Lackners Regensburger Dissertation untersucht die knapp 29-jährige Regierungszeit Ludwigs IX. im bayerischen Teilherzogtum Bayern-Landshut, in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts eines der politisch wie finanziell bedeutendsten Herzogtümer in Süddeutschland. Der Schwerpunkt des Werks liegt hierbei auf dem politischen Agieren Ludwigs IX. auf der Reichsebene und innerhalb des Hauses Wittelsbach. Die Arbeit bettet sich in die Untersuchung der Reichsgeschichte des ausgehenden Mittelalters ein, die in den letzten Jahrzehnten von der Forschung verstärkt in den Fokus genommen wurde. Da die bislang maßgebliche Arbeit zur Person Ludwigs IX. von August von Kluckhohn im Jahr 1865 erschienen ist [1], liefert Lackners Arbeit eine willkommene Neubearbeitung des Themas.
Nach einer Einordnung in den Forschungsstand erläutert Lackner die Quellenlage. Besonders gewinnbringend sind hierbei Lackners Ausführungen zur Verortung der Archivalien, die die Grundlage ihrer Untersuchung darstellen. Diese bilden keine gesonderte Einheit, sondern verteilen sich über verschiedenste Institutionen in Deutschland und Österreich. Den Löwenanteil besitzt zwar mit deutlichem Abstand das Bayerische Hauptstaatsarchiv in München, aber auch dort ist die Landshuter Überlieferung, historisch bedingt, über sehr viele verschiedene Bestandsgruppen verteilt. Lackners Übersicht bietet somit einen hervorragenden Beitrag zur erleichterten Recherche, da sie eine grundlegende Orientierung möglich macht.
Nach einer einleitenden Betrachtung der Ausgangslage im Herzogtum Bayern-Landshut bei Regierungsantritt Ludwigs IX. im Jahr 1450 wendet sich Lackner dem Kern ihrer Arbeit zu, nämlich Ludwigs IX. Interaktion mit den anderen Reichsfürsten, seinen Unterstützern bzw. Gegnern. Bei den namhaftesten politischen Mitspielern Ludwigs des Reichen handelte es sich neben Kaiser Friedrich III. um Herzog Albrecht VI. von Österreich, König Georg Podiebrad von Böhmen, König Matthias Corvinus von Ungarn und Markgraf Albrecht I. von Ansbach, um nur einige zu nennen. Lackner widmet sich unter anderem dem Regensburger Türkenreichstag von 1454, der Landshuter Rolle im Bayerischen Krieg von 1459-1463, den Kämpfen um die Herrschaft in Österreich und Böhmen sowie den daraus entstehenden Parteibildungen der verschiedenen Akteure und Dynastien. Daneben behandelt Lackner auch Themen wie etwa die versuchte Ausdehnung des Landshuter Territoriums in den schwäbischen Raum und den Umgang Ludwigs des Reichen mit seinen Wittelsbacher Verwandten in der Pfalz und in München.
Die Studie ist zwar grundsätzlich chronologisch aufgebaut, muss aber in Anbetracht der Vielzahl der untersuchten Ereignisse und der Handlungsschauplätze und der sich verändernden politischen Gemengelagen zwischen den einzelnen Kapiteln immer wieder auf das entsprechende Ausgangsjahr zurückspringen, so dass bestimmte Vorgänge mehrmals erläutert werden und sich dies auch in der wiederholten Nennung einzelner Literaturtitel bemerkbar macht. Trotz eines gewissen Maßes an Redundanz sind die einzelnen Kapitel daher dennoch in sich nachvollziehbar und verständlich.
Kritisch zu betrachten ist Lackners Einschätzung der verhältnismäßig ausgeprägten politischen Eigenständigkeit und Zielstrebigkeit Ludwigs des Reichen. In ihrer Darstellung wirkt der Herzog als äußert unabhängig handelnder Akteur auf der Reichsbühne, seine Räte erscheinen hier nicht so sehr als Gestalter sondern eher als Ausführende der herzoglichen Politik. Die zweibändige Untersuchung Beatrix Ettelt-Schönewalds von 1996 hat gerade den Umstand der Teilhabe des herzoglichen Umfelds an der Mitbestimmung des politischen Kurses betont. [2] Lackners Darstellung tendiert dazu, den Herzog zu sehr als langfristig planende aktive Kraft innerhalb verschiedener politischer Konstellationen zu sehen, weniger als Getriebenen ebenjener politischen Vorgänge. Ihre Bewertung über "Ludwigs politischen Weitblick" (448) ist daher cum grano salis zu genießen.
Abschließend Erwähnung finden müssen noch auch die immer wieder auftretenden ärgerlichen inhaltlichen wie orthographischen Unsauberkeiten, die den Gesamteindruck des Werks trüben. So ist beispielsweise in Bezug auf das Jahr 1467 von "Albrecht IV. von Bayern-Landshut" die Rede (405), der allerdings zu diesem Zeitpunkt ausschließlich das Herzogtum Bayern-München regierte. Dem kundigen Leser dürften diese und ähnliche Ungenauigkeiten zwar ins Auge springen, aber sie werden ihn nicht weiter irritieren; bei denjenigen, die sich erst mit der Materie vertraut machen, dürfte dies allerdings für unnötige Verwirrung sorgen.
Trotz der angesprochenen Kritikpunkte ist die Arbeit Lackners eine große Leistung. Mit der Untersuchung der Regierungszeit des in der ersten Riege der Reichspolitik agierenden Herzogs liefert Lackner eine längst überfällig gewordene Aufarbeitung und eine Einordnung in die aktuelle Forschungsdiskussion. Der Wert der Präsentation der zusammengetragenen Archivalien muss noch einmal betont werden, er dürfte weiteren Nachforschungen zur süddeutschen Geschichte des Spätmittelalters Tür und Tor bereiten.
Anmerkungen:
[1] August von Kluckhohn: Ludwig der Reiche, Herzog von Bayern. Zur Geschichte Deutschlands im 15. Jahrhundert, Nördlingen 1865.
[2] Beatrix Ettelt-Schönewald: Kanzlei, Rat und Regierung Herzog Ludwigs des Reichen von Bayern Landshut (1450-1479), 2 Bde. (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 97/I+II), München 1996.
Irmgard Lackner: Herzog Ludwig IX. der Reiche von Bayern-Landshut (1450-1479). Reichsfürstliche Politik gegenüber Kaiser und Reichsständen (= Regensburger Beiträge zur Regionalgeschichte; Bd. 11), Regensburg: Edition Vulpes 2011, 530 S., ISBN 978-3-939112-66-2, EUR 32,00
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