Andreas Beyer (Bearb.): Bildnis, Fürst und Territorium. Unter Mitarbeit von Ulrich Schütte und Lutz Unbehaun (= Rudolstädter Forschungen zur Residenzkultur; Bd. 2), München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2000, 266 S., 166 s/w-Abb., ISBN 978-3-422-06312-9, EUR 45,00
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Zentralinstitut für Kunstgeschichte / Bayerischer Kunstgewerbe-Verein (Hgg.): schön und gut. Positionen des Gestaltens seit 1850. Tagungsband des gleichnamigen Symposiums, 21./22.9.2001, SiemensForum in München, München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2002
Die in diesem Band veröffentlichten Beiträge sind das Ergebnis der Tagung gleichen Namens, die im Frühjahr 1998 auf Schloss Heidecksburg in Rudolstadt stattfand. Auf ihr stand die generelle Frage nach der Beziehung von Kunst und Gesellschaft in einer auf die Frühe Neuzeit zugespitzten Form im Mittelpunkt: Wie konstituierte sich die in dieser Zeit ausgebildete territoriale Herrschaft in unterschiedlichen Bildmedien (die Beschränkung auf das Bild daher, als die Frage in Bezug auf Architektur schon des öfteren gestellt worden sei)? In insgesamt dreizehn Beiträgen wurde diese Frage auf Einzelbeispiele aus Malerei und Bauplastik vom 14. bis zum 18. Jahrhundert angewandt, um die spezifischen Möglichkeiten des Bildes in dieser Sache zu erhellen.
"Territorium" als die eine Größe in dem Spannungsgefüge von Kunst und Gesellschaft wurde dabei durchaus unterschiedlich aufgefasst: nicht nur im engeren Sinne als ein politisches Faktum, sondern auch in historischem, moralisch-psychologischem und metaphysischem Sinne. So deutet Matthias Müller die Schlossdarstellungen in den 'Très Riches Heures' des Herzogs Jean de Berry sowohl funktional als Repräsentation von Verwaltungszentren als auch religiös als Sinnbilder des Himmlischen Jerusalems sowie als sinnbildliche Darstellungen für christliche Tugenden und schließt daran die Vermutung an, dass "Burg- oder Schloßanlagen in den Bildern des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit ganz überwiegend allegorische Funktionen wahrnahmen" (23).
Internalisiertes Territorium sind nach Kristine Patz hingegen die von mythologischen und allegorischen Figuren bevölkerten Landschaften Andrea Mantegnas aus dem Studiolo Isabella d'Estes im herzoglichen Palast in Mantua. Patz beschreibt hier die Funktionsbestimmung des Raumes als Ort der Muße als konstitutiv auch für die Auffassung der Landschaftsräume in den Gemälden, die positiver wie negativer Nutzung offen stünden. "Hatte Mantegna in seinem 'Parnaß' das Studiolo als einen Ort der Musen bestimmt, so thematisierte er im Gemälde 'Minerva vertreibt die Laster aus dem Garten der Tugend' die Gefahren der Muße." (46) Die dargestellte, mythologisch mit Konflikten beladene Topografie sei im Sinne kollektiver, ethisch überformter Psychologie und künstlerischer Reflexivität eine Seelenlandschaft Isabellas: "Mantegna entwickelte im Gemälde 'Minerva vertreibt die Laster aus dem Garten der Tugend' das Bild einer Seele, die in sich zerrissen in Unstimmigkeit geraten ist, und er verweist damit zugleich auf das Risiko eines unmäßigen Genusses von 'otium' als latente Gefahr der Nutzung dieses Raumes. Der 'Parnaß' hingegen zeugt von dem Bemühen, die sich widersprechenden 'Seelenvermögen' unter Wirkung der Musenkunst wieder in eine Form der Übereinstimmung zu bringen." (53) Inwieweit hier mit Geschlechterdifferenzen argumentiert wird, ist dabei nur im Titel angerissen, nicht jedoch im Text ausgeführt.
Marcus Kiefer schließlich thematisiert die mögliche historische Dimension eines Ortes. In seinem Beitrag zu der von Francesco Salviati ausgemalten Sala dell'Udienza beschreibt er, wie im von kollektiver Erinnerung besetzten Florentiner Palazzo Vecchio die Herrschaftsvorstellungen der zu Landesfürsten gewordenen Medici bewusst in republikanische Traditionen eingebettet wurden. "Ziel dieser Geschichtsfälschung war, Cosimos Herrschaft als Erfüllungszustand der Republikgeschichte zu propagieren." (61) Vielleicht noch deutlicher geschichtlich legitimiert erscheint Landesherrschaft in dem von Dietmar Popp vorgestellten Skulpturenprogramm des Schlossportals in Brieg (Schlesien) aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, in dem eine Reihe von Vorfahren des ebenfalls dargestellten Herzogs Georg II. von Liegnitz-Brieg-Wohlau seine genealogische Ableitung von den Königen Polens postuliert, während eine Wappenfolge die politischen Ansprüche der eigenen Zeit formuliert.
Wird in einem Teil der Beiträge also "Territorium" durchaus weit gefasst und mit Bedeutungsdimensionen belegt, denen eigene bildnerische Umsetzungen entsprechen, so beschäftigen sich andere Autoren vornehmlich damit, wie mithilfe des Bildes Herrscher und Territorium einsichtig aufeinander bezogen werden konnten. Eine Zuordnung vor allem mittels der symbolischen Repräsentation von Herrschaftsansprüchen und Territorien im Wappen beschreibt Raphael Sennhauser für die Äbte verschiedener schweizerischer Klöster. Möglich war aber auch eine Darstellung des Territoriums im wörtlichen Sinne. So stellt Barbara Welzel anhand des Panzerkragens des Erzherzogs Albrecht VII. von Habsburg mit einer Darstellung der Schlacht von Ostende den schlagenden Fall einer Applikation des Territoriums direkt auf die Person des Herrschers vor und stellt die These auf, dass Albrecht diesen Panzerkragen bei seinem feierlichen Einzug in die eroberte Stadt getragen habe. "Mit dem am Körper vorgetragenen Bildprogramm präsentiert sich Albrecht als antiker Heros, der Ostende besiegt und unter seine Herrschaft gebracht hat." (137)
Weniger direkt, aber doch ebenso eindeutig ist die Zuordnung von Herrscher und Territorium auch im Falle der von Marc Rohrmüller analysierten Herrscherbildnisse im großen Saal des Residenzschlosses Friedenstein zu Gotha. Rohrmüller zufolge sind die den einzelnen Personen zugeordneten Territorien im Bildhintergrund Darstellungen von für die Ernestiner dynastisch und reformationsgeschichtlich wichtigen Orten; die historische Dimension des Territoriums war also auch hier ein bedeutungsvoller Aspekt ihrer Verbildlichung.
Im Falle von raumkünstlerischen Konzepten scheint gegenüber diesen zweidimensionalen Lösungen die Möglichkeit gegeben, eine unmittelbare Korrespondenz zur Ausbildung von Territorien herzustellen. Kilian Heck postuliert eine solche "soziale Raumbildung" für das Grabmal von Dietrich von Fürstenberg und die Grabdenkmäler des Domkapitels im Paderborner Dom. "Daß die räumliche Disposition als sozialer Indikator funktionieren kann, ist für sich betrachtet noch nichts Außergewöhnliches. Es ist die Schaffung einer sozialen Hierarchie, die jede soziale Gruppe (...) gegenüber der nächsten sozialen Gruppe (...) genau bewertet und sie danach entsprechend privilegiert oder subordiniert. (...) In diesem Sinne wurde der Paderborner Dom als ein Gesamtraum empfunden, als eine ausgedehnte Ebene, die in sich Strukturbildungen zuläßt, die noch die entfernteste und subordinierteste Grabstelle in Bezug setzt zum Grabmal des Fürstbischofs Dietrich im Chor. Und genau diese Strukturbildung im vor allem in seiner flächenhaften Ausdehnung empfundenen herrschaftlichen Raum ist ein genuin neuzeitliches Merkmal, das sich immer wieder bei der zeichenhaften Ausstattung weltlicher und geistlicher Territorien wiederfinden läßt." (152) Unklar bleibt, ob auch die von Heck am einzelnen Monument entwickelte Erzählstruktur der figürlichen Plastik dieser Argumentation unterworfen ist.
Die Frage nach dem spezifischen Beitrag auch raumkünstlerisch argumentierender Bildwerke stellt sich auch im Falle der Aufsätze von Martin Eberle, Christian Renfer und Franz Matsche, ohne dort jedoch eigens thematisiert zu werden. Eberle behandelt die Bildnisse Rudolfs IV. aus dem 14. Jahrhundert in und an Sankt Stephan in Wien, die mittels der jeweils mit seiner Person und der seiner Frau verbundenen Insignien den Wechsel von einer reichspolitisch ausgerichteten Politik zu einer territorialen erkennen ließen. Renfer beleuchtet Bildprogramm und Architektur des Rathausneubaus von 1692-1700 im zunehmend souverän agierenden Stadtstaat Zürich, wobei die von ihm postulierte Ausgleichsleistung des Fassadenprogramms zwischen dem "Anspruch der Herrschenden und der Missgunst im Volk" (171) sicher ein genereller Grundzug politischer Ikonographien und nicht nur eine Züricher Sonderleistung ist. Matsche schließlich klärt die Ikonographie des Bildprogramms im Vestibül des Schlosses in Pommersfelden in Bezug auf den Auftraggeber Lothar Franz von Schönborn und versucht, die von Sedlmayr aufgeworfene Frage nach einem "Kaiserstil" in Sinne eines "Reichsstils" zu beantworten: "Man darf also in der Verwendung gleicher oder ähnlicher Symbole und ikonographischer Motive in Pommersfelden und am Wiener Hof keine Verbreitung des '(ikonographischen) Kaiserstils' sehen, sondern es handelt sich um eine Parallelerscheinung, die im Fall Pommersfelden als eine Art '(ikonographischer) Reichsstil' zu bezeichnen wäre." (236)
In den oben erwähnten Aufsätzen von Müller und Welzel klingt an, dass mitunter ganz spezifische künstlerische Mittel für eine Thematisierung und Überhöhung territorialer Ansprüche und Verfestigungen im Bild gefunden wurden. Weiter ausgeführt und eben nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Form bezogen wird dies in dem den Band beschließenden Beitrag von Hubertus Kohle, in dem Hyacinthe Rigauds Porträt des als Schäfer Céladon dargestellten, ehrgeizig nach Nobilitierung strebenden Gaspard de Gueidan überzeugend als in Ikonographie und malerischer Durchbildung den Status erblicher Aristokratie ämulierende Darstellung gedeutet wird. Sicher wäre es ein Desiderat, in einer Geschichte der Repräsentation fortschreitender Territorialisierung im Bild solcherart Instrumentalisierungen von Inhalt und Form weiter nachzugehen. Ein weiteres Desiderat offenbart der Aufsatz von Friedrich Polleross zu Bildnisgebrauch und -ikonographie bei den Habsburgern. Hier könnte das reiche Material die Möglichkeit eröffnen, dieses weniger nach ikonographischen Typen, sondern noch stärker nach Funktionen und Kontexten zu ordnen und diese als Schlüssel für die historische Betrachtung zu etablieren. Generell könnten so bei der Untersuchung frühneuzeitlicher Visualisierungen von Verstaatlichung Form und Inhalt vermehrt die Außenbezüge von Bildwerken an die Seite gestellt und so Entwicklungen erkannt werden, von denen die Beiträge im vorliegenden Band immerhin eine Ahnung vermitteln.
Claudia Hattendorff