Ausgangspunkt des Buches von Smith und Niederhuber über die Bildnisse des Commodus war die Restaurierung und Überarbeitung einer 2015 aus Privatbesitz verkauften Porträtbüste des Kaisers im Ashmolean Museum in Oxford. Sie wurde nicht nur gereinigt und restauriert, sondern erhielt auch an Stelle des nachantiken polychromen Panzers einen neuen, der nach dem Vorbild einer Büste des Marc Aurel aus dem Palazzo Braschi in Rom gefertigt wurde.
Bevor die Autoren nach diesem einführenden ersten Kapitel die Porträttypen des Commodus vorstellen, nehmen sie den Leser in Kapitel 2 mit auf einen Schnelldurchlauf durch die Geschichte des römischen Kaiserporträts: Beginnend mit herausragenden Persönlichkeiten des 1. Jahrhunderts v.Chr. werden die Porträts fast aller Kaiser von Augustus bis Caracalla und zum Abschluss noch von Diocletian und Constantin knapp beschrieben. Die Antoninendynastie wird angesichts des Themas und der Vorarbeit von Niederhuber an anderer Stelle [1] etwas ausführlicher vorgestellt. Für die nur in wenigen Sätzen angesprochenen sogenannten Soldatenkaiser nehmen die beiden Autoren Caracalla als durchgängiges Vorbild an. Das Ausgreifen bis auf Constantin, das für das eigentliche Thema nicht zwingend nötig ist, scheint in der grundsätzlichen Anlage des Buches zu liegen.
Die Vorstellung der groben Züge der Porträtentwicklung richtet sich offensichtlich nicht zuletzt an Leser, die sich für die antike Kunst allgemein und speziell für die hervorstechenden Kaiserporträts begeistern. Einerseits verfolgte Niederhuber diesen Ansatz bereits in seiner Arbeit über Marc Aurel und Faustina Minor: "It is also intended to make imperial portraits and their typology accessible to a wider audience - not merely to a restricted body of specialists [...]." [2] Andererseits wirkt der Band ganz abseits der unbestreitbar wertvollen wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Commodus-Porträt auf diese Weise wie eine Gebrauchsanweisung und Dankschrift für den nicht namentlich genannten Käufer, der dem Museum die polychrome Büste mit einer Kopie des Commodus-Kopfes überlassen hat. [3]
Zurück zum Inhalt: Smith und Niederhuber betonen als Voraussetzung für Ihre Untersuchung drei Punkte. Erstens finden wir selten Kopien bzw. Replikas gemäß der Wortbedeutung: "Versions with bland portraits may be recognise[d], against expectations, as versions of a given type by analysis of hair-schemes alone. Versions with recognizable imperial physiognomies (but 'inaccurate' hair) achieve this result only by their development of a defined model for the portrait feature. A small minority of surviving imperial portraits are precise and faithful to their model in both hairstyle and physiognomy. The new Commodus is such a portrait." (23)
Zweitens ist die Beziehung zwischen rundplastischen Porträts und Porträts auf Münzen nicht so klar und direkt wie häufig angenommen; auf diesen wichtigen Punkt kommen wir später nochmals zurück.
Drittens ist die Herstellung von Porträts und die Bedeutung der verschiedenen Porträttypen nur zu verstehen, wenn man verschiedene Darstellungsformen wie Porträtköpfe, Statuen oder eben Münzen betrachte. Bevor Smith und Niederhuber diesen Annahmen entsprechend die Porträttypen des Commodus vorstellen, wird dem Leser aber noch - wiederum im Schnelldurchlauf - das Leben des Commodus vor Augen geführt. [4] Der Schwerpunkt liegt dabei auf den letzten Jahren und der Identifikation des Kaisers mit Hercules, da die das Buch begründende Porträtbüste dem siebten und vorletzten Typus zugewiesen wird (189-192 n.Chr.) - bevor Commodus sich im achten Typus seiner Lockenpracht entledigte und als kurzhaariger Hercules präsentierte. Aber nicht seine Identifikation mit Hercules, sondern seine Auftritte in der Arena sehen Smith und Niederhuber am Ende als Auslöser für seine Ermordung (59-62).
Die Einteilung der Bildnisse des Commodus in acht Typen ist seit den grundlegenden Arbeiten von Fittschen zu den Porträts in den Capitolinischen Museen und den Prinzenbildnissen antoninischer Zeit in der Forschung akzeptiert. [5] Vier Typen gehören in die Zeit bis zum Tod seines Vaters Marc Aurel, vier in die Zeit der Alleinherrschaft des Commodus. Da Commodus seit 177 n.Chr. neben seinem Vater ebenfalls Augustus war, sind die gewählten Überschriften für die jeweils vier Typen ("Chapter 4: Portraits of Commodus as Prince" (63) und "Chapter 5: Portraits of Commodus as Emperor" (77)) streng genommen nicht passend; im Text selbst wird aber auf den tatsächlichen historischen Ablauf hingewiesen und gerade dabei festgestellt, dass der Großteil der aus der Zeit vor der Alleinherrschaft erhaltenen Exemplare und Statuenbasen ab der Usurpation des Avidius Cassius und der damit verbundenen Erhebung des Commodus zum Co-Augustus belegt ist, in dieser prekären Situation für die Dynastie der neue Mitherrscher also prominent präsentiert wurde.
Das Verdienst der Arbeit von Smith und Niederhuber ist vor allem die verbindende Präsentation und Diskussion von Porträttyp und plastischen Ausformungen (bei ausreichend Belegen auch nach Gebieten des Reiches getrennt) mit Darstellungen auf Münzen und Medaillons sowie Statuenbasen, die den Befund erweitern, zu sehen. Zudem sind in dem Band alle entsprechenden Abbildungen in hoher Qualität vereint. Besonders spannend sind die Ergebnisse in Bezug auf die Münzen: "The imperial mint was a separate entity, and we see it operating with authorised models in its own way." (95) und "The process of adotion of a new portrait could be fast or more gradual." (97) Ganz ähnliche Beobachtungen machte Martin Beckmann in Bezug auf die Porträttypen der jüngeren Faustina, der Mutter des Commodus. [6]
Wohl unvermeidbar bei aller Recherche sind fehlende Exemplare des Commodus-Bildnisses. [7] Am Ende steht auf jeden Fall eine Arbeit, die für jeden, der sich mit den Bildnissen des Commodus und kommenden Funden auseinandersetzen will, die zentrale Anlaufstelle sein wird.
Anmerkungen:
[1] Christian Niederhuber: Roman imperial portrait practice in the second century AD: Marcus Aurelius and Faustina the Younger, Oxford 2022.
[2] ebd., 4.
[3] Ashmolean Museum Oxford, Annual Review 2021/22, 29. (https://www.ashmolean.org/files/ashmolean-annual-review-report-2021-22, aufgerufen am 08.03.2025).
[4] Chrysanthos S. Chrysanthou: Kaiserliche Erscheinungsbilder in Herodians "Geschichte des Kaisertums nach Marc Aurel": die Kaiser Commodus und Caracalla, in: Gymnasium 129, 1 (2022), 45-74, konnten die Autoren wahrscheinlich nicht mehr berücksichtigen.
[5] D. Ojeda weist auf die Möglichkeit eines neunten Typus hin, vgl. seine Rezension zum hier besprochenen Buch in Bonner Jahrbücher 223 (2023), 508.
[6] Martin Beckmann: Faustina the Younger. Coinage, Portraits, and Public Image, New York 2021.
[7] Auch hier können sich Abschluss des Manuskripts und Publikation der Funde knapp verpasst haben: David Ojeda: Fragments of Roman sculptures from Hadrian's Villa, in: American Journal of Archaeology 125, 3 (2021), 391-417.
Bert Smith / Christian Niederhuber: Commodus. The Public Image of a Roman Emperor, Wiesbaden: Reichert Verlag 2023, 224 S., 323 Farb-, 162 s/w-Abb., ISBN 978-3-7520-0764-0, EUR 69,00
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