In seiner an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als Habilitationsschrift vorgelegten Arbeit betrachtet Thomas Weller die diplomatischen Beziehungen zwischen der katholischen Weltmacht Spanien und dem Bündnis der überwiegend protestantischen Hansestädte. Der Autor leistet damit einen Beitrag zur Geschichte frühneuzeitlicher asymmetrischer Außenbeziehungen, mit dem er in zweierlei Hinsicht über den derzeitigen Forschungsstand hinausgehen möchte: Zum einen bezieht er zusätzlich zur staats- und hofzentrierten Ebene auch bürgerliche Akteure aus den Stadtrepubliken ein. Zum anderen geht er der Frage nach, wie die beiden "ungleichen Partner" ihre Unterschiede in Bezug auf die vier Dimensionen Sprache, Nation, Religion und Politik überwanden.
Auf die Einleitung (I) folgt ein Überblickskapitel (II) mit dem Titel "Stationen einer Beziehungsgeschichte". Vor dem Hintergrund des niederländischen Aufstands begann die spanische Krone in den 1570er-Jahren, um die Hansestädte als alternative Handelspartner zu werben. Nach einer erfolglosen Gesandtschaft der Hanse nach Madrid im Jahr 1607 übernahmen die drei Städte Lübeck, Hamburg und Bremen 1629 die kommissarische Verwaltung der gesamthansischen Angelegenheiten. Auf dem Westfälischen Friedenskongress bemühten sie sich um eine "Normalisierung" der diplomatischen Beziehungen, schlossen den bereits 1607 konzipierten Handelsvertrag mit Spanien und unterhielten ab 1649 auch wieder einen vom König akkreditierten ständigen Gesandten in Madrid. Da sich die politischen und wirtschaftlichen Koordinaten mit dem Ausbruch des Spanischen Erbfolgekriegs grundlegend verändert hätten, lässt Weller seine Studie um 1700 ausklingen.
Das anschließende Kapitel III trägt den Titel "Sprache - Medium der Verständigung und Unterscheidung". Während die bisherige Forschung das Scheitern der spanisch-hansischen Vertragsverhandlungen von 1607 auf die Weigerung der Hansestädte zurückführt, sich im Spanienhandel von der Kooperation mit den rebellischen Niederlanden loszusagen, sieht Weller die Hauptgründe im Sprachunterschied und im politisch-sozialen Ranggefälle (Kapitel VI). So habe sich die spanische Seite 1607 geweigert, die Vertragsurkunde in einer anderen Sprache als Spanisch auszufertigen, während die hansischen Gesandten nur einen lateinischen Text unterschreiben wollten. Für Spanien habe es sich um eine Frage des Prestiges gehandelt, die Hansevertreter hätten mangelnde Sprachkenntnisse vorgeschoben. 1647 hätten sich Letztere jedoch auf die spanischen Vorgaben eingelassen und nicht allein das Spanische als Vertragssprache, sondern sogar offensichtliche Übersetzungsfehler akzeptiert.
In Kapitel IV, "'Nationen' vor der Nation - Multiple Zugehörigkeiten" wendet sich Weller den in der Fremde tätigen Schiffern und Kaufleuten zu. Während ihres Embargos gegen die Niederlande trieben die spanischen Behörden einigen Aufwand, um die Herkunft der Schiffe und ihrer Ladungen zu kontrollieren und diese gegebenenfalls zu beschlagnahmen. Es sei jedoch kaum möglich gewesen, die jeweilige Zugehörigkeit "objektiv" (210) festzustellen. Dies galt umso mehr, als der politische Abgrenzungsprozess in den Herkunftsgebieten nicht dem der Selbstorganisation der Kaufleute entsprach. Denn die in Sevilla, Cádiz und Sanlúcar de Barrameda niedergelassenen hansischen Kaufleute taten sich dort jeweils mit den übrigen deutschen und niederländischen Kaufleuten zu einer gemeinsamen "Nation" zusammen. Zugleich passten sie ihre Lebensweise an die der spanischen Kaufleute an, traten als "treue Untertanen" des Königs auf und ließen sich in einigen Fällen sogar formal "naturalisieren". Weller macht in diesem Sinne auf die Mehrfachzugehörigkeiten der Kaufleute aufmerksam, unterscheidet dabei allerdings nicht hinreichend zwischen kultureller und rechtlicher Verortung.
Auch in Kapitel V, "Religion: Koexistenz und Dissimulation", stehen die hansischen Kaufleute in Kastilien im Mittelpunkt. Seit 1600 wurden sie kaum noch aufgrund ihrer protestantischen Herkunft verfolgt. Weller führt dies zum einen auf die mit der Konfessionalisierung allgemein einhergehende Dissimulation zurück, geht aber in vielen anderen Fällen von einem "gelebten Glaubenswechsel ohne formale Konversion" aus (325). Zudem sei Spanien zwar um die Vereinheitlichung der Religion bemüht gewesen, habe sich aber dennoch aus politischen und wirtschaftlichen Nützlichkeitserwägungen zu Kompromissen gezwungen gesehen. Dass die spanische Krone von 1645 bis Ende der 1670er-Jahre für ihre Vertretung in Hamburg "kurioserweise auf die Dienste jüdischer Agenten" setzte (408), ist daher so überraschend nicht. Zumindest dem ersten der drei jüdischen Repräsentanten, Jacob Rosales, hatte der Kaiser das kleine Palatinat verliehen, das ihn - so die gängige Literatur - vom "Makel der jüdischen Abstammung" befreite. Hiermit beschäftigt sich Weller jedoch nicht.
In Kapitel VI, "Politik: Dignitas und potestas - Hierarchie und Inkompatibilität", kehrt der Autor wieder auf die Ebene der diplomatischen Verhandlungen zurück. Das größte Problem habe darin bestanden, dass es sich um zwei höchst unterschiedlich verfasste Gemeinwesen handelte. Zum einen habe es zwischen den Vertretern der beiden Seiten oft ein politisch-soziales Ranggefälle gegeben, welches allein von Spanien durch den gezielten Einsatz bürgerlicher und damit den Hansevertretern gleichrangiger Repräsentanten überwunden werden konnte. Zum anderen seien die beiden politischen Systeme inkompatibel gewesen. So seien die Verhandlungen von 1607 nicht nur an der Sprache (Kapitel III), sondern mehr noch daran gescheitert, dass die Hanse aufgrund der Vielzahl ihrer Mitglieder und des Fehlens eines Oberhauptes nicht in der Lage gewesen sei, ihre Vertreter mit hinreichenden Verhandlungsvollmachten auszustatten. Den entscheidenden Erfolgsfaktor für den Vertragsabschluss von 1647 sieht Weller daher in der faktischen Schrumpfung der Hanse auf das Dreierbündnis der Städte Lübeck, Hamburg und Bremen. Diese habe zu einem Zugewinn an Handlungsfähigkeit und damit letztlich zum "politischen Überleben" (413) der Hanse geführt. Durch die Einbeziehung einer breiten Quellen- und Literaturgrundlage und Vergleiche mit anderen Höfen bzw. Akteuren erschließen sich dem Leser in diesem Kapitel viele Feinheiten der verbalen und symbolischen Kommunikation im diplomatischen Zeremoniell. Zudem ist Wellers kritische Positionierung bezüglich der aktuellen Forschung zum städtischen Republikanismus in Spanien positiv hervorzuheben.
Ganz im Sinne von Hillard von Thiessens Deutung der Frühen Neuzeit als "Zeitalter der Ambiguität" schließt Weller in seinen "Ergebnissen" (VII) mit dem Hinweis auf die "Uneindeutigkeit und Vielfalt", die "multiplen Zugehörigkeiten" und die "organisierte Heuchelei", die dazu geführt hätten, dass die spanisch-hansischen Beziehungen trotz aller Unterschiede, Missverständnisse und Rigiditäten einigermaßen stabil und produktiv gewesen seien.
Leider gelingt es Weller nicht, die Ebene der Diplomatie (Kapitel III und VI) wirklich überzeugend mit derjenigen des kaufmännischen Handelns (Kapitel IV und V) zu verbinden. Dies könnte daran liegen, dass die Hanse - entgegen Wellers Grundannahme - den Kaufleuten zu dieser Zeit gar nicht mehr viel zu bieten hatte. Denn den Kaufleuten in Kastilien scheint nur selten ein konkreter Nutzen aus den Bemühungen der Hanse erwachsen zu sein. Aber auch die Kaufleute in der Heimat waren offenbar unzufrieden mit ihr; so sei der für die Aushandlung des Handelsvertrages von 1647 mit verantwortliche Hamburger Ratssyndicus nach dem Bekanntwerden von dessen Inhalt fast gesteinigt worden. Weller geht jedoch nicht auf die wirtschaftlichen Auswirkungen des Vertrags ein; ebenso wenig wie auf die des Scheiterns von 1607. Quantitative Aussagen sucht der Leser vergebens. Auch bleibt unklar, in welchem Verhältnis die Kaufleute der Hansestädte in Kastilien zu den sehr viel zahlreicheren portugiesischen und niederländischen Untertanen der spanischen Monarchie standen, die sich zur selben Zeit in den Hansestädten niederließen und erwiesenermaßen eine wichtige Rolle im hansisch-spanischen Handel spielten.
Gleich zu Beginn der Arbeit erklärt Weller, dass er mit seinem Buch keinen Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte leisten möchte. Dies mag ihn dazu verleitet haben, auch die entsprechende Literatur nicht hinreichend wahrgenommen zu haben, obwohl die von ihm untersuchten Strategien zur Überwindung kultureller Differenzen längst zu den etablierten Themen der Wirtschaftsgeschichte gehören. [1] Die aktuelle Forschung sieht insbesondere in den ortsfremden Kaufleuten eine treibende Kraft für die Entstehung städtischer und staatlicher Institutionen, die nicht nur bei der Überbrückung solcher Differenzen und der Schaffung des für den Handel unabdingbaren Vertrauens halfen, sondern damit letztlich auch zur Entwicklung moderner Staatlichkeit beitrugen. [2] Es wäre interessant gewesen zu erfahren, warum die Kommunikation zwischen der Hanse und "ihren" Kaufleuten (welcher Nation sie auch angehört haben mögen) ausblieb bzw. scheiterte, die für die Errichtung entsprechender Institutionen nötig gewesen wäre und die Hanse - nicht zuletzt im Handel mit Spanien - mit den Niederlanden und England hätte konkurrenzfähig bleiben lassen.
Aber das ist vielleicht zu wirtschaftshistorisch gedacht. So konzentriert sich der Erkenntnisgewinn auf eine kulturgeschichtlich fokussierte Analyse der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden so ungleichen Gemeinwesen. Da sie vor allem mit der spanischen Geschichtsschreibung in einen kritischen Dialog tritt, ist sie auch für den weiteren iberischen Raum von Relevanz.
Anmerkungen:
[1] Grundlegend Francesca Trivellato: The Familiarity of Strangers. The Sephardic Diaspora, Livorno, and Cross-Cultural Trade in the Early Modern Period, New Haven 2009.
[2] Etwa Oscar Gelderblom: Cities of Commerce. The Institutional Foundations of International Trade in the Low Countries, 1250-1650, Princeton 2013.
Thomas Weller: Ungleiche Partner. Die spanische Monarchie und die Hansestädte, ca. 1570-1700 (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz; Bd. 270), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2023, 670 S., ISBN 978-3-525-30246-0, EUR 85,00
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