In seiner Dissertation beschreibt René Schroeder den Lebensweg sowie die Parteikarriere des ältesten Sohns des ersten Reichspräsidenten der Weimarer Republik. Friedrich Ebert war neben Otto Grotewohl und Erich Mückenberger einer der wenigen Sozialdemokraten, die sich in Spitzenämtern von Partei und Regierung der DDR behaupten konnten. Für ihre Karriere in der SED mussten sie sich an Politik, Ideologie und Machtanspruch der aus der KPD kommenden Führungskader anpassen und ihre sozialdemokratischen Ideale aufgeben. Alle ehemaligen Sozialdemokraten in den Führungsgremien der SED vereinte der Versuch, sich aus den politischen Auseinandersetzungen und parteiinternen Machtkämpfen beziehungsweise persönlichen Rivalitäten herauszuhalten. Im Politbüro der SED war Ebert jedoch nur von untergeordneter Bedeutung, denn er hatte sich bereits seit 1948 weitgehend auf den Posten des Oberbürgermeisters von Ost-Berlin zurückgezogen.
Schroeder geht zunächst auf die familiäre Herkunft Eberts und sein Verhältnis zu seinem berühmten Vater ein. Als Folge politischer Kontroversen im Elternhaus habe der aufbegehrende Sohn die räumliche Distanz zum Wirkungskreis seines Vaters gesucht, um weiteren Konflikten aus dem Weg zu gehen. In diesen Kontext stellt Schroeder den Werdegang Eberts zu einem selbstbewussten Kommunalpolitiker der SPD in der Stadt Brandenburg (Havel). Bereits seine frühen Jahre als Kommunalpolitiker lassen erkennen, welch hohen Stellenwert Parteidisziplin beziehungsweise die Unterordnung unter die offizielle Parteilinie für Ebert hatten.
Zu weiten Teilen behandelt die Studie das politische Wirken Eberts nach 1945 und dessen vergeblichen Versuch, an politischen Überzeugungen festzuhalten und sozialdemokratische Ideale zu verwirklichen. Ebert hat sich jedoch schon bald nach der SED-Gründung von sozialdemokratischen Ideen losgesagt und zugleich die Kampagne der Parteiführung gegen den sogenannten Sozialdemokratismus in der Partei mitgetragen. Recht anschaulich werden die politischen und sozialen Bedingungen aufgezeigt, unter denen sich Sozialdemokraten wie Ebert zu bekennenden Kommunisten entwickelten. Aufschlussreich sind bei diesem Wandel auch die Entwicklungen, die zum Abbruch der familiären Bindungen führten.
Mit Blick auf das politische Leben Eberts in der DDR wird sein politisches Wirken letztlich auf seine Rolle als Erfüllungsgehilfe der SED-Führung reduziert. Schroeder sieht in dem ehemaligen Sozialdemokraten keine charismatische Führungspersönlichkeit, die sich aus dem Schatten des Vaters zu lösen vermochte. Ebert habe sich von Ulbricht und Honecker willig für die kommunistische Machtpolitik instrumentalisieren lassen und widerspruchslos den hierarchischen Strukturen der SED untergeordnet. Selbst als Oberbürgermeister von Ost-Berlin sei Ebert fremdbestimmt gewesen und habe lediglich dafür Sorge getragen, dass die politischen Entscheidungen und Vorgaben des Politbüros im Ost-Berliner Magistrat umgesetzt wurden.
Obgleich Schroeder damit ein vernichtendes Urteil über den Politiker Ebert fällt, lassen sich in seinen detaillierten Beschreibungen über den Kommunalpolitiker doch einige Differenzierungen finden. So habe er sich im Magistrat mit großer Willenskraft für die Umsetzung der ehrgeizigen Wohnungsbauprogramme und die Neugestaltung des Ost-Berliner Stadtzentrums engagiert. Seine Vorstellungswelt als Oberbürgermeister Ost-Berlins sei von einer unbürokratischen Amtsführung und einer gewissen Bürgernähe geprägt gewesen. Doch all diese Bemühungen hätten zu keinen greifbaren Ergebnissen geführt. Denn Ebert habe sich aufgrund mangelnder Unterstützung und des Unterlaufens seiner Anordnungen in seinem beruflichen Umfeld im Stich gelassen gefühlt. Zudem hätten der Dirigismus sowie die Reglementierungen des Parteiapparats seinen beruflichen Alltag als führender Kommunalpolitiker bestimmt. So sei es Ebert vor dem Hintergrund einer massiven Arbeitsbelastung und zunehmender krankheitsbedingter Einschränkungen letztlich nicht gelungen, eine funktionsfähige städtische Verwaltung in Ost-Berlin aufzubauen.
Mit seiner Studie gelingt es Schroeder, den realen Gestaltungsspielraum und die tatsächlichen Entscheidungsbefugnisse führender Kommunalpolitiker im SED-Staat zu veranschaulichen. In seiner Darstellung kann er anhand vieler Fallbeispiele aufzeigen, dass Funktionäre aus dem sozialdemokratischen Milieu angesichts des Machtanspruchs der Kommunisten um Ulbricht und Honecker über keinen nennenswerten politischen Gestaltungsraum im Politbüro der SED verfügten. Die letzten Lebensjahre Eberts bis zu seinem Tod im Jahre 1979 beschreibt Schroeder als eine Zeit, in der sich der Sohn des berühmten Reichspräsidenten zum ideologischen Dogmatiker entwickelt habe, "der voller Überzeugung am sozialistischen Gesellschaftsmodell und dem allumfassenden Herrschaftsanspruch der SED festhielt" (479).
Zugleich bietet die Studie einen aufschlussreichen Blick auf die Kampagne gegen den "Sozialdemokratismus", die auf die Zerschlagung des historisch gewachsenen sozialdemokratischen Arbeiterbewegungsmilieus abzielte. Das Feindbild "Sozialdemokratismus" bildete bis weit in die 1960er Jahre hinein ein Vehikel zur Disziplinierung und ideologischen Gleichschaltung der Mitgliedschaft und somit zur Unterdrückung jeglicher oppositioneller Grundstimmung innerhalb der Partei. Auch Ebert ließ sich in den Dienst dieser Kampagnen stellen, indem er noch 1970 den "Sozialdemokratismus" als besondere Variante der bürgerlichen Ideologie geißelte. Damit, so die schlüssige These Schroeders, habe Ebert im Auftrag Honeckers auch gegen die von Ulbricht in seinen letzten Amtsjahren begonnene Annäherung an die SPD opponiert. Bis zu ihrem Ende benutzte die SED-Führung das gesellschaftliche Modell der Sozialdemokratie als Menetekel, um vor der ideologischen Aufweichung und "Sozialdemokratisierung" des sozialistischen Lagers zu warnen.
René Schroeder: Friedrich Ebert (1894-1979). Ein Leben im Schatten des Vaters (= Biographische Studien zum 20. Jahrhundert; Bd. 8), Berlin: BeBra Verlag 2021, 547 S., ISBN 978-3-95410-272-3, EUR 48,00
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