"Ohne ihn wäre die deutsche Politik langweiliger gewesen." So urteilte der ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt in seinen Erinnerungen über Franz Josef Strauß. Für ihn war Strauß kein gewöhnlicher Politiker. Er sah in Strauß "eher ein[en] Motor mit zu schwacher Bremse. Eine seltsame Mischung von Herrscher und Rebell. Ein unruhiger Geist mit weiter Bandbreite zwischen schlimmen Vorurteil und bemerkenswertem Durchblick." [1] Brandt verwendete eine Mischung verschiedener Metaphern, um Strauß zu charakterisierten. Noch heute kursieren in der Öffentlichkeit zahlreiche andere Bilder von Strauß - positive wie negative, Bilder die weniger komplex, dafür aber umso eindeutiger in ihrer Wertung sind. Das ist kaum verwunderlich, gehört Franz Josef Strauß doch zu den herausragenden deutschen Politikern des 20. Jahrhunderts. Sowohl für die CSU, Bayern und die Bundesrepublik leistete er Bedeutendes, zugleich polarisierte er wie kaum ein zweiter. Die Entstehung und die zum Teil langanhaltende Wirkmächtigkeit gewisser Bilder hängen nicht ausschließlich vom dargestellten Gegenstand bzw. der dargestellten Person und vom Betrachter ab. Bilder werden konstruiert und vermittelt durch politische Sympathisanten und Gegner sowie vor allem durch Medien und Werbeagenturen.
Die Hanns-Seidel-Stiftung und das Münchner Stadtmuseum widmeten Franz Josef Strauß, der 2015 seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, eine Kabinettausstellung, die sich mit der "Macht der Bilder" auseinandersetzte. Anhand dieses prominenten Beispiels sollen "die Strategien der Imagebildung und Inszenierung eines Politikers, seine mediale Darstellung wie auch die visuelle 'Demontage' aufgezeigt" werden (5). Der Begleitband zur Ausstellung beginnt mit einem Aufsatz der beiden Ausstellungs-Kuratoren, Henning Rader und Rudolf Scheutle, in dem sie einen knappen Überblick über die Themen geben. Ihr Hauptaugenmerk liegt auf der Frage, wie Politiker werbetechnisch in Szene gesetzt werden. Um einen Politiker einerseits als tatkräftig handelnde Amtsperson zu charakterisieren und andererseits auch die vermeintlich private Seite zum Vorschein zu bringen, müssen verschiedene Rollen dargestellt werden, etwa die des Landesvaters, des Visionärs, des hart für die Bevölkerung arbeitenden Amtsträgers sowie die des Familienvaters oder des "Mannes von nebenan", der in engem Kontakt zur Bevölkerung steht.
Der Beitrag von Doris Gerstl veranschaulicht diese eher allgemein gehaltenen Ausführungen an einem konkreten Beispiel. Die Kunsthistorikerin untersucht "Die 'Inszenierung' des Franz Josef Strauß im Kanzlerwahlkampf 1980". Dazu analysiert sie die im Wahlkampf von der Union verwendeten Wahlplakate, die Strauß in eben diesen Rollen abbildeten. Das Plakat, das ihn von seiner Tochter Monika umarmt zeigt, sei "das innovativste Wahlplakat der Bundesrepublik vor der Wiedervereinigung", weil zum ersten Mal ein Kandidat mit einem Familienmitglied abgebildet worden sei.
Der Beitrag von Thomas Helmensdorfer ist in dreifacher Hinsicht interessant. Als Geschäftsführer und Inhaber der Werbeagentur Team '70 hat er die CSU fast drei Jahrzehnte lang begleitet und ihre Wahlkämpfe erfolgreich mitgestaltet. Bis heute nutzt die CSU in ihrer Selbstdarstellung Elemente, die auf die Arbeit von Team '70 zurückgehen: dazu zählen die einheitliche Kennzeichnung der Werbematerialen mit den Farben grün und blau, das Parteilogo mit Löwe und Raute sowie die Betonung des "Bayern-Images" (35), d.h. die Selbstdarstellung der CSU als Motor der Entwicklung Bayerns. Überdies verdeutlicht Helmensdorfer anhand verschiedener Beispiele, wie gering Strauß politische Werbung schätzte. Und zu guter Letzt gewähren seine Ausführungen Einblicke in die Entwicklungsgeschichte der CSU, wenn er schildert, dass die Partei in den 1960er Jahren noch keine zentral gesteuerten Wahlkämpfe führte.
In weiteren Kurzbeiträgen werden einzelne Aspekten vertieft. So befasst sich Henning Rader mit der "Jagd als Statussymbol" und der Inszenierung von "Politiker[n] als Piloten". Auch den Bildern, die der Kritik an Strauß dienten, sind einzelne Beiträge gewidmet. Der Journalist Hannes Burger beleuchtet die Möglichkeiten und Grenzen der Karikatur. Henning Rader wiederum zeigt, durch welche Maßnahmen die konstruierten Bilder von Politikern wieder dekonstruiert werden sollen. Allerdings sind diese Beiträge sehr knapp und bieten meist nur allgemein gehaltene Informationen. Auch der Bezug zu Strauß gestaltet sich unterschiedlich. An vielen Stellen wünscht man sich eine tiefergehende Analyse. Im Beitrag zur "Jagd als Statussymbol" skizziert Henning Rader zwar, welche Bedeutung die Herrschenden in Europa seit der Antike der Jagd als Ausdruck und als Mittel zur Darstellung ihres Herrschaftsanspruchs beimaßen. Über Franz Josef Strauß erfährt man lediglich, dass er "ein leidenschaftlicher Jäger" gewesen sei, aber nichts über die Bedeutung der entsprechenden Bilder für Strauß selbst und ebenso wenig darüber, welche Reaktionen sie beim Betrachter hervorriefen. Noch deutlicher wird das in Raders Ausführungen zur "Demontage der Mächtigen". Er benennt lediglich ein paar Möglichkeiten, wie mit Bildern Kritik an Politikern geübt werden kann, geht aber nicht näher darauf ein, wie sich das im Umgang mit Strauß auswirkte. Welches Ausmaß nahm die Kritik an? Wo lagen die Schwerpunkte? Wie entwickelten sich die kritischen Bilder?
Abgerundet wird der Sammelband von Werner K. Blessings lesenswertem Aufsatz über den "Mythos Strauß". Der Autor analysiert zunächst, warum Strauß bereits zu seinen Lebzeiten - und selbst noch mit den aufwendig inszenierten Trauerfeierlichkeiten bei seinem Tod - "Aufsehen [erregte] und Ansehen" erwarb (114). Dann erläutert er, wie sein Bild weiterhin in der Öffentlichkeit schwankte und warum die CSU zunächst nur verhalten an Strauß erinnerte. In der zunehmenden zeitlichen Distanz zur Ära Strauß und in weiteren personellen Wechseln an der Parteispitze sieht Blessing zwei Gründe, warum sich die bis heute in der Bevölkerung anhaltende Popularität von Strauß auch im Umgang der CSU mit ihrem ehemaligen Vorsitzenden niederschlug.
Insgesamt werden viele verschiedene Aspekte der Frage angesprochen, wie Bilder von Politikern im Allgemeinen und von Franz Josef Strauß im Besonderen entstanden sind. Somit gelingt es den Autoren, einen interessanten Überblick über die Entstehung und Wirkung der Strauß-Bilder zu vermitteln. Allerdings kann dieser Überblick nur der ersten Information dienen. An vielen Stellen wünschte man sich mehr Informationen. Gerade bei einer so schillernden Persönlichkeit wie Franz Josef Strauß wäre eine eingehendere Untersuchung wünschenswert. Der hier besprochene Band regt jedenfalls zu einer vertieften Analyse an.
Anmerkung:
[1] Willy Brandt: Erinnerungen. Mit den "Notizen zum Fall G", Berlin 2013, 295.
Renate Höpfinger / Henning Rader / Rudolf Scheutle (Hgg.): Franz Josef Strauß. Die Macht der Bilder, München: Allitera 2015, 128 S., ISBN 978-3-86906-745-2, EUR 19,90
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