STELLUNGNAHME ZU

Angela Abmeier: Rezension von: Die Beziehungen zwischen Argentinien und der DDR 1945-1990. Internationale Akteure im Spannungsfeld des Kalten Krieges , in: sehepunkte 23 (2023), Nr. 2 [15.02.2021], URL: http://www.sehepunkte.de/2023/02/36924.html

Von Víctor Manuel Lafuente

In ihrer Rezension analysiert Abmeier mein Buch auf drei Ebenen: die Chronologie der historischen Fakten; die Quellen, deren Dokumentation und Analyse; sowie den Umfang und Aufbau des Werkes.

Zuerst beschreibt die Autorin die Chronologie der Beziehungen zwischen Argentinien und der DDR und den Inhalt der einzelnen Kapitel. Bedauerlicherweise beschränkt sie sich auf die Wiedergabe der in der Einführung enthaltene Informationen, anstatt sie kritisch zu analysieren. Dabei wäre ihre Stellungnahme gerade zu den Passagen wünschenswert gewesen, in denen ich mich mit den Thesen ihres 2017 erschienenen und von mir seinerzeit für sehepunkte rezensierten Buches auseinandersetze (21, 380, 384, 392 und 446). [1]

Zudem werden in der Rezension leider historische Fakten falsch dargestellt. Die DDR hat nicht 1954 eine Handelsvertretung (HV) in Buenos Aires gegründet, die 1962 "wieder geschlossen werden musste". Die HV war bereits seit 1953 aktiv, aber erst 1956 erhielt die Erlaubnis der argentinischen Regierung, ihre eigenen Räume anzumieten (246). Auch erfolgte die Schließung der HV nicht durch die DDR selbst - wie es der Wortlaut der Autorin nahelegt -, sondern durch den argentinischen Geheimdienst (SIDE). Es handelte sich dabei um die letzte von drei gegen die DDR gerichteten Aktionen der argentinischen Sicherheitskräfte. Sie diente zudem auch als Rechtfertigung für den ebenfalls 1962 in Argentinien verübten Putsch. Die Zusammenarbeit zwischen der SIDE und dem BND spielte in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle.

Im ersten Kapitel analysiere ich nicht nur die Tätigkeiten der deutschen Exilanten in Argentinien während des Zweiten Weltkriegs, wie die Autorin beschreibt, sondern auch ihre unterschiedlichen Positionierungen in Hinblick auf die deutsche Teilung, ihre Schicksale in Argentinien bzw. nach der Rückkehr in die DDR sowie die Entstehung des Ateneo Humboldt, der als Freundschaftsgesellschaften der DDR in Argentinien fungierte, sowie ihre Aktivitäten und die Einschränkungen, denen diese unterlag. Auch in der Chronologie der Jahre 1973 bis 1983 werden Informationen unvollständig bzw. falsch rezipiert: Wie ich im fünften Kapitel ausführlich darlege, gestalteten sich die Beziehungen zwischen der DDR und Argentinien in diesem Zeitraum nicht nur wegen der wirtschaftlichen Instabilität Argentiniens schwierig, sondern vor allem zwischen 1973 und 1976 waren es die innenpolitischen Schwankungen Argentiniens, welche die Entwicklung der Beziehungen behinderten, und zwar aufgrund der Wirkung der Fehden zwischen Links- und Rechtsperonisten auf der argentinischen Außenpolitik. Nur so wird verständlich, warum sich die Bemühungen der DDR nach dem Putsch 1976 auf wirtschaftliche Aspekte konzentrierten.

Die Autorin vertritt in ihrem Buch die These, dass aufgrund des Nichtvorhandenseins einer freien Presse in der DDR dort keine Information über die Menschenrechtsverletzungen in Argentinien an eine breite Öffentlichkeit gelangt sei und somit "für die DDR [...] die Menschenrechtsfrage an so sich so gut wie keine Rolle" gespielt habe. [2] Die Rezensentin stellt ihrer Behauptung als meine These dar, dabei weise ich anhand argentinischer und deutscher Quellen nach, dass die Menschenrechtssituation in Argentinien sehr wohl auch die außenpolitischen Erwägungen der DDR beeinflusste und es diesbezüglich unter DDR-Diplomaten in Buenos Aires zu Diskussionen kam. Dass sowohl Ost-Berlin als auch die Botschaft in Buenos Aires sich zum Stillschweigen entschlossen, ist nur vor dem geopolitischen Hintergrund des Einflussverlustes der DDR im benachbarten Chile nach 1973 zu verstehen. Das Ziel der DDR, in diesem Kontext die Beziehungen zur argentinischen Militärjunta zu vertiefen, wurde erreicht: Die Junta honorierte ihre Diskretion, indem sie zum Beispiel 1977 das Handelsabkommen mit der DDR - als erstes überhaupt - ratifizierte und ostdeutschen Journalisten Visen erteilte. Ebenso stelle ich in meinem Buch dar, wie seitens der DDR zwar verhalten aber dennoch Solidarität gegenüber politisch Verfolgten geübt wurde.

Bei der Beschreibung des letzten Kapitels nennt Abmeier "Wirtschaftsprojekte, die zum Teil hohe politische Bedeutung hatten". Hier hätte zumindest erwähnt werden sollen, um welche Projekte es sich handelte, nämlich die Zusammenarbeit im Fischereiwesen und im Waffenhandel - zwei Bereichen, die auch im Buch der Rezensentin bereits erwähnt werden. In meinem Buch geht die Analyse aber deutlich tiefer, zumal sie auch im Zusammenhang mit der Stellung der DDR zur Falklandfrage standen – ein weiterer Aspekt, in dem die Autorin Bezüge zu ihrer eigenen Arbeit hätte herstellen können.

Im zweiten Teil der Rezension bezüglich der Quellenarbeit werden nur die "Unterlagen aus verschiedenen deutschen und argentinischen Archiven" erwähnt, dabei fließen in mein Buch Ergebnisse aus Recherchen in insgesamt 18 Archiven, auch in den USA und Großbritannien ein. Dass die Erkenntnisse aus den Archivquellen durch Gespräche mit 15 Zeitzeugen überprüft und ergänzt werden, findet in der Rezension keinerlei Erwähnung.

Die Autorin bemängelt, dass Dokumente des Bundesarchivs und der Stiftung Archiv der Partei- und Massenorganisationen der DDR (SAPMO) mehrheitlich nur bis zum Jahr 1986 herangezogen wurden. Zwar hatte ich zunächst zahlreiche Anträge gestellt, um auch in Unterlagen aus den verbleibenden vier Jahren bis 1990 Einblick zu erhalten, denen aber nur teilweise entsprochen wurden. Letzten Endes erübrigte sich dies jedoch weitgehend, da einige dieser Dokumente zumeist auch im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes bzw. im damaligen BSTU einsehbar waren. Dennoch ist aus der Rezension nicht ersichtlich, inwieweit die Tatsache, dass einige dieser Unterlagen nicht in die Recherche einbezogen wurden, die Erkenntnisse meiner Arbeit schmälern. Schließlich wurden sämtliche Aussagen meines Buches, einschließlich der Analyse der letzten vier Jahren der Beziehungen Argentinien-DDR, umfassend mit Archivquellen beider Staaten untermauert.

Dies führt zum letzten Punkt der Rezension, in dem die Autorin kritisiert, dass das Buch "sehr quellengesättigt und quellennah geschrieben" sei. An dieser Stelle würde ich erwidern, dass Anzahl und Umfang der Quellenzitate in erster Linie dazu dienen, Fakten nachzuweisen und Spekulationen zu vermeiden. Da das Buch zudem eine Gesamtdarstellung der Beziehungen zwischen der DDR und Argentinien anstrebt, ein Thema, worüber wenige Literatur vorhanden war, rechtfertigt sich meines Erachtens auch die umfangreiche Dokumentation relevanter Quellen. Darüber hinaus möchte ich es der werten Leserschaft überlassen, sich ein Urteil über den Aufbau meines Buches und seine analytische Aussagekraft zu bilden.

Anmerkungen:

[1] Victor M. Lafuente: Rezension von: Angela Abmeier: Kalte Krieger am Rio de la Plata? Die beiden deutschen Staaten und die argentinische Militärdiktatur (1976-1983), Düsseldorf: Droste 2017, in: sehepunkte 18 (2018), Nr. 7/8 [15.07.2018], URL: http://www.sehepunkte.de/2018/07/31442.html.

[2] Siehe Anmerkung 1.