Südostasien ist längst ein Inbegriff des globalen Kalten Kriegs. Die brutalen Kriegsverbrechen in Indochina liefern den blutigen Beweis dafür, wie der ideologische Kampfwille der konkurrierenden Supermächte in radikaler Form auf die "Dritte Welt" übertragen wurde. Der Interventionismus Moskaus und Washingtons war jedoch nur eine von vielen Dynamiken, die den Kalten Krieg antrieben. In den 1970er Jahren zeigten das (Dis-)Engagement der USA in Südostasien, der Fall Saigons und der Ausbruch des chinesisch-vietnamesischen Kriegs, dass regionale Abläufe eine dekonstruktive Gegenkraft zum bi- beziehungsweise tripolaren Weltsystem erzeugen konnten. Die jüngere Forschung hat die Handlungsfähigkeit mittlerer und kleiner Akteure wiederholt als wesentlichen Faktor hervorgehoben. Allerdings richtet sich das Forschungsinteresse häufig auf die vertikalen Beziehungen der südostasiatischen Staaten zu Großmächten. Die intraregionalen Verflechtungen und die interaktiven Dynamiken zwischen den Nachbarstaaten werden oft nur am Rande diskutiert, wenn nicht gar gänzlich vernachlässigt. Denn erstens erschwert die sprachliche Vielfalt Südostasiens das Quellenstudium. Damit verbunden ist zweitens die eingeschränkte Zugänglichkeit zeitgeschichtlicher Quellen, sowohl in veröffentlichter Form als auch in staatlichen Archiven. Mathias Fibiger, Assistant Professor an der Harvard Business School, konnte bei seiner Dissertation an der Cornell University diese Schwierigkeiten überwinden. Die Veröffentlichung der überarbeiteten Fassung in der Reihe Oxford Studies in International History unterstreicht den besonderen Stellenwert seiner Studie zur Zeitgeschichte Indonesiens und des Kalten Kriegs in Südostasien.
Der Buchtitel deutet das Anliegen des Autors an. Seine Darstellung pendelt zwischen der nationalen (Indonesien unter Suharto), regionalen (Südostasien/ASEAN) und globalen Ebene, um die "connections and contradictions between them" (12) herauszustellen. Der US-amerikanische Zeithistoriker ist der Auffassung, dass sich das Wechselspiel zwischen strukturellen Bedingungen und agencies südostasiatischer Staatsmänner dadurch präziser erkennen lässt. Die Anwendung eines solchen Narrativs der internationalen Geschichte bringt doppelten Mehrwert. Erstens argumentiert Fibiger, dass das autoritär-militärische Regime Suhartos im Kern ein "product of the international system" und somit ein "agent of change within the international system" gewesen sei (8). Zweitens bilden die internationalen und intraregionalen Strukturen der Konfrontation mit dem Kommunismus den "nexus between the Suharto regime and international capital". (7) Der Autor vertritt die These, dass der autoritäre Staat Indonesien nicht nur vom Kommandostab Suhartos, sondern auch "outside-in" (7) mithilfe internationaler Kapitalzuflüsse und technokratischer Wissensbestände errichtet wurde. Die internationalen Kapitalströme hätte demnach die Herrschaft des starken Mannes ermöglicht. Gleichzeitig habe der indonesische General finanzielle Ressourcen von außen erfolgreich mobilisieren können, da er sich scharfsinnig an die globalen und regionalen Bedingungen des Kalten Kriegs angepasst habe. Das New Order-Regime, Suhartos Herrschaft von 1966/68 bis 1998, kann insofern als Materialisierung des Suhartoschen Kalten Krieges und als Autoritarismus der "international political economy" (7) bezeichnet werden.
Im ersten Kapitel setzt Fibiger sich zunächst mit den Konflikten zwischen der Kommunistischen Partei Indonesiens (PKI), der Armee und sonstigen politischen Kräften des Landes nach der Unabhängigkeit auseinander. In den beiden nächsten Kapiteln erfolgt eine detaillierte Darstellung der ineinandergreifenden Vorgänge nach dem angeblichen Staatsstreich einer kleinen Gruppe kommunistischer Armeeoffiziere am 30. September 1965. Der gezielte "politicide" (44, 46) gegen die PKI und deren Anhängerschaft von Oktober 1965 bis 1966 wird als "the opening salvo of Suhartos Cold War" (46) bezeichnet. Der folgende Teil der Darstellung endet mit der Konsolidierung der politischen Macht Suhartos in der Nationalversammlung 1968. Die Analyse ist teilweise in einer Detailtiefe behandelt, die sich kritisch hinterfragen lässt. Denn die Erkenntnisse über die Operationen der Armee und Milizen gegen die kommunistischen Anhänger, den Dualismus zwischen Sukarno und Suharto [1] sowie die Konsolidierung von Suharto mithilfe internationaler Finanzmittel sind nicht unbekannt. Jedoch demonstriert Fibiger hier den Vorteil seiner Forschungsaufenthalte in Indonesien und seiner Sprachkenntnisse. Im Vergleich zur üblichen Forschungsliteratur, die sich in erster Linie auf englischsprachige Quellen stützt, konnte der Autor indonesische Quellen gründlich erschließen. Bei der Analyse der Abläufe verwendete er zahlreiche Memoiren und (Auto-)Biografien von Schlüsselfiguren der Armee und anderer Zeitgenossen sowie Überlieferungen in den National Archives of the Republic Indonesia. Diese Quellen bieten einen durchdringenden Einblick in die Machtkonkurrenz während der "Staatskrise" (102) nach dem 30. September 1965. Fibiger argumentiert überzeugend, dass der Antikommunismus der indonesischen Armee "distinct internal lineages" (36) aufweist und nicht unmittelbar auf Washington zurückzuführen ist. Seine These, dass die Armee lediglich eine der zahlreichen konkurrierenden Kräfte gegen Sukarno und die PKI gewesen sei, erweist sich als besonders einleuchtend. Suhartos Kalter Krieg bestand unter diesem Aspekt aus spezifisch indonesischen Komponenten und war durch die innenindonesische Machtstruktur bedingt.
Wie Suharto seine Version des Kalten Krieges über staatliche Grenzen hinaus projizierte, bildet den zweiten Themenschwerpunkt des Buches. Die Kapitel 4 und 5 fokussieren die regionale Ebene. Die antichinesische Haltung des indonesischen Generals wird als Bestandteil seines Kalten Krieges dargestellt. So habe er sich früh bemüht, durch den regionalen Zusammenschluss der ASEAN und bilaterale Kooperationen die kommunistisch-chinesischen Einflüsse aus der Region zu vertreiben. Die indonesischen Konzepte der nationalen Resilienz (Ketahanan) und der Sicherheitsstrategie totaler Volksverteidigung (Hankamrata) waren, so Fibiger, entscheidende "ideational" (138) Ressourcen, um Suhartos Kalten Krieg zu internationalisieren. Kapitel 6, 7 und 8 thematisieren die Wechselwirkung zwischen internationalen Kapitalströmen und der antikommunistischen, antichinesischen Agenda Suhartos. Das letzte Kapitel geht schließlich auf die "waning of Suharto's Cold War" (254) angesichts der zunehmenden Gefahr des politischen Islam ein. Bei diesem Thema stellt sich jedoch erneut die Frage, ob eine derart detaillierte Darstellung etwa über Suhartos Parteipolitik und das Hin und Her der Umschuldungsverhandlungen wirklich erforderlich ist.
Einmal mehr zeigt Fibiger die Stärke seiner einzigartigen Studie. Mit den zugänglichen Beständen im staatlichen Archiv Indonesiens präsentiert er eine Vielzahl neuer Erkenntnisse, zum Beispiel über den dynamischen Entscheidungsprozess des New Order-Regimes. Damit lassen sich die Handlungsfähigkeit Suhartos und die Limitierung seines antikommunistischen Projekts zwischen verschiedenen Verlaufsebenen des Kalten Krieges veranschaulichen. Fibigers Buch ist nicht für Laien konzipiert. Ohne entsprechende Vor- und Sprachkenntnisse erschließen sich die Feinheiten und Innovationen seiner Deutung des Kalten Kriegs in Indonesien und Südostasien nicht. Daher sollte Fibigers Studie vergleichend mit anderer Forschungsliteratur, die wesentlich auf anglo-amerikanische Quellen zurückgreift, gelesen werden. Damit wird ersichtlich, dass das Verständnis des globalen Kalten Kriegs von nicht-englischsprachigen Quellen erheblich profitieren kann.
Anmerkung:
[1] Mit dem Dualismus ist in der Forschungsliteratur die Führungskonkurrenz zwischen Indonesiens erstem Präsidenten Sukarno und General Suharto gemeint. Mit der Ausschaltung der PKI aus der indonesischen Politik stand Suharto bis zu seiner offiziellen Ernennung zum zweiten Präsidenten vor der Herausforderung, mit Sukarno, dem Führer des Unabhängigkeitskrieges und der Symbolfigur des indonesischen Nationalismus, vorsichtig umzugehen. Suharto wurde zwar durch einen Sondererlass Sukarnos mit außerkonstitutioneller Vollmacht ausgestattet, um die Staatskrise zu überwinden. Jedoch verfügten Sukarno und seine nationalistische Partei weiterhin über signifikanten Einfluss im Militär und im öffentlichen Dienst.
Matthias Fibiger: Suharto's Cold War. Indonesia, Southeast Asia, and the World (= Oxford Studies in International History), New York: Oxford University Press 2023, xxii + 357 S., ISBN 978-0-19-766722-4, GBP 29,99
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