Zwei Preise hat die Dissertation von Reinhild Kreis gewonnen, aus der dieses Buch hervorgegangen ist: den ifa-Forschungspreis Auswärtige Kulturpolitik des Instituts für Auslandsbeziehungen und den Edmund Spevack Award des Münchener Lasky Centers. Um es gleich vorweg zu sagen: Die Preise sind verdient. Es handelt sich um eine im doppelten Sinne ausgezeichnete Arbeit.
Dies liegt nicht so sehr daran, dass die Autorin theoretisches Neuland betreten würde. Ihr Ansatz, auswärtige Kulturpolitik als "dritte Ebene zwischen der klassischen Diplomatiegeschichte und populärkulturellen Transfers" (13) zu verstehen und in den Bereich der "soft power" (Joseph Nye) einzuordnen, ist einleuchtend, aber nicht revolutionär. Methodisch innovativ ist aber, dass Kreis keine reine Organisationsgeschichte schreibt [1], die sich auf die Programme der Amerikahäuser und Deutsch-Amerikanischen Institute (DAI) in Deutschland beschränkt [2] oder gar auf die oberste Ebene in Washington, auf der sie formuliert wurden. [3] Vielmehr rekonstruiert sie die Praxis der Häuser vor Ort und damit deren Interaktion mit politischen und gesellschaftlichen Akteuren im Bund, in den Ländern, vor allem aber auch in den Kommunen. Gestützt auf eine breite archivalische Grundlage aus Unterlagen der Häuser selbst, Akten amerikanischer und deutscher Behörden sowie Material von Protestbewegungen, gelingt es ihr nicht nur, die Geschichte der amerikanischen auswärtigen Kulturpolitik in Deutschland über die bisherige Fokussierung auf die Gründungsphase und die 1950er Jahre hinaus - und praktisch bis zu ihrem effektiven Zerfall Ende der 1980er Jahre - fortzuschreiben. Sie kann zugleich deren tiefgreifende Umbrüche, ja, Metamorphosen, deutlich machen und dabei einige faszinierende und überraschende Erkenntnisse gewinnen, von denen die Erforschung auswärtiger Kulturpolitik insgesamt nachhaltig profitieren dürfte.
Die Autorin widmet sich zunächst den gewandelten Rahmenbedingungen Anfang der 1960er Jahre, als die USA sich in Deutschland endgültig von der Umerziehungspolitik der Nachkriegsjahre lösten und ihre auswärtige Kulturpolitik insgesamt stärker auf die südliche Erdhalbkugel konzentrierten. Den nicht zuletzt finanziellen Konsequenzen dieses Wandels begegneten mehr und mehr Kommunen mit einer deutschen Beteiligung an den Amerikahäusern, die nach und nach in binationale Deutsch-Amerikanische Institute überführt wurden. Kreis zeichnet die innerdeutsche Diskussion über Umwandlungspläne auf der Ebene von Kommunen, Ländern und Bund nach, in der es den Deutschen vor allem darum ging, ihre Beteiligung nicht als Reaktion auf die weit verbreitete Stimmung, "dass sich die Amis [...] doch offensichtlich dünn machen" (49), erscheinen zu lassen, sondern als kulturpolitisches Engagement aus eigener Initiative. Der Umstand, dass im Gegenzug für die finanzielle Beteiligung keine programmatische Mitsprache eingefordert wurde, erzeugte freilich bald ein "Spannungsfeld zwischen amerikanischen informationspolitischen Zielsetzungen und deutschen kulturpolitischen Ansprüchen" (68).
Dass die Häuser dennoch und über manche Krisen hinweg erhalten bleiben konnten, war - wie Kreis eindrucksvoll illustriert - häufig parteiübergreifender Kooperation geschuldet, bei der neben lokal- und regionalpolitischen Überlegungen oft auch persönliche Motive mitspielten. Die Autorin arbeitet dies am Beispiel der DAI in Nürnberg und Regensburg sowie an Persönlichkeiten wie Hermann Glaser, Horst Ehmke oder Arnold Bergstraesser detailliert heraus. Im Zuge dieser Anstrengungen trat freilich eine unmerkliche, aber fundamentale Verschiebung ein. Auf deutscher Seite setzte sich nämlich - wie ein von Kreis zitierter Aktenvermerk des baden-württembergischen Kultusministeriums von Ende 1974 zeigt - nun die Ansicht durch, "dass die Deutsch-Amerikanischen Institute zu einem wesentlichen Ziel im Dienste der deutschen auswärtigen Kulturpolitik stehen, insofern nämlich, als sie [...] Amerikanern deutsche Kultur näherbringen" (126). Auch die DAI selbst verstanden sich nun - wie die Tübinger Programmabteilung an den Beirat des Instituts schrieb - nicht mehr "als Informationszentrum der USA, sondern als Informationszentrum über die USA". (131)
Die Autorin beschäftigt sich detailliert und kenntnisreich mit der täglichen Arbeit der Häuser, ihren Bemühungen, tragfähige deutsch-amerikanische Netzwerke aufzubauen, verlässliche Referenten zu gewinnen und Handlungsspielräume bei der Programmgestaltung zu nutzen. Das von Kreis analysierte Themenspektrum reicht von der Atlantischen Gemeinschaft und Berlin über Wirtschaftspolitik, Entwicklungshilfe und Tourismus bis hin zu gesellschaftlichen Herausforderungen wie Städtebau, Umweltschutz und der Drogenproblematik. Dem amerikanischen Krieg in Vietnam und der Rassenfrage widmet die Autorin eigene, methodisch innovative Kapitel, die neben den Programminhalten insbesondere auch das den deutschen Stellen vom Amerika-Dienst zur Verfügung gestellte Bildmaterial analysieren. Anhand eines Vergleichs mit den fotografischen Dokumentationen von Philip Jones Griffiths wird im Falle Vietnams der verengte Blickwinkel dieses Materials deutlich, demgegenüber das Veranstaltungsprogramm der Amerikahäuser und DAI geradezu ausgewogen erscheint. In der Rassenfrage war die US-Informationspolitik insbesondere bemüht, Ausschreitungen als lokale Probleme darzustellen und die positive Rolle der Bundesregierung in Washington zu betonen. Die einschlägigen Bilder des Amerika-Dienstes betonten das Gewaltmonopol des Staates und bemühten sich, die Fortschritte auf dem Weg zur Gleichberechtigung - sei es auf dem Wohnungsmarkt, im Bildungssektor oder am Arbeitsplatz - in den Vordergrund zu rücken. Nebenbei macht die Autorin die interessante Beobachtung, dass in den Texten des Amerika-Dienstes eine deutlich differenziertere Bandbreite zur Bezeichnung von Afro-Amerikanern zu finden ist als in den DAI-Programmen, in denen noch in den 1960er Jahren fast ausschließlich der Begriff "Neger" verwendet wurde. Es wäre interessant gewesen, mehr über die Hintergründe dieser Diskrepanz zu erfahren.
Im dritten Teil der Studie richtet Kreis ihr Augenmerk auf die Interaktion zwischen den Häusern und der deutschen Öffentlichkeit. Dabei wird einiges aus den vorangegangenen Kapiteln wiederholt, auch wenn nun stärker die Rezipientenperspektive analysiert wird. Als "Orte des Protests" werden die Häuser insbesondere im Zusammenhang mit dem Vietnamkrieg vorgestellt. Die oft beschriebenen Eierwürfe in Berlin 1966 werden hier dazu genutzt, um den hohen Symbolgehalt des Berliner Amerikahauses und der Amerikahäuser insgesamt zu illustrieren. In aller Regel sei es nicht darum gegangen, die Häuser wegen ihrer Arbeit anzugreifen, sondern als Symbolorte für Amerika und dessen Politik. Das verkennt freilich, dass es zumindest dem amerikanischen Träger der Institute darum ging, eben diese Politik zu flankieren - und die von der Autorin zitierten Äußerungen der Aktivisten stellen diesen Zusammenhang durchaus her. Für die Nachrüstungsgegner Anfang der 1980er Jahre spielten die Häuser eine wesentlich geringere Rolle, sie wurden als zentrale Symbolorte von US-Militärstützpunkten abgelöst, wo die Aktivisten nun gewissermaßen "direkt am Ort des Geschehens agieren" konnten (378). Die Autorin führt dies auch darauf zurück, dass die Häuser die umstrittenen Themen nun - anders als sie dies nach 1967 mit Vietnam getan hatten - nicht mehr ausblendeten und dass nach den Anschlägen zu Beginn der 1980er Jahre die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt wurden. Angesichts ihrer Untersuchungsergebnisse ist es überraschend, dass die Autorin nicht als weiteren Grund in Erwägung zieht, dass die Häuser inzwischen weit stärker als deutsche Kulturinstitute wahrgenommen wurden.
Reinhild Kreis' ausgezeichnete Studie zeigt, dass Kultur- und Informationspolitik keine Einbahnstraße ist, sondern vielmehr als wechselseitiger und interaktiver Prozess begriffen werden muss. Wer ein tieferes Verständnis dieses außenpolitischen Instruments und seiner innergesellschaftlichen Wirkungen gewinnen will, muss daher nicht nur Sender und Empfänger in ihren wechselseitigen Beeinflussungen in den Blick nehmen, sondern vor allem auch die lokalen Bedingungen berücksichtigen, in denen sich Kulturdiplomatie und Informationspolitik entfalten und in denen staatliche und private Akteure auf vielfältige Weise miteinander verzahnt sind. Indem die Autorin dies beherzigt, kann sie eindrücklich vorführen, wie sich in der Bundesrepublik die Amerikahäuser "von Instrumenten der Reeducation-Politik zu Agenturen des Atlantischen Bündnisses" wandelten (381), bevor die nun binational verwalteten Häuser sich ihrerseits "von Instrumenten der amerikanischen auswärtigen Kulturpolitik im Auftrag der US-Regierung in Institutionen zur Pflege der deutsch-amerikanischen Beziehungen unter deutscher Federführung" umformten (388).
Was Kreis von der Anlage ihrer Arbeit her nicht berücksichtigen konnte, sind die inneramerikanischen Rückwirkungen und Vermittlungsprozesse der US-Kultur- und Informationspolitik. Diese Dimension könnten künftige Arbeiten zum Thema aufgreifen, um unser Verständnis auswärtiger Kulturpolitik insgesamt abzurunden. Auf dem Weg dorthin hat Reinhild Kreis aber zweifellos einen Meilenstein gesetzt.
Anmerkungen:
[1] Thomas Klöckner: Public Diplomacy - Auswärtige Informations- und Kulturpolitik der USA. Strukturanalyse der Organisation und Strategien der United States Information Agency und des United States Information Service in Deutschland, Baden-Baden 1993.
[2] Manuela Aguilar: Cultural Diplomacy and Foreign Policy: German-American Relations, 1955-1968, New York u. a. 1996.
[3] Vgl. dazu das Standardwerk von Nicholas J. Cull: The Cold War and the United States Information Agency. American Propaganda and Public Diplomacy, 1945-1989, Cambridge 2008.
Reinhild Kreis: Orte für Amerika. Deutsch-Amerikanische Institute und Amerikahäuser in der Bundesrepublik seit den 1960er Jahren (= Transatlantische Historische Studien; Bd. 44), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2012, 424 S., 19 s/w-Abb., ISBN 978-3-515-10048-9, EUR 56,00
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