Nach bereits 13 Bänden zu Stiften und Klöstern im Erzbistum Trier ist nun der erste Band zu den Erzbischöfen erschienen, der zeitlich die letzten 180 Jahre des Kurerzbistums abdeckt. Aufgrund überdurchschnittlich langer Regierungszeiten amtierten in dieser Zeit nur acht Erzbischöfe, die hier vorgestellt werden. Die einzelnen Beiträge sind sehr ausführlich und erreichen vielfach Monografielänge (213 Seiten zu Philipp Christoph von Sötern, fast 400 Seiten zu Clemens Wenzeslaus von Sachsen).
Demgegenüber ist die Einleitung mit knapp 5 Seiten mehr als kurz ausgefallen. Sie beschreibt nur sehr allgemein die geographischen Rahmenbedingungen und benennt einige der Herausforderungen, vor denen die Erzbischöfe in ihrer Zeit standen. Das Fehlen einer ausführlicheren Kontextualisierung erweist sich im Folgenden freilich als nachteilig, da die detaillierte Darstellung der Ereignisgeschichte ohne Kenntnis struktureller Zusammenhänge nur schwer oder bestenfalls für Spezialisten verständlich ist. Um zwei Beispiele zu nennen: Für das Verständnis des Konflikts Philipp Christophs von Sötern mit dem Domkapitel wären Basisinformationen über Größe und Zusammensetzung des Domkapitels und die Mechanismen der (Selbst-)Rekrutierung hilfreich. Landstände in geistlichen Staaten wiederum konnten sehr unterschiedliche Form annehmen. Wie sie in Trier zusammengesetzt waren, wüsste man gerne, um die Konfliktlagen nachvollziehen zu können und zu verstehen, wer "der weltliche Stand" (111, Adel, Städte?) und wer "der geistliche Stand" (112, Klerus, Domkapitel, Klöster?) war. Eine Einleitung mit einer Einführung in die strukturellen Spezifika des Erzbistums und Erzstifts Trier hätte zudem die einzelnen Biographien entlasten können und den Vorteil eines raschen Überblicks geboten. Falls ein solcher Überblick für einen der Bände, die das Mittelalter oder die beginnende Frühe Neuzeit behandeln, geplant sein sollte, bleibt doch das Problem, dass der Einzelband eben auch für sich gut benutzbar sein sollte.
Der Aufbau der einzelnen Artikel folgt dem in den Germania Sacra-Bänden üblichen Schema, das gleichwohl gewisse individuelle Abweichungen und Schwerpunktsetzungen erlaubt - in Abhängigkeit von den Interessen des Bearbeiters, der Forschungslage und den Spezifika der jeweiligen Episkopate - und die deshalb hier zu diskutieren sind. Der im Prinzip chronologische Aufbau beginnt jeweils mit "Herkunft und früher Werdegang", verfolgt dann die Karriere und behandelt anschließend verschiedene Politik- und Handlungsfelder, um schließlich mit "Tod und Begräbnis", Informationen zu "Siegel, Wappen, Porträts" und einer knappen Würdigung zu enden. Der Schwerpunkt liegt auf der politischen Geschichte im Sinne einer detaillierten Nachzeichnung der Haupt- und Staatsaktionen, diplomatischer Verhandlungen und gegebenenfalls kriegerischer Ereignisse. Dagegen kommen geistliche Belange oder das Verhältnis zur römischen Kurie und zum Kölner Nuntius kaum vor bzw. werden en passant bei den politischen Verhandlungen erwähnt. Diese Schwerpunktsetzung wird allerdings dem geistlich-weltlichen Doppelcharakter des kurfürstlich-erzbischöflichen Amtes nicht gerecht. Dies sei am Beispiel des Beitrags zu Philipp Christoph von Sötern näher ausgeführt: Hier werden "Pfarreien und Priesterausbildung" sowie "Frömmigkeit und Liturgie" auf zusammen nicht einmal eineinhalb Seiten abgehandelt, das Verhältnis zu den Orden findet nur in Gestalt der Auseinandersetzung mit der Abtei St. Maximin statt, die Jesuiten werden kurz im Zusammenhang mit "Schule und Universität" (knapp 1 Seite) erwähnt. Dagegen stehen 54 Seiten zum "Verhältnis zu Kaiser und Reich, zur Liga und zu Spanien" sowie 42 Seiten zum "Verhältnis zu Frankreich (und Schweden)". Auch wenn diese Gewichtung in Teilen der Forschungslage geschuldet ist und die Außenbeziehungen und kriegerischen Ereignisse in der Regierungszeit Söterns, die größtenteils mit dem Dreißigjährigen Krieg zusammenfiel, eine überragende Rolle spielten und zudem dem Amtsverständnis Söterns wohl durchaus entsprachen, ist diese extreme Fokussierung für einen geistlichen Fürsten im Rahmen der Germania Sacra-Bände doch eher befremdlich. Teilweise ist dieses Übergewicht auch der Binnengliederung geschuldet. Indem nämlich zunächst das Verhältnis zu Kaiser und Reich und deren Verbündeten, dann zu deren Kriegsgegnern geschildert wird, erfolgt ein zweimaliger Durchgang durch den Dreißigjährigen Krieg. Und das, nachdem manche Konflikte bereits im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Domkapitel behandelt wurden. Dieses Vorgehen führt zu zahlreichen Redundanzen mit teilweise wörtlich gleichen Formulierungen, so z.B. in Bezug auf den Regensburger Vertrag und seine Nicht-Ratifizierung durch Frankreich (169 und 218) oder auf den Prager Frieden (133f., 180, 240).
Die Teile zur inneren Landesverwaltung sind für die meisten Erzbischöfe recht knapp gehalten. Problematischer als die Kürze der Kapitel ist freilich, dass teilweise ihr Zuschnitt nicht zu überzeugen vermag. Dabei geht es vor allem um Fragen der Zuordnung zur weltlichen bzw. geistlichen Sphäre. Dass die Maßnahmen gegen "sogenannte Zigeuner" - neben der Politik gegenüber Juden und Protestanten - jeweils unter "Toleranz und Intoleranz" eingeordnet werden (456, 517, 591), verkennt Charakter und Ziel dieser Erlasse, bei denen es nicht um den Umgang mit religiöser oder konfessioneller Devianz ging, sondern, zeitgenössisch formuliert, um eine Frage der guten Policey. Ähnlich unangemessen ist die Zuordnung des Kampfes gegen vorehelichen Geschlechtsverkehr zur "Sozial- und Gesundheitspolitik" (454), ging es dabei doch nicht primär um die Verhinderung unehelicher Schwangerschaften als eines sozialen Problems, sondern um die Etablierung bzw. Bekräftigung der Ehe als einzig legitimen Ort für Geschlechtsverkehr sowie um die Stärkung der Position der Kirche bei der Eheschließung, wie die aufgezählten Detailregelungen und Erläuterungen belegen. Ebenso wenig um eine Maßnahme der "Sozial- und Gesundheitspolitik" handelte es sich bei dem Erlass Karl Josefs von Lothringen, in dem er von den Geistlichen seiner Erzdiözese ein ihrem Amt angemessenes Verhalten und entsprechende Kleidung verlangte (455f., ähnlich Clemens Wenzeslaus von Sachsen: 894f.). Dabei agierte er als Erzbischof, weshalb er sich auf ältere Synodalstatuten (und eben nicht auf landesherrliche Erlasse) berief. In beiden Fällen übersieht die Kategorisierung als "Sozial- und Gesundheitspolitik" die Tatsache, dass hier der geistliche Oberhirte seinen genuin bischöflichen Pflichten der Oberaufsicht über seine Herde und deren Hirten nachkam. Damit werden grundsätzliche Fragen der Spezifika des geistlich-weltlichen Doppelamts der geistlichen Fürsten berührt. Diese Frage der Zuordnung ist aber auch deshalb nicht marginal, weil sie Folgen für die Auffindbarkeit der entsprechenden Passagen hat, da das Register verständlicherweise bei weitem nicht alle Sachbegriffe enthalten und somit eine gezielte Ansteuerung ermöglichen kann. So würde man z.B. die - für das Amtsverständnis eines geistlichen Fürsten zentralen - Ausführungen über die Ausübung episkopaler Handlungen eher nicht in dem Abschnitt "Persönlichkeit, Familienpolitik und Hofhaltung" vermuten, wo sie für Franz Georg von Schönborn eingeordnet werden (605). Das erstaunt umso mehr, als der Bearbeiter in Bezug auf Franz Georg bilanziert, dass dieser "nicht nur ein Schönborn, sondern auch Geistlicher" gewesen sei (666). Die Konzipierung der Abschnitte erschwert mithin die angemessene Berücksichtigung der geistlichen Dimensionen des Amts. Erst im letzten Beitrag zu Clemens Wenzeslaus von Sachsen lassen bereits die Abschnittsüberschriften erkennen, dass es sich bei ihm um einen geistlichen Fürsten handelte.
Dass ein derart monumentales Werk nicht fehlerfrei sein kann, dürfte unvermeidlich sein. Wenn es allerdings zum Geistlichen Vorbehalt des Augsburger Religionsfriedens von 1555 heißt, dass "[d]emnach [...] alle seit 1552 von protestantischen Obrigkeiten säkularisierten Kirchengüter zurückzugeben" seien (169), ist dies mehr als ein lässlicher Fehler im Detail, handelt es sich doch sowohl beim Geistlichen Vorbehalt als auch bei der Säkularisation von Kirchengütern um zentrale Streitpunkte, die die Reichspolitik jahrzehntelang bestimmten.
Der Band beabsichtigt, "ein Fundament [zu] liefern, auf dem hoffentlich weitergebaut wird" (VI). Diesem Anspruch wird er zweifelsohne gerecht, indem für die ausgewählten Schwerpunkte durch eine Ausbreitung unzähliger Details eng an den Quellen und der Literatur entlang solide Informationen geboten werden. Damit entspricht er der Konzeption der Germania Sacra. Ein Lesevergnügen bietet das Werk freilich nicht, und etwas mehr Interpretation und Einordnung der Fakten, wie sie andere Germania Sacra-Bände durchaus bieten, hätten dem Band gutgetan, ohne damit den primären Zweck zu verfehlen.
René Hanke (Bearb.): Die Bistümer der Kirchenprovinz Trier. Das Erzbistum Trier 14: Die Trierer Erzbischöfe von 1623 bis 1802 (= GERMANIA SACRA. Dritte Folge 22), Berlin: De Gruyter 2024, XI + 1222 S., ISBN 978-3-11-062758-9, EUR 250,00
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