sehepunkte 25 (2025), Nr. 9

Dietmar Heil (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I.

Mit dem (aus zwei Teilbänden bestehenden) Band zum Augsburger Reichstag 1518 liegt nun die Edition zum letzten Reichstag unter Kaiser Maximilian I. vor. Bekannt ist der Reichstag vor allem durch den gescheiterten Versuch, Maximilians Enkel Karl zum Römischen König wählen zu lassen, und durch das Verhör Luthers durch den päpstlichen Legaten Cajetan. Schon ein flüchtiger Blick in das Inhaltsverzeichnis zeigt freilich, dass diese beiden Themen mitnichten den Hauptteil der Edition ausmachen. Das Verhör Luthers war formal ohnehin nicht Teil des Reichstags (ebenso wenig wie beim Reichstag in Worms 1521). Die Edition trägt aber der Erwartungshaltung ebenso wie der späteren Bedeutung der Causa Lutheri dadurch Rechnung, dass dieser Komplex in einem knappen Exkurs aufgenommen wurde. Gleichzeitig wird dadurch eine Zäsur deutlich, wie der Abteilungsleiter Eike Wolgast zu Recht betont: Denn die Reichstage ab 1521 sollten dann eben zu einem ganz erheblichen Maß durch die Frage des Umgangs mit der Reformation bestimmt werden (15). Die Kaiserwahl hingegen bestimmte den Reichstag erheblich, auch weil manch andere Materien mit dieser Wahl verknüpft wurden. So sah sich Kaiser Maximilian wegen der Wahlfrage beispielsweise zu besonderer Rücksicht gegenüber den Kurfürsten veranlasst. Dass die Wahlverhandlungen in der Edition dann aber doch nicht so viel Platz einnehmen, wie vielleicht zu erwarten wäre, ist auch der Tatsache geschuldet, dass gerade diese Gespräche einer besonderen Geheimhaltung unterlagen, was einen Niederschlag in der schriftlichen Überlieferung nicht eben begünstigt hat (126).

Insofern präsentiert sich 1518 also als ein durchaus "normaler" Reichstag der Maximilianzeit. Im Mittelpunkt stehen neben größeren, das ganze Reich betreffenden Themen wie Reformvorhaben, der Kreuzzug gegen die Türken oder größere Konflikte (Deutscher Orden, Württemberg, Sickingen) Partikularangelegenheiten der Reichsstände, die den Reichstag nicht nur als ein, sondern als das Forum zu Konfliktbeilegung und Kommunikation ausweisen. Deutlich wird auch das Reich als Lehnsverband und die Funktion des Kaisers als oberster Lehnsherr und Privilegiengeber - und dies, obwohl es sich nicht um einen ersten Reichstag eines Herrschers handelte, bei denen diese Angelegenheiten traditionell großen Raum einnahmen. "Normal" waren auch die Anlaufschwierigkeiten mit mehrmaliger Verschiebung des Reichstagsbeginns und die - im Verhältnis zur späteren Entwicklung - noch wenig verfestigten Strukturen. Ersteres führte zu der Entscheidung, sehr umfangreiche "Vorakten" in die Edition aufzunehmen, die im Grunde direkt nach dem Mainzer Reichstag 1517 einsetzen. Die noch eher lockere Struktur zeigt sich z.B. darin, dass schon die Zeitgenossen uneins darüber waren, wann der Reichstag denn nun begonnen habe (121), da es keinen vergleichsweise eindeutigen Auftakt wie die Verlesung der kaiserlichen Proposition gab.

Der Reichstag von 1518 war bekanntlich der letzte Reichstag Maximilians I. Sicher wissen können das nur die Nachlebenden, geahnt haben es aber wohl etliche der am Reichstag Beteiligten, einschließlich des Kaisers selbst. Das wurde kaum je ausdrücklich thematisiert, weil es unschicklich gewesen wäre, den Gesundheitszustand des Kaisers anzusprechen (113). Aber es hatte Auswirkungen auf den Reichstag: Zum einen wurden mancherlei Rücksichten auf den alten Fürsten genommen, der deshalb häufig nicht selbst präsent war. Zum anderen kalkulierten manche Akteure offensichtlich ein, dass sie es in absehbarer Zeit mit einem anderen Reichsoberhaupt zu tun haben würden - Maximilian war in diesem Sinne das, was man heute als "lame duck" bezeichnen würde. Das blitzt an manchen Stellen auf (139), wäre aber sicher eine systematische Untersuchung wert. Die Bilanz des Reichstags war dann auch eher bescheiden, wie schon die Zeitgenossen konstatierten: Manches wurde explizit auf den nächsten Reichstag verschoben (Türkenhilfe), anderes wurde de facto später wieder aufgegriffen (Reform des Reichskammergerichts). Immerhin schien der Kaiser sein wichtigstes Ziel erreicht zu haben, nämlich die Zusage der Mehrheit der Kurfürsten, seinen Enkel Karl zum Römischen König bzw. Kaiser zu wählen. Gerade dieses Ergebnis sollte sich freilich rasch als obsolet erweisen: Nach dem Tod Maximilians am 12. Januar 1519 wurden die Karten neu gemischt und die Verhandlungen begannen von neuem, zumal die kurfürstlichen Zusagen formal ohnehin nur eine Gültigkeit von einem halben Jahr hatten.

Der Schwerpunkt der Edition liegt selbstverständlich auf den politischen Verhandlungen. Erfreulicherweise wurden in die Edition aber auch Stücke aufgenommen, die Einblicke in den Alltag und das Zeremoniell des Reichstags oder in die Anliegen von Supplikanten erlauben. Hier trägt die Edition veränderten Interessen und Fragestellungen der Forschung Rechnung. So erfährt man nicht nur, dass es offensichtlich normal war, dass zwei Personen in einem Bett nächtigten (200) und dass eine Witwe mit drei Kindern ihre Wohnung an eine Reichstagsdelegation vermietete (186). Auch mit Fremdenfeindlichkeit rechnete man. Denn ausdrücklich wurde festgelegt, dass "die, so frembder nation sein, in irn sytten und claydungen unsern wesen nit gleich weren, [...] darum nit veracht noch verspot" werden sollten (199).

Ungewöhnlich breiten Raum nehmen - angesichts der eher mittleren Bedeutung von Stadt und Bistum Worms - Wormser Angelegenheiten ein. Das liegt zum einen an der hervorragenden städtischen Überlieferung, aber auch daran, dass die Auseinandersetzungen zwischen der Stadt, der Geistlichkeit und dem Bischof sowie den umliegenden Mächten durchaus als exemplarisch für viele Bischofsstädte gelten können, auch wenn sie hier besonders hartnäckig ausgetragen wurden. Auch hier erfährt man interessante Dinge jenseits der politischen Verhandlungen. So klagte ein Wormser Exulant gegen den Rat, dass er so brutal gefoltert worden sei, dass er nun arbeitsunfähig sei (1143).

Die Edition folgt den Prinzipien, die bereits bei den zuletzt vorgelegten Bänden der Mittleren Reihe Anwendung gefunden haben. Geboten wird also eine Mischung aus komplett abgedruckten Texten, Regesten und Mischformen. Das ist angesichts der im 16. Jahrhundert rapide ansteigenden Quellenmenge sicher ein sinnvolles Vorgehen, zudem wohl auch das einzige, das die Vorlage der Bände in rascher Folge ermöglicht. Dass man über die Auswahl im Einzelnen stets trefflich streiten kann, räumt der Bearbeiter unumwunden ein (105). Kriterien für einen vollständigen Abdruck sind naheliegenderweise die Nähe der Stücke zum "'Reichstagskern'", der freilich angesichts der beschriebenen, noch wenig verfestigten Struktur nicht immer ganz einfach zu bestimmen ist. Für die Wiedergabe als Regest spricht dagegen ebenso selbstverständlich der gut zugängliche Druck eines Stücks an anderer Stelle. Ein ganz erheblicher Teil der Stücke wird freilich in einer Mischform aus Regest und wörtlichem Zitat geboten. Hier hätte die Rezensentin in größerem Umfang die Entscheidung entweder für Regest oder Ganzdruck für sinnvoll gehalten, da man sich, wenn man sich mit einer Materie näher befassen will, in all diesen Fällen dann eben doch das Original heranziehen muss. Insgesamt aber bietet die präsentierte Auswahl einen umfassenden Überblick über den Reichstag und erlaubt es allen Interessierten, auf dieser Grundlage gezielt weiterzusuchen. Die Regesten sind gewohnt zuverlässig und kenntnisreich formuliert, die Kommentierung ist relativ sparsam, aber im Rahmen einer wissenschaftlichen Edition, bei deren Benutzung gewisse Kenntnisse vorausgesetzt werden können, völlig ausreichend. Außerordentlich hilfreich ist das ausführliche Register, das neben Personen (mit zusätzlichen Angaben wie Funktionen und Ämtern) und Orten auch etliche Sachbegriffe enthält. Ebenfalls eher kurz und vielleicht doch etwas zu voraussetzungsreich ist die Einleitung ausgefallen. Sie ist strikt auf das Reichstagsgeschehen konzentriert, was zwar durchaus nachvollziehbar ist, über weite Strecken dann aber doch etwas hermetisch wirkt. Hier wären einige knappe kontextualisierende Bemerkungen hilfreich gewesen. Das aber schmälert keineswegs die Qualität der Edition und das Verdienst des Bearbeiters, der nun schon den vierten Band in der Mittleren Reihe der Reichstagsakten vorgelegt und damit (neben seinem Bearbeiterkollegen Reinhard Seyboth) entscheidend dazu beigetragen hat, dass die Beschäftigung mit der Spätzeit Maximilians I. heute auf einer ganz anderen Grundlage stattfinden kann als noch vor wenigen Jahren. Möge diese Arbeit auf fruchtbaren Boden fallen!

Rezension über:

Dietmar Heil (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I. Band XIII: Der Reichstag zu Augsburg 1518 (= Deutsche Reichstagsakten. Mittlere Reihe; Bd. 13), Berlin / Boston: De Gruyter Oldenbourg 2025, 2 Bde., IV + 2100 S., ISBN 978-3-11-139602-6, EUR 349,00

Rezension von:
Bettina Braun
Historisches Seminar, Johannes Gutenberg-Universität, Mainz
Empfohlene Zitierweise:
Bettina Braun: Rezension von: Dietmar Heil (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I. Band XIII: Der Reichstag zu Augsburg 1518, Berlin / Boston: De Gruyter Oldenbourg 2025, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 9 [15.09.2025], URL: https://www.sehepunkte.de/2025/09/40344.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres letzten Besuchs dieser Online-Adresse an.