Rezension über:

Gábor Klaniczay / Ildikó Csepregi (eds.): The Sanctity of the Leaders. Holy Kings, Princes, Bishops, and Abbots from Central Europe (Eleventh to Thirteenth Centuries) (= Central European Medieval Texts; Vol. 7), Budapest: Central European University Press 2023, VII + 684 S., ISBN 978-615-5225-28-4, EUR 105,00
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Rezension von:
Spyridon P. Panagopoulos
Patras
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Spyridon P. Panagopoulos: Rezension von: Gábor Klaniczay / Ildikó Csepregi (eds.): The Sanctity of the Leaders. Holy Kings, Princes, Bishops, and Abbots from Central Europe (Eleventh to Thirteenth Centuries), Budapest: Central European University Press 2023, in: sehepunkte 23 (2023), Nr. 12 [15.12.2023], URL: https://www.sehepunkte.de
/2023/12/38213.html


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Gábor Klaniczay / Ildikó Csepregi (eds.): The Sanctity of the Leaders

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Der neueste Titel dieser zweisprachigen, lateinisch-englischen Reihe enthält die Viten derjenigen Heiligen, die vom 11.-13. Jahrhundert in den neu christianisierten Ländern Mittel- und Osteuropas (Böhmen, Polen, Ungarn und Dalmatien) kanonisiert wurden. Als Antwort auf den ersten Band der Reihe (The Saints of the Christianization Age of Central Europe), der Eremiten, Missionare und Märtyrer behandelte, wird dieser zweite Band von der Hagiographie politischer oder kirchlicher Führer dominiert, die zu heiligen, während des gesamten Mittelalters hoch verehrten Patronen ihrer Region wurden.

Die Heiligenlegenden des Bandes stellen die beiden ungarischen Könige Stephan und Ladislaus, Herzog Emeric, den tschechischen Abt Procopius von Sázava, drei Bischöfe, den venezianisch-ungarischen Gerard von Csanád, den polnischen Stanislaus von Krakau (beide Märtyrer) und den dalmatinischen heiligen Bischof Johannes von Trogir vor. Jede "Vita" wird im lateinischen Original mit einer englischen Übersetzung und mit Vorworten veröffentlicht, in denen die Texttradition diskutiert wird. Die Heiligenviten sind eine unschätzbare Informationsquelle für die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, die Mentalitäts- und Alltagsgeschichte, die Kulturgeschichte und präsentieren sich vor allem als eine besondere Gattung mit entscheidender Bedeutung und Verbreitung innerhalb der mittelalterlichen Literatur.

Die von Gábor Klaniczay verfasste Einleitung untersucht die literarische Gattung der Hagiographie im Mittelalter. Da sich die in diesem Band enthaltenen hagiographischen Texte auf mittelalterliche Herrscher Mitteleuropas beziehen, wird zunächst versucht, den Begriff "Mitteleuropa" zu definieren. Über diese Region, die häufig auch als Ostmitteleuropa bezeichnet wird, um sie vom westlichen, germanischen Teil Mitteleuropas abzugrenzen, wurde in der Geschichtsschreibung viel nachgedacht und diskutiert. Sie umfasste in der Zeit ihrer Entstehung um das erste Jahrtausend auch die von orthodoxen Missionaren aus Byzanz bekehrten Gebiete: Bulgarien, Großmähren, die Rus von Kiew, Serbien und Rumänien; es war eine Region der Begegnung nicht nur zwischen West und Ost, sondern auch zwischen Nord und Süd.

Das zweite Thema, das Klaniczay in der Einleitung behandelt, betrifft die Heiligkeit der Herrscher im mittelalterlichen Mitteleuropa. Die wichtigsten Legenden, die in den drei der Hagiographie gewidmeten Bänden der Medieval Central European Texts versammelt sind, sind die Leben heiliger Herrscher. Im frühen Mittelalter war die königliche Heiligkeit ein typisches und kennzeichnendes Merkmal des Heiligenkults unter den kürzlich bekehrten "Barbaren". Einige obligatorische Elemente der Herrschertätigkeit, wie die Teilnahme an Schlachten und Hinrichtungen, die Verhängung von Todesurteilen, die Teilnahme an repräsentativen und luxuriösen höfischen Veranstaltungen und die Pflicht, männliche Nachkommen zu zeugen, machten es der Kirche schwer, das Leben eines Herrschers als vorbildliches Modell der Heiligkeit anzuerkennen. Andererseits gab die Förderung des Christentums in den neuen Bekehrungsländern durch die Herrscher diesen das Recht, von der offiziellen katholischen Kirche kanonisiert zu werden. Die Anerkennung der Heiligkeit eines Mitglieds einer königlichen Dynastie wurde zum Symbol für das Bündnis des Königreichs mit der christlichen Kirche. Sie verschaffte den Herrschern eine neue Art von Legitimität, und die Verehrung dieser heiligen Könige gab der Kirche die Möglichkeit, auf die nachfolgenden Herrscher einzuwirken, damit sie die neuen christlichen Vorbilder der Regierungsführung respektierten und ihre heiligen Vorfahren als nachahmenswerte Ideale begriffen.

Die zweite Art von Herrschern im christlichen Mitteleuropa des Mittelalters ist die der Märtyrerbischöfe - der heiligen Bischöfe. Heilige Bischöfe, einer der wichtigsten Typen von Märtyrer- und Bekennerheiligen nach der Spätantike, bilden eine zweite wichtige Gruppe mitteleuropäischer Heiliger in den ersten beiden Bänden der CEMT-Reihe. Das Vertreten kirchlicher Positionen gegenüber der weltlichen Obrigkeit durch die Bischöfe konnte häufig zu Konflikten führen, wie es etwa bei Gerhard von Csanád und König Samuel Aba der Fall war. Der Kult des heiligen Stanislaus, der repräsentativste Typus der Heiligen- und Märtyrer-Bischofskulte in Mitteleuropa, vervollständigt das Bild des mittelalterlichen Bischofs als Seelsorger. Die Legende liefert eine lange und ausführliche Beschreibung der moralischen Pflichten eines guten Bischofs, so wie die Legenden von heiligen Herrschern Fürstenspiegel sind.

Der Abt ist der dritte Typus des "Führers" unter den hier vorgestellten mitteleuropäischen Heiligen. Im Vergleich zu den zahlreichen heiligen Herrschern und Bischöfen ist Prokopius, Abt von Sázava, der einzige heilige Abt unter den Heiligen des zentralen Mittelalters. Der monastische Anteil an der Hagiographie in Mitteleuropa präsentiert sich eher bescheiden. Dennoch wäre es ein Fehler, aus diesem zahlenmäßigen Missverhältnis zu schließen, dass es in dieser Region keine ausgeprägte monastische Kultur gegeben hätte: Die Benediktinerklöster waren im elften und zwölften Jahrhundert Zentren der religiösen Kultur. Einige der Legenden von heiligen Herrschern und Bischöfen, auch wenn sie häufig anonym überliefert sind, wurden wahrscheinlich in diesen Klöstern geschrieben.

Die Herausgeber behaupten freilich, dass die Kulte der neuen Heiligen von Bischöfen ins Leben gerufen wurden, die mit den herrschenden Dynastien verbündet waren, in deren Diensten standen oder manchmal mit ihnen in Konflikt gerieten - dies könnte die Erklärung für die große Zahl heiliger Herrscher und Bischöfe in dieser Region im hohen Mittelalter sein. Dem ist wohl zuzustimmen. Weitere Forschungen zur Thematik bleiben allerdings ein Desiderat der Forschung.

Zum Schluss noch einige Worte zu den im vorliegenden Band verwendeten Texten und kritischen Ausgaben. Die lateinischen Texte, die im Anhang unter dem Titel "Select Hagiography" aufgeführt sind, basieren auf den besten verfügbaren kritischen Ausgaben. Sie wurden an mehreren Stellen von Cristian Gaşpar korrigiert, der auch die Übersetzung und den kritischen Apparat der meisten dieser Legenden erarbeitet hat.

Der Band stellt einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der monarchisch-monastischen Hagiographie im Mitteleuropa während des hohen und späten Mittelalters dar.

Spyridon P. Panagopoulos