Bruno Preisendörfer: Staatsbildung als Königskunst. Ästhetik und Herrschaft im preußischen Absolutismus, Berlin: Akademie Verlag 2000, 432 S., ISBN 978-3-05-003503-1, EUR 74,80
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Diese Rezension erscheint auch in PERFORM.
Ines Elsner: Friedrich III./I. von Brandenburg-Preußen (1688-1713) und die Berliner Residenzlandschaft. Studien zu einem frühneuzeitlichen Hof auf Reisen. Ein Residenzhandbuch, Berlin: Berliner Wissenschafts-Verlag 2012
Tillmann Bendikowski: Friedrich der Große, München: C. Bertelsmann 2011
Kilian Heck / Christian Thielemann (Hgg.): Friedrichstein. Das Schloß der Grafen von Dönhoff in Ostpreußen, München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2006
Schon seit längerem findet die Darstellung von Herrschaft ein verstärktes Interesse im wissenschaftlichen Diskurs verschiedener Disziplinen. Denn politisches Handeln verlangt seit jeher aus Gründen der Legitimität und Akzeptanz danach, auch in symbolischen Formen der wie auch immer gearteten Öffentlichkeit dargeboten zu werden. Sowohl das Rom der Kaiserzeit als auch die alteuropäische Vergangenheit, insbesondere die Geschichte der großen Monarchien und Stadtstaaten, geben uns den Blick auf ein ebenso vielgestaltiges wie prächtiges Anschauungsfeld für solche Themenstellungen frei. Hinzu kommt, dass die moderne Medienwelt ebenfalls dazu tendiert, immer stärker politische Entscheidungsprozesse einer breiteren Öffentlichkeit vor allem in bildgerechten Inszenierungen zu präsentieren. Daher ist nicht selten auch die Sorge zu spüren, dass das Bild das Wort als Mittel der Argumentation zunehmend in den Hintergrund drängen könnte.
Was liegt in diesem Zusammenhang näher, als die Politik des preußischen Staates, der spätestens seit den Tagen des Kurfürsten Friedrich Wilhelm um Aufmerksamkeit im Heiligen Römischen Reich und darüber hinaus rang, unter diesem Aspekt zu betrachten. Der Titel des vorliegenden Buches, insbesondere die darin zum Ausdruck kommende zeitliche Begrenzung auf das Zeitalter des Absolutismus, könnte zumindest diese Erwartung beim fachfremden Leser wecken. In der Einleitung werden wir überdies mit einigen zentralen Fragestellungen konfrontiert, aber die knappen Bemerkungen über Preußen und die "herrschaftsästhetischen Analysen" lassen bereits Schlimmes erwarten, zumal die Überlegungen zur Quellengrundlage bereits sichtbar machen, dass es für den Autor bei der Bewältigung seiner Aufgabe keine "Hierarchie der Texte" gibt. Eingedenk der "Relevanzverschiebung" der Quellen sieht sich der Autor nämlich berechtigt, den Steinbruch der historischen Überlieferung nach Belieben zu durchmischen und zusammenzufügen.
Im ersten Teil seiner Ausführungen "Der Staat, die Regierung, der König" werden wir mit eher zufällig zusammengetragenen Lesefrüchten zu Fragen der Staatsbildung im Allgemeinen, des aufgeklärten Staatsdenkens sowie der preußischen Monarchie im 18. Jahrhundert konfrontiert. Obendrein rundet der Verfasser dies durch einige Überlegungen zur Selbstdarstellung Friedrichs II. ab. Stets ist das Verfahren ähnlich. Lange Zitate aus wissenschaftlicher Literatur und zeitgenössischen Texten werden mit mehr oder minder belangvollen Überleitungen verknüpft, ohne dass die eingangs formulierten Intentionen wirklich aufgegriffen werden.
Im zweiten Teil "Der König, das Recht, die Strafe" wiederholt sich das traurige Schauspiel erneut. Vielfach fühlt man sich an eine ältere Publikation über das Theater des Schreckens erinnert, welche eben diese Thematik in ähnlicher Weise aufrollte. Überdies lässt es sich der Verfasser nicht nehmen, immer längere, großenteils wohl bekannte Quellentexte zu einzelnen Hinrichtungen seinem Publikum zu präsentieren. Der Bezug zum eingangs gewählten Thema geht darüber gänzlich verloren. Es wäre schön gewesen, wenn der Autor über seine Begeisterung für den König im Strafprozess nur einen Augenblick darüber nachgedacht hätte, dass gerade Preußen ein schlechtes Beispiel für die Rolle des Monarchen im Strafprozess abgab, denn dieser beschränkte sich im Zuge der wachsenden Bürokratisierung in den preußischen Territorien bis ins späte 18. Jahrhundert überall dort, wo er nicht selbst Inhaber der Blutgerichtsbarkeit war, was sehr selten vorkam, stets auf eine interne, für das Volk nicht sichtbare Rolle ob seines allgemeinen landesherrlichen Bestätigungs- und Kontrollrechtes bei schweren Körperstrafen. Das Blutgericht wurde weiterhin im Namen und auf Kosten des lokalen Gerichtsherrn gehegt.
Abgerundet wird dieses eigenwillige Werk noch durch zwei Exkurse über das Fest und den Krieg im Alten Preußen, welche ebenfalls ohne innere Notwendigkeit nur bekannte Tatsachen referieren. Schließlich stößt der verwunderte Leser noch auf einen üppigen bibliografischen Essay, welcher fachlich versierten Zeitgenossen eine bunte Mischung der Preußenliteratur aus jüngerer und älterer Zeit offeriert. Man gewinnt den Eindruck, dass Preisendörfer darin seiner übergroßen Freude auch noch zu diesem Themenfeld seine Stimme erheben zu können, beredten Ausdruck verleiht. Eines bleibt jedoch gewiss, des Autors Ausführungen zu Preußen kamen diese Bücher nicht oder nur sehr, sehr selten zu Gute.
Das Buch ist daher ein geradezu klassisches Beispiel dafür, dass eine bedenkenswerte These und ein interessanter Titel keineswegs zwangsläufig ein anregendes Buch zur Folge haben müssen.
Peter-Michael Hahn