Zwei neuere Publikationen bieten jeweils eine Edition der Chronica de beato Brunone primo Cartusiensi, die von dem Kartäusermönch Heinrich Arnoldi von Alfeld († 1487) verfasst wurde. Arnoldi war Professmönch, Vikar, Rektor (1449-1450) und Prior (1450-1480) der Kartause Basel sowie ein produktiver Autor, unter anderem von Predigten, Dialogen, Meditationen und Gebeten sowie einer Chronik der Gründung der Kartause Basel.
Die Chronica berichtet vom Leben Brunos von Köln († 1101), des Gründers des Kartäuserordens, und von der Gründung zweier Klöster in den französischen Alpen und in Kalabrien (Kapitel I-XVI). Ergänzt wird dies durch ausführliche Kommentare über die Zurückhaltung des Ordens in der Frage von Offenbarungen und Wundern, der Annahme von Bischofsämtern und der Kanonisierung seiner Mitglieder (Kapitel XVII-XXIV).
Die Chronik ist in zwei Handschriften überliefert: dem Autograph in Basel, UB, Handschrift A XI 25, fol. 166r-169v, sowie einer genauen und gut lesbaren Abschrift dieses Autographs in Basel, UB, Handschrift A VII 30, fol. 226r-236r, angefertigt vom Baseler Kartäuser, Kopisten und Autor Ludwig Moser aus Zürich († 1510).
Christoph Galle hat versucht, den Text unter dem Titel Chronica de beato Brunone primo Cartusiensium [sic] zu edieren. Seine Edition wird von einer deutschen Übersetzung begleitet und von einer kurzen Einführung in deutscher Sprache eingeleitet. Bemerkenswert - ja geradezu verblüffend - ist, dass Galle offenbar keinerlei Kenntnis von der Existenz des Autographs hatte und daher seine Edition ausschließlich auf Ludwig Mosers Abschrift stützte. Die Einführung umfasst eine kurze Beschreibung der Handschrift UB Basel, A VII 30, gefolgt von Anmerkungen zum Autor und Kopisten, zur Datierung und den Quellen des Textes, einer kurzen Geschichte der Kartause Basel, einer kurzen "Biographie" Brunos von Köln und einem Überblick über die Chronica. Leider lässt Galle allzu große Zurückhaltung walten, wenn es darum geht, Arnoldis Werk mit anderen Lebensbeschreibungen Brunos zu vergleichen oder es in den weiteren Kontext der kartäusischen (Re-)Konstruktion der Figur Brunos und des Kanonisierungsprozesses des "Gründers" des Kartäuserordens einzuordnen.
Die Edition selbst leidet unter Normalisierungsproblemen (z. B. das inkonsequente Ersetzen von "e" durch "ae") sowie unter Transkriptionsfehlern (z. B. "pius ille [...] Christi apostulum" statt "pater ille [...] iuxta apostulum" - zwei Fehler allein im ersten Absatz). Am Ende des Buches bietet Galle ein nützliches Namen- und Ortsregister sowie ein weiteres mit Schriftstellen - obwohl einige biblische Referenzen in der Edition fehlen.
Wiktor Dziemski stützt seine Edition auf das Autograph Arnoldis (ms. A) und Ludwig Mosers Abschrift (ms. M) und liefert eine ausführlichere Einführung, allerdings auf Polnisch. Dziemski widmet etwas mehr Aufmerksamkeit den von Arnoldi verwendeten (möglichen) Quellen und weist auf die (geringen) Unterschiede zwischen ms. A und ms. M hin. Leider ist auch seine Edition durch einige Transkriptionsfehler und Druckfehler beeinträchtigt. Zudem fehlt ein Register.
In den letzten Jahren haben einige Editionen von kartäusischen Quellen, die von Amateurforschern erstellt und in der Reihe der Analecta Cartusiana veröffentlicht wurden, harsche Kritik von Rezensenten erfahren - und das zu Recht! Vor diesem Hintergrund wäre es daher durchaus zu begrüßen, wenn professionelle Wissenschaftler, Herausgeber und Gutachter in ihren Projekten deutlich höhere Standards einhielten.
Christoph Galle (ed.): Die "Chronica de beato Brunone primo Cartusiensium" Heinrich Arnoldis von Alfeld. Edition, Kommentar und Übersetzung (= Hamburger Studien zu Gesellschaften und Kulturen der Vormoderne; Bd. 11), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2021, 110 S., ISBN 978-3-515-12912-1, EUR 32,00
Wiktor Dziemski: Słodki owoc duchowego pocieszenia. Edycja krytyczna nieznanego żywota św. Brunona Kartuza, Kraków: WUJ 2020, 122 S., ISBN 978-83-233-4787-3, POL 39,90
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