber in den Ruhestand. Fastenmayer untersucht Übergabezeitpunkt und Ausgestaltung der Altersversorgung vor dem Hintergrund sowohl der jeweiligen gesellschaftlich-ökonomischen Situation als auch der steuernden Einflussnahme geltenden Rechts. Sie fragt insbesondere nach der Ausgestaltung der Altersvorsorge der "Abgestiegenen" (2), also der rechtlichen Existenzsicherung über die Zeit der eigenen Rechteinhabung hinaus.
Die Arbeit unterteilt sich in drei Abschnitte. Im ersten Kapitel zeichnet die Verfasserin die Geschichte der Altersvorsorge vom Kaiserreich bis in die Weimarer Republik nach. Sie zeigt, dass Bestrebungen um eine gesetzliche Regulierung der Übergabepraxis erstmals intensiv im rechtlich-politischen Diskurs der 1880er- und 1890er-Jahre zutage traten, allerdings ohne Einfluss blieben. Vielmehr wurde die grundsätzliche Freiheit der Verträge im Rahmen der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs nochmals bestätigt.
Ausführlich arbeitet Fastenmayer die einzelnen Elemente der Altersversorgung und der Übergabepraxis heraus. Sie macht deutlich, dass diese sich zwar veränderten, etwa wenn sich infolge von Kapitalverlusten der Zeitpunkt der Hofübergabe nach dem Ersten Weltkrieg nach hinten verschob (83). Der geringe Rückgriff auf Möglichkeiten der außerfamiliären Altenversicherung zeige aber, das Altenteilswesen bei den Betroffenen wohl doch nicht so unhaltbar gewesen sei, wie es die zeitgenössische Diskussion vielfach suggeriere (132).
Im zweiten Teil führt Fastenmayer die massiven staatlichen Eingriffe in die privatvertraglichen Elemente des landwirtschaftlichen Generationenwechsels nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten aus. Das Gesetz über den Reichsnährstand und das Reichserbhofgesetz beschränkten bereits ab 1933 die unternehmerischen Freiheiten und die Verfügungsfreiheit der Landwirte über ihren Grundbesitz (140f.). Im Rahmen einer ideologischen Aufwertung des Bauerntums wurden die strenge agnatische Anerbenfolge sowie die grundsätzliche Unveräußerbarkeit und Unbelastbarkeit der "Erbhöfe" festgelegt. Zwar blieben Übergabeverträge weiterhin gültig, bedurften aber der behördlichen Genehmigung und waren hinsichtlich der bisher bestehenden inhaltlichen Spielräume zur Sicherung des Altenteils eng beschränkt. Das Verbot von Geldleistungen reduzierte das Altenteil nunmehr fast ausschließlich auf Naturalleistungen. 1937 wurde die Genehmigungspflicht für den Grundstücksverkehr nochmals verschärft. Die Erbhoffortbildungsverordnung von 1943 schrieb schließlich die Übergabepflicht des alt gewordenen Bauern und damit Alter als ein Übergabekriterium fest (178f.). Mit den gesetzlichen Regelungen erhielten Aufsichts- und Schiedsbehörden zudem eine Handhabe, um etwa mit Hilfe der von Fastenmayer ausführlich dargestellten "Abmeierung" Praxis und Zeitpunkt der Hofübergabe zu bestimmen. Die Verfasserin betont, dass ideologischen Zielen hierbei eine höhere Priorität zugekommen sei als der angestrebten autarken Nahrungsversorgung durch eine Steigerung der Produktion (160).
Die Auseinandersetzung mit den Debatten um die Hofübergabe nach 1945 in den westlichen Besatzungszonen und der Bundesrepublik bildet den Inhalt des letzten Teils der Arbeit. Erst 1947 setzte das Alliierte Kontrollratsgesetz Nr. 45 das nach Kriegsende in Teilen zunächst weiter bestehende Reichserbhofrecht sowie die grundstücksrechtlichen Vorgaben aus der NS-Zeit außer Kraft. Fastenmayer hebt hervor, dass hierbei die rechtliche Kontinuität größer als der Bruch gewesen sei. Zwar bot das Gesetz keine Grundlage mehr für gezielte Eingriffe in die familieninterne Altersversorgung, habe aber die staatliche Kontrolle und Genehmigungspflicht des landwirtschaftlichen Grundstücksverkehrs in vollem Umfang bestätigt (214f.).
Die Diskussionen um die Überalterung und einen Generationenkonflikt in der Landwirtschaft führten 1957 schließlich zum Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte. Der Bezug der "Altershilfe" war durch den Gesetzgeber an die Hofübergabe gekoppelt worden und konnte ab dem 65. Lebensjahr in Anspruch genommen werden. In der Konsequenz, so Fastenmayers Fazit, seien so nicht nur "zwei Generationen" von Sicherungsformen - das in den Hofübergabeverträgen weiter fortbestehende Altenteil und das gesetzliche "Altersgeld" - zusammengeführt und ein gesondertes staatliches Alterssicherungssystem geschaffen worden. Vielmehr habe das Gesetz dazu beigetragen, dass das 65. Lebensjahr als Übergabezeitpunkt zu einer wirkmächtigen Zäsur im bäuerlichen Lebenslauf werden konnte (183).
Das Verdienst Fastenmayers ist es, einen detaillierten rechtshistorischen Überblick zu einem zentralen Element der landwirtschaftlichen Generationenfolge zu geben. Dennoch wäre es sicherlich wünschenswert gewesen, statt die eigentlichen Übervergabeverträge nur exemplarisch zu "Illustrationszwecken" (12) heranzuziehen, ein begrenztes Sample auszuwerten, um die Arbeit etwa hinsichtlich der angedeuteten Abweichungen von Vertragsnorm und -praxis (88f.) zu ergänzen. Zudem findet die Einführung des Reichserbhofgesetzes im "angeschlossenen" Österreich 1938 keine Erwähnung. Gerade mit Blick auf die dortigen Entwicklungen für die Zeit bis in die 1950er-Jahre wäre eine vergleichende Perspektive aber durchaus lohnenswert gewesen. Letzteres gilt umso mehr für die Sowjetische Besatzungszone und die DDR. Zwar werden die massiven Eingriffe durch Bodenreform und Kollektivierungspolitik kurz berührt (208f.), ansonsten aber von der Untersuchung ausgespart. Weiterhin wird die Rolle der Ideologie für die nationalsozialistische Bodenpolitik zwar hervorgehoben, der Arisierung jüdischen Landbesitzes - mit seinen Konsequenzen für die Generationenabfolge - jedoch nicht Rechnung getragen. [2]
Dessen ungeachtet bleibt zu wünschen, dass Fastenmayers Arbeit rezipiert wird und zu weiteren Forschungen in diesem noch vielfach "unbestellten" Feld anregt.
Anmerkungen:
[1] Hierzu allgemein: Alois Seidl: Deutsche Agrargeschichte. Frankfurt am Main 2006; Walter Achilles: Deutsche Agrargeschichte im Zeitalter der Reformen und der Industrialisierung, Stuttgart 1993.
[2] Siehe etwa: Angela Verse-Herrmann: Die "Arisierungen" in der Land- und Forstwirtschaft 1938-1942, Stuttgart 1997.
Birgit Fastenmayer: Hofübergabe als Altersversorgung. Generationswechsel in der Landwirtschaft 1870-1957. Lebensalter und Recht Bd. 1 (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte; Bd. 246), Frankfurt/M.: Vittorio Klostermann 2009, IX + 311 S., ISBN 978-3-465-04082-8, EUR 74,00
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