Andreas Lawaty / Wiesław Mincer (Hgg.): Deutsch-polnische Beziehungen in Geschichte und Gegenwart. Bibliographie 1900-1998. Unter Mitwirkung von Anna Domanska (= Veröffentlichungen des Deutschen Polen-Instituts Darmstadt; Bd. 14), Wiesbaden: Harrassowitz 2000, 4 Bde. 4612 S., ISBN 978-3-447-04243-7, EUR 199,00
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
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Im Zeitalter von Internet-Datenbanken und CD-Roms müssen sich neu erscheinende Bibliografien, die (vorerst) nur in einer gedruckten Version vorliegen, eine besonders kritische Prüfung gefallen lassen. Umso mehr gilt dies, wenn ein unter geografischen und thematischen Gesichtspunkten derart weitreichendes Terrain wie die deutsch-polnischen Beziehungen über ein ganzes Jahrhundert hinweg bibliografisch erfasst wird. Die im Rahmen einer Kooperation zwischen dem Deutschen Polen-Institut Darmstadt (A. Lawaty) und der Universitätsbibliothek Thorn (W. Mincer) erarbeitete vierbändige Bibliografie zu den deutsch-polnischen Beziehungen in Geschichte und Gegenwart hält, dies sei einleitend festgehalten, einer kritischen Überprüfung praktisch ohne Abstriche stand. Dies gilt nicht nur für Auswahl und Gliederung des Titelmaterials, sondern auch für die inhaltliche Erschließung durch Querverweise und Annotationen, deren Erstellung dadurch möglich wurde, dass sämtliche Titel nach dem Autopsie-Prinzip erfasst wurden. Nicht zuletzt überzeugt außerdem die Gestaltung des Druckbildes, das sowohl der Notwendigkeit raumsparenden Lay-outs als auch dem Bemühen um gute Lesbarkeit Rechnung trägt.
Die Bibliografie verfolgt, wie bereits aus den Titeln der einzelnen Teile hervorgeht, einen kulturhistorischen Ansatz. Unter "Beziehungen" subsumieren die Herausgeber alle Aspekte "der politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Kontakte, Einwirkungen, Wahrnehmungen, Annäherungen und Konflikte". Darüber hinaus wurden solche Werke aufgenommen, "die polnische und deutsche Realitäten dem historischen bzw. soziologischen Vergleich unterziehen" (Band 4, 12), völlig verzichtet wurde hingegen zu Recht auf deutschsprachiges Schrifttum über Polen sowie polnischsprachiges Schrifttum über Deutschland. Dagegen wurden grundlegende Gesamtdarstellungen zur deutschen und polnischen Geschichte, wie zum Beispiel Thomas Nipperdeys Deutsche Geschichte 1800-1918 (Nummer 4858) oder Oskar Haleckis History of Poland (Nummer 119), sowie auch regionalgeschichtliche Studien dann aufgenommen, wenn sie "die deutsch-polnischen Beziehungen nicht vordergründig thematisieren, aber ein wichtiges Hintergrundwissen über Regionen enthalten, die für diese Beziehungen von besonderer Bedeutung sind" (Band 1, 29). Auch die österreichisch-polnischen und, in geringerem Umfang, schweizerisch-polnischen Beziehungen finden Berücksichtigung. Die ganz überwiegende Mehrzahl der Titel bilden deutsche und polnische Veröffentlichungen, daneben sind noch englische, französische und italienische Publikationen in nennenswerter Zahl erfasst.
Gerade weil es praktisch unmöglich ist, bei einem derart umfangreichen Vorhaben eine absolut lückenlose Dokumentation zusammenzustellen, ist es sinnvoll, dass die Bearbeiter den Bearbeitungszeitraum bei Bedarf zurück in das 19. Jahrhundert ausgedehnt haben, in Einzelfällen bis 1830, häufiger aber in die Jahrzehnte nach der Reichsgründung. Ein von so äußerst vielfältigen Faktoren beeinflusstes Thema wie die preußische Polenpolitik seit den Teilungen könnte nur unzureichend bibliografisch beleuchtet werden, würde man sich streng an das für die deutsch-polnischen Beziehungen an sich bedeutungslose Berichtsjahr 1900 als Anfangspunkt halten.
Für die Gliederung der über 53.000 Titel, die in den Benutzerhinweisen in Band 4 gut verständlich vorgestellt wird, bedienten sich die Bearbeiter(innen) der insgesamt elf Teile einer Kombination aus inhaltlicher und chronologischer Systematisierung. Da wegen der Fülle des Materials auf ein Sachregister verzichtet wurde, muss der Nutzer folglich mithilfe der Gliederung zu den Titeln des jeweils gewünschten Sachgebietes geführt werden. Jedes Teilkapitel beginnt mit dem Abschnitt "Allgemeine Hilfsmittel" und ist danach in große Zeitabschnitte gegliedert, innerhalb deren sich bis zu fünfstufige Untergliederungen (Band 1) finden; zumeist genügten jedoch drei Stufen, um zu Unterkapiteln wie "Der Zweite Weltkrieg im polnischen Film", "Polnischsprachige Presse in Danzig 1918-1939" oder "Mission in Litauen im Mittelalter" zu gelangen. Die Unterkapitel erstrecken sich im Durchschnitt über 3-4 Seiten, die ersten der aufgeführten Titel sind im Bedarfsfall wiederum, dann jedoch ohne Überschriften, nach einzelnen Gattungen der "Hilfsliteratur" unterteilt, also Bibliografien, Quelleneditionen und Ähnliches. Die eigentlichen Veröffentlichungen jedes Unterkapitels sind chronologisch nach Erscheinungsjahr geordnet. Literatur zu einzelnen Personen, alphabetisch geordnet und mit Lebensdaten versehen, findet sich ausschließlich am Ende jedes Teils; zu Beginn der Unterkapitel, die auf diese Weise ihren übersichtlichen Umfang behalten, wird auf diese Titel verwiesen. Diese gründliche Querverweisung ergänzt das im 4. Band aufgeführte Autoren-, Personen- und Ortsregister.
Der wissenschaftliche Wert der Bibliografie offenbart sich nicht nur durch die kleinteilige und mit sinnvollen Verweisen operierende Systematik, sondern auch in den zahlreichen Annotationen. Diese enthalten zum einen bibliografische Informationen, neben der deutschen Übersetzung von polnischsprachigen Titeln finden sich auch Verweise auf Rezensionen, die dann aufgenommen wurden, wenn sich in ihnen eine Relevanz für die deutsch-polnische Thematik widerspiegelt. Zum anderen finden sich bei durchschnittlich etwa jedem dritten Titel - in Band 1 weniger zahlreich als in den Bänden 2 und 3 - Erläuterungen zum Inhalt des Werkes, sei es, weil die Überschrift keine genauen Rückschlüsse auf den Inhalt der Publikation zulässt, sei es, um dort auftretende Eigennamen zu erklären oder Querverweise auf weitere Titel der genannten Person zu liefern. Für ein derart arbeitsaufwändiges Werk ist diese zusätzliche Hilfestellung keineswegs selbstverständlich, darüber hinaus haben die Bearbeiter(innen) in einigen Annotationen auf den zweifelhaften wissenschaftlichen Wert einer Publikation hingewiesen. Gerade bei Werken deutscher Autoren aus der Zeit des Nationalsozialismus, die nicht selten erst in der Nachkriegszeit veröffentlicht wurden, stellen solche Wertungen keine Bevormundung des Nutzers dar.
Mit der umfassenden Hilfestellung durch Gliederung, Annotationen und Querverweise erweist sich die vorliegende Literaturdokumentation selbst als ein "lesbares" Werk. Man kann die Bibliografie nicht nur zur Hand nehmen, um zielgerichtet nach Titeln zu einer bestimmten Person oder einem Sachverhalt zu suchen. Die Anordnung der Titel in den Unterkapiteln nach Erscheinungsdatum regt vielmehr auch dazu an, für die jeweiligen Themengebiete nach zeitlichen Schwerpunkten ihrer wissenschaftlichen Bearbeitung Ausschau zu halten und mithilfe der Querverweise zu den Personen weitergehende Zusammenhänge zu erschließen. Eine elektronische Datenbank bietet zwar, eine Sachverschlagwortung vorausgesetzt, den Vorteil, nach individuellen Bedürfnissen, beispielweise mit einer kombinierten Personen/Schlagwort-Suche, vorgehen zu können, und kann zudem als online-Version im Internet ständig aktualisiert werden. [1] Eine gedruckte Bibliografie kann demgegenüber für sich beanspruchen, unzweideutig den Forschungsstand zum Zeitpunkt des Erscheinens zu dokumentieren, vorausgesetzt, sie ist so sorgfältig erstellt wie im vorliegenden Fall. Man kann den Herausgebern und Bearbeiter(inne)n zu diesem rundum gelungenen Projekt nur gratulieren und all denjenigen, die sich mit den deutsch-polnischen Beziehungen befassen, ein neues, fundiertes Hilfsmittel versprechen.
Anmerkung:
[1] Das Herder-Institut in Marburg erfasst im Rahmen seiner Literatur-Datenbank (www.uni-marburg.de/herder-institut/grundlagen/bibliographien/lit_db.html) auch Titel zu den deutsch-polnischen Beziehungen, die in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Informationsdienst "inter finitimos" auch in gedruckter Form, zuletzt für 1998, erscheinen.
Christoph Schröder