KOMMENTAR


Von Wim Weymans

Der Erfolg des Online-Rezensionsjournals sehepunkte lässt erkennen, dass die darin präsentierten Rezensionen sich offenbar einer breiten Resonanz innerhalb der geschichtswissenschaftlichen Fachwelt erfreuen. Die Rezension eines Buches wird nicht nur häufiger gelesen als das Werk selbst, ihre Bewertungen können den Ruf eines Autors befördern, diesem jedoch auch erheblichen Schaden zufügen. Der Autor befindet sich hierbei stets in einer schwächeren Position: Der Rezensent hat nichts zu verlieren, der Autor jedoch sehr viel. Dies wurde unlängst wieder deutlich am Beispiel der von Achim Thomas Hack vorgelegten Rezension über das erste Buch von Andreas Mohr mit dem Titel: "Das Wissen über die Anderen". Auch für einen Historiker, der nicht Spezialist auf dem Gebiet der Karolingerzeit ist, wird aus dem Ton und der Machart der Rezension deutlich, dass Hack lediglich darauf abzielt, auf eine sehr polemische und persönlich übelwollende Weise die Arbeit eines jüngeren Kollegen in Misskredit zu bringen. Hack ignoriert nicht nur weitgehend Inhalt und methodische Ansätze der Arbeit Mohrs, sondern dramatisiert darüber hinaus bloße Einzelheiten, die er in umgedeuteter Form rhetorisch gegen dessen Untersuchung wendet. Nach der ersten Gegendarstellung des Autors wurde Hack erlaubt, nochmals zu antworten; diesmal in einer noch beleidigenderen Weise als zuvor.

Dieser Fall wirft daher die allgemeinere Frage auf, wie ein Autor am besten vor derartigen verbalen Attacken zu schützen sei. Hierbei sind grob zwei Wege erkennbar. Im ersten Fall greift die Redaktion nicht in die Debatte ein; dann sollte dem Autor jedoch das Recht zugestanden werden, sich selbst zu verteidigen, so oft es ihm zur Verdeutlichung seiner methodischen wie inhaltlichen Argumente angebracht erscheint. Die andere Möglichkeit bestünde darin, dass die Redaktion selbst aktiv wird und verhindert, dass derart persönlich beleidigende Rezensionen publiziert werden. Letztere Möglichkeit legitimiert ein eingeschränktes Antwortrecht des Autors. Da der Autor sich in einer schwächeren Position befindet, wäre es das Beste, wenn beide Optionen im Bereich des Möglichen lägen: Die Redaktion gewährt dem Autor das Recht auf mehrere Antworten und setzt sich zugleich für faire und unpolemische Rezensionen ein. Dass diese Option durchaus realistisch ist, zeigt die erst kürzlich geführte Debatte auf dem moderierten Verteiler von H-France, auf dem eine Autorin sogar dreimal antworten durfte; dies auch nachdem die Redaktion die fragliche Rezension schon vorbeugend redigiert hatte.

sehepunkte zieht dagegen keine der beiden Möglichkeiten in Betracht: Nicht nur, dass sehepunkte dem Autor lediglich ein eingeschränktes Antwortrecht einräumt, dieses Rezensionsjournal veröffentlicht auch, wie anhand von Hacks Text ersichtlich, anscheinend Rezensionen ohne editorische Bearbeitung. Beide Faktoren sind jedoch gerade im Falle bösartiger Rezensionen wichtig, da nicht auszuschließen ist, dass der Rezensent dem Autor nur persönlich schlecht gesonnen ist.

Es gibt aber dennoch Alternativen, die es ermöglichen, einen fairen Umgang mit Buchrezensionen zu finden: Man könnte sich als Redaktion entweder öffentlich von einer persönlich übelwollenden Rezension distanzieren oder aber dem Autor ein umfangreicheres Antwortrecht einräumen. Hierbei soll keineswegs übersehen werden, dass beide Optionen auch Nachteile bergen können: Die erste Möglichkeit trägt das Risiko einer unendlichen Debatte zwischen Rezensent und Autor in sich, andererseits käme eine Distanzierung in den meisten Fällen vermutlich zu spät, da die Redaktion eigentlich früher hätte eingreifen sollen. Immerhin stellt sich die Frage, was die Redaktion mit einer solchen Distanzierung zu verlieren hätte. Konkret auf den Fall der oben erwähnten Buchbesprechung Hacks gemünzt: Hat die Redaktion allen Ernstes vor, Hack noch weitere Bücher rezensieren zu lassen?

Wenn man weder den Weg der Distanzierung von einer unfairen Rezension noch den der Gewährung eines uneingeschränkten Antwortrechtes für den Autor einschlagen möchte, so gäbe es noch eine weitere Lösung. Man könnte das Buch von mehreren Wissenschaftlern parallel rezensieren lassen. Ähnlich wie bei einem Peer-Review-Verfahren könnte eine zweite oder dritte Rezension die erste korrigieren oder bestätigen. Wenn ein Rezensent einem Autor oder dessen Werk persönlich ablehnend gegenüber steht und er sich nicht einmal die rhetorische Mühe macht, dies in seinen Ausführungen zu verbergen, sollte die Redaktion zu dem Mittel mehrerer Rezensionen greifen, zumal meiner Einschätzung nach die Redaktion ihren Lesern und den Autoren gegenüber diese Differenziertheit schuldig ist.

Um es abschließend nochmals auf den Punkt zu bringen: Polemische, selektive Rezensionen nutzen niemandem, schon gar nicht der Wissenschaft, außer vielleicht den privaten Zwecken des jeweiligen Rezensenten. Einer Redaktion stehen - wie soeben deutlich wurde - verschiedene Möglichkeiten offen, die Veröffentlichung derartiger Texte zu verhindern oder doch wenigstens abzufedern. Dort, wo der Rezensent das erste Wort hat, sollte dem Autor wenigstens das letzte Wort gegeben werden.



REPLIK


Von Gudrun Gersmann / Peter Helmberger / Matthias Schnettger

Zu dem Kommentar von Wim Weymans stellen wir als Herausgeber der sehepunkte folgendes fest:

(1) Jede in den sehepunkten publizierte Rezension durchläuft ein umfassendes, mehrstufiges Begutachtungsverfahren. Hierbei hat die Redaktion stets ein besonderes Augenmerk darauf, keine unsachlichen Besprechungen zu veröffentlichen. Dieses Verfahren wurde auch im angesprochenen Fall angewandt.

(2) Es liegt in der Natur der Sache, dass wissenschaftliche Bücher kontrovers besprochen werden. Eine Rezension kann daher immer nur eine spezifische Sicht auf eine Publikation bieten. Dies wird im übrigen durch den Namen unseres Journals besonders deutlich gemacht.

(3) Als monatlich erscheinendes Journal können die sehepunkte keine sich u.U. über Monate hinziehenden Debatten zu einer einzelnen Rezension publizieren. Diese wären dann auch für die Leserinnen und Leser nicht mehr nachvollziehbar. Wir haben uns daher entschlossen, jeweils nur einen Kommentar und eine Replik (die möglichst gemeinsam publiziert werden sollten) zuzulassen. Diese Regelung ist auch so auf unserer Netzseite nachlesbar.